Hochfrequenzhandel

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Ein Beispiel für die Benachteiligung mit Hilfe hoher Rechnerkapazitäten ist der Hochfrequenzhandel, was nichts anderes bedeutet als das weltweite Geschäft mit der Arbitrage, d. h. der Ausnutzung unterschiedlicher Preise für alle möglichen Finanzpapiere, Derivate und Devisen und dem technischenFrontrunning.

Während meiner damaligen Ausbildungszeit zum Kundenbetreuer für das Auslandsgeschäft in den siebziger Jahren durfte ich eine Woche dem hektischen Devisenhandel in Düsseldorf beiwohnen. Das Arbitragegeschäft lief damals zum einen über Telefon von Händler zu Händler oder mit dem laut schnatternden und langsamen Fernschreiber, über den diese oder jene Bank angeschrieben und nach Kursstellung dieser oder jener Währung befragt wurde. Einige Sekunden später kam das Angebot zurück geschnattert, welches mit einer Anfrage bei einer anderen Bank verglichen wurde mit der Folge, dass dann gekauft oder verkauft wurde, wenn sich ein positiver Unterschied ergab, entweder aus den eigenen Beständen oder von einer Bank genommen und gleichzeitig der anderen Bank gegeben wurde. Den positiven Unterschiedsbetrag konnte dann der Arbi­tragehändler, in diesem Fall die Deutsche Bank, vereinnahmen.

Damals hat man sich auf Fernschreiber und Telefon gestützt, viele können sich evtl. noch an die Devisenhändler mit den vielen Telefonen erinnern. Das war für damalige Verhältnisse schon sehr progressiv und ungewöhnlich schnell. Heute läuft alles automatisch und dann in Millisekunden ab und zwar von Rechner zu Rechner, ohne dass ein Mensch dazwischen funkt. Man spricht sogar davon, dass 90 Prozent des gesamten weltweiten Handels auf den Finanzmärkten inzwischen automatisch stattfinden.

Diese Rechner sind mit sämtlichen Börsen, d. h. Anbietern von fungiblen Finanzprodukten jeglicher Art vernetzt und scannen diese (Derivate, Aktien, Devisen, Anleihen) auf deren Preise weltweit ab und handeln sofort, wenn auch nur ein kleiner Kursunterschied und sei er nur in der dritten und vierten Stelle hinter dem Komma, festgestellt wird.

Die Leistungsfähigkeit des Computers, d. h. seine Rechnerkapazität und die eingesetzten Algorithmen sind daher sehr entscheidend für den Erfolg und Misserfolg dieses Arbitragegeschäftes, da es zwischenzeitlich weltweit Hunderttausende von fungiblen Finanzprodukten und dann noch in unterschiedlichen Währungen gibt, die alle erfasst und abgescannt werden müssen.

Da die Übermittlung der Daten elektronisch vollzogen wird, also in Lichtgeschwindigkeit, entscheidet sehr oft die Länge des Kabels zum jeweiligen Rechner der Börse oder des Maklers über den Erfolg oder Misserfolg dieses Arbitragegeschäftes, da der Rechner des einen Händlers dadurch in einem Bruchteil einer Millisekunde, man spricht sogar von Milliardstelsekunden, schneller die Daten erhält als der Konkurrent und somit schneller, für den Menschen nicht mehr wahrnehmbar, handeln kann.

Dies ist auch der Grund, warum sich die Investmentbanken in New York wie eine Herde von Schafen in unmittelbarer Nähe um den Computer des Schäfers – wo immer dieser auch stehen mag –, der Börse in der Wallstreet, versammeln.

In Frankfurt befindet sich der Computer der Frankfurter Börse nicht am Sitz der Börse in der Frankfurter Innenstadt, sondern am Stadtrand von Frankfurt (Wo? Muss geheim bleiben lt. der berichtenden Wirtschaftszeitung) in einer ehemaligen großen Möbelfertigungshalle. Rings um diesen Rechner der Frankfurter Börse befinden sich die Rechner von 180 Banken, Fondsgesellschaften, Börsen und diversen Geldunternehmen. Interessant wäre hier die Info, welcher Rechner von welchem Institut am nächsten zum Rechner der Frankfurter Börse steht und wie viel dieses Institut für diesen Vorteil bezahlen musste. Die Nähe zum Börsencomputer dürfte sicherlich sehr lukrativ bezahlt worden sein.

Das geht sogar schon soweit, dass bei Eingabe einer Order per Tastendruck die Hochfrequenzmaschine dieses über Datenknotenpunkte wahrnimmt und bevor die Order am Ziel (Börse) angekommen ist, von der Hochfrequenzmaschine mit schnelleren (kürzeren) Zugangskabeln diese Order oder den Markt schon so beeinflusst hat, dass der Hochfrequenzhändler daraus den besten Nutzen ziehen konnte (u.a. Kauf des Wertpapiers vor Eingang der abgefangenen Order und Verkauf nach Ausführung der abgefangenen Order). Das geschieht in milliardstel Sekundenbruchteilen und ist eine andere Form des “frontrunnings” /Insidergeschäftes und meines Erachtens daher illegal.

Diese hermetisch abgeriegelte Halle ist eine der modernen Schlagadern des modernen Finanzkapitalismus (lt. Handelsblatt). In einem Beitrag des Heute-Journals des ZDF konnte man dieses fensterlose Gebäude nur von außen betrachten, die dort arbeitenden Menschen gaben sich gegenüber dem ZDF-Journalist mehr als wortkarg, sie sagten Null-Komma-Nichts.

Diese Halle in Frankfurt steht im Eigentum der US- Firma Equinix Inc, eine US-amerikanische Aktiengesellschaft, die netzbetreiberunabhängige Rechenzentren und Internet-Knoten betreibt. Das Unternehmen ist in zehn Ländern aktiv und bietet seinen Kunden Stellflächen in seinen Rechenzentren (Colo­cation) sowie die dazugehörige Internet-Anbindung an. Zum Kundenkreis von Equinix gehören größere Unternehmen, Internet-Inhaltsanbieter und Netzbetreiber (lt. Wikipedia).

Nach den bekannt gewordenen Abhörpraktiken der NSA kann man nur darüber spekulieren, inwieweit Equinix Inc. sich gegen die Bedürfnisse der NSA wehren konnte. Auch hier muss einem die wiederum erstarkte hohe Ertragskraft der amerikanischen Banken zu denken geben.

Das alleine ist aber noch nicht der final auslösende Punkt, um diese Handelsgeschäfte zum Abschluss zu bringen. Über den Wert eines Finanzproduktes entscheiden auch Nachrichten, Gerüchte, selbst gestreute Gerüchte und angebliche Kauf- und Verkaufsabsichten, die diese Rechnerkapazitäten ebenfalls abscannen und in die Entscheidung, ob gekauft oder verkauft wird, mit einfließen lassen. Teilweise werden Handelsaufträge in den Markt gegeben und kurz davor wieder zurückgezogen, nur um gewisse Trends auszulösen zwecks Unterstützung im Markt befindlicher eigener Spekulationen.

Auch spielen die „social networks“ wie Facebook, Twitter & Co bei der Generierung von Trends eine große Rolle. Warum ist die Benutzung dieser Plattformen kostenlos und wieso generieren diese networks so hohe Umsätze und Erträge?

Aus dem Mitteilungsbedürfnis der Nutzer dieser Plattformen ergeben sich aus der Generierung einer Masse von Schlüsselwörtern gewisse Trends, welche sowohl an die Werbebranche als auch an die Investmentbanken verkauft werden zwecks Verfeinerung ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Eigentlich müssten die Nutzer dieser Plattformen von diesen Geld für ihr Mitteilungsbedürfnis erhalten.

So kommen zu der hohen Anzahl der fungiblen Finanzprodukte und den Trends aus den social networks noch der sehr große und der sich ständig verändernde Datenfluss aus den Medien hinzu, welche diese Algorithmen ebenfalls verarbeiten und daraus die Entscheidung für Kauf- oder Verkauf ableiten. Eine große Rolle spielt hierbei der so genannte VIX Index (Volatility Index), einem auch als Angstindex bezeichneten Gradmesser, der relativ frühzeitig die Volatilität des Marktes erkennen lässt und somit Kauf oder Verkaufsorder auslösen kann.

Die Aufzählung dieser ungeheuer großen Masse an Informationen lässt einem bewusst werden, dass das menschliche Gehirn und somit der normale Anleger eigentlich nicht mehr in der Lage ist, diesen Datenfluss entsprechend zu sortieren und einzuordnen. Hochintelligente Menschen sind in der Lage, bis zu 800 Wörter in der Minute zu lesen, die Rechner dieser Finanzinstitute kommen auf einige hundert Millionen bis einige Milliarden pro Sekunde. Somit können in der Sekunde bis zu 4.000 + x  Deals abgeschlossen werden. Ende nach oben nicht absehbar.

Daher überlassen selbst die Investmentbanken diese Arbeit den Rechnern, die das entsprechend je nach Ausstattung und Software mehr oder weniger sehr gut bewältigen können, aber letztlich abhängig sind von den von Menschenhand geschaffenen Algorithmen.

Wie die FAZ und das Handelsblatt berichteten, hat der Hochfrequenzhandel zu einer unglaublichen Steigerung der Handelsaktivitäten geführt. Wurden beispielsweise in 1993 die 30 Werte im DAX gut eine Milliarde Mal gehandelt, waren es 2011 bereits 41 Milliarden Transaktionen. Weltweit wurden in 2012 Aktien im Wert von US$ 80,4 Billionen gehandelt, Tendenz steigend.

Bei Einführung der Handelsplattform Xetra wurden am ersten Handelstag 5.000 Aufträge abgewickelt, jetzt sind es laut Deutscher Börse 107 Millionen am Tag.

Die Werte im japanischen Nikkei sind in 2011 343 Milliarden mal gehandelt worden, bei den Werten im FTSE (wichtiger britischer Aktienindex) kam man  auf 221 Milliarden. Auch hier Tendenz steigend

Und dieser Trend ist nicht nur an den oben genannten Börsen zu verzeichnen, sondern weltweit. Man kann daher nur erahnen, welche ungeheuerlich großen Ausmaße dieser Computerhandel, oder Roboterhandel zwischenzeitlich angenommen hat und weiter nehmen wird.

Auch hier zeichnet sich schon die Horrorvision selbstständig handelnder Maschinen deutlich ab.

Dieses hohe Volumen kann andererseits durch fehlerhafte Aufträge und damit sich potenzierende Reaktionen der Rechner zu erheblichen Vermögensverlusten bei den Anlegern führen. So geschehen in Indien beim indischen Nifty-Index, wodurch US$ 58 Milliarden Börsenwerte zumindest auf dem Papier vernichtet wurden. Beim so genannten „Flash –Crash“ des Dow-Jones-Indexes im Mai 2010 waren es US$ 325 Milliarden.

In den USA werden derzeit zwei Drittel der Umsätze auf dem Aktienmarkt über den Hochfrequenzhandelt abgewickelt, Tendenz steigend. Wie in der Industrie, schreitet auch hier die Automatisierung der Produktion, bzw. hier im Handel entsprechend fort. Es bleibt daher die größte Sorge, dass die Systeme der Hochfrequenzhändler zu unkontrollierbaren Abstürzen nicht nur an den Aktienmärkten führen und damit das gesamte Finanzsystem destabilisieren könnten. Man nimmt sogar an, dass die Betreiber eines solchen Hochfrequenzhandels schon selbst nicht mehr wissen, was diese Algorithmen alles so anstellen können, eine Art Verselbstständigung hat anscheinend schon begonnen.

Zwischenzeitlich hat auch die Aufsicht und Politik von diesen Gefahren Wind bekommen, FBI und SEC beobachten verstärkt den Markt, da auch hier Unregelmäßigkeiten in den komplizierten Algorithmen vermutet werden, die nur den einen Sinn haben, die Marktteilnehmer durch falsche Bewegungen hinter das Licht zu führen. Vorschläge zur Eindämmung dieser Gefahren liegen auf dem Tisch. So soll beispielsweise eine Mindesthaltefrist von mindestens einer halben Sekunde eingeführt werden. Was aber ist nach dieser halben Sekunde? Auch hier spielt die Schnelligkeit der Systeme, das kurze Kabel und deren Algorithmen eine große Rolle.

In den USA steht im Zentrum dieser Regulierungsdebatte der so genannte „Kill Switch“, eine Art Notabschaltung für den Krisenfall für Broker oder den gesamten Markt. Käme es bei einem Broker = Investmentbank zu Problemen mit der Software, könnte dieser blitzschnell vom restlichen Kapitalmarkt abgetrennt werden, womit verhindert werden soll, dass sich Probleme im Markt potenzieren (lt. Handelsblatt). Kritisch betrachtet ergeben sich auch hier wieder eine Menge von Manipulationsmöglichkeiten, womit unliebsamen Konkurrenten der Garaus gemacht werden könnte.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

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