Jugendwahn(sinn)

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Kürzlich stach mir ein schwarzes T-Shirt mit folgender Aufschrift ins Auge:

„I am not 60, I am 18 with 42 years expierence“.

An sich eine sehr witzige Idee für ein T-Shirt mit sehr viel Hintersinn, man könnte es auch als schwarzen Humor des Zeitgeistes sowohl in der Aussage als auch in der Sprache bezeichnen, beschreibt es doch das Anforderungsprofil vieler Unternehmenslenker an die Belegschaft bzw. an den Führungsnachwuchs. Und kosten darf es natürlich auch  nichts, muss man noch hinzufügen.

Betrachtet man das Alter dieser Unternehmenslenker in den Geschäftsleitungen, Vorständen und Aufsichtsräten, die solche Prämissen setzen, stellt man sehr schnell fest, dass sich deren Alter selbst um die 50 bis 75 Lebensjahre und darüber beläuft. Also könnte man annehmen, dass dieses Alter denn doch nicht so abwegig für leistungsbereite und leistungswillige Arbeitnehmer ist. Dennoch wird aber dieser Jugendwahn bis zum Jugendwahnsinn getrieben, welches vor allem in den Banken beobachtet werden kann.

Sucht  man beispielsweise deren Schalterräume einmal auf, wird man feststellen, dass dort junge Männer und Frauen ältere Herrschaften „beraten“, die gut und gerne deren Enkel sein können. Nicht besser sieht es in den mittleren Führungsebenen aus, zugegeben mit etwas mehr an Lebensjahren versehen, allerdings dürfen diese dann gestandene Unternehmer „beraten“, ohne selbst einmal diese Funktion übernommen zu haben und über die entsprechende Lebenserfahrung zu verfügen.

Diese Denke hat sich zwischenzeitlich in allen Berufsgruppen festgesetzt,  vom Anwaltsberuf bis zu den Führungskräften in den Unternehmen. Hat man es mit 40 nicht schon in die Nähe des Vorstandsvorsitzenden geschafft, kann man seine Karriere abschreiben. Mit 50 gehört man schon zu den auf dem Ausrangierbahnhof verweilenden und mit einer 6 davor befindet man sich schon in der kurz danach zündenden Abschussrakete. Hat es einer bis 65 geschafft, seinen Beruf in einem Unternehmen ausüben zu dürfen, müsste er schon in das Guinness-Buch der Rekorde eingetragen werden. Die geschäftsführenden Unternehmer, die Vorstandsvorsitzenden inkl. seiner Vorstandskollegen und die Aufsichtsratsvorsitzenden muss man hier aus dieser Denke herausnehmen, obwohl sie zu den höchst dotierten Angestellten zählen und sich in vielen Fällen dieser Dotierungen nicht würdig erweisen.

Volkswirtschaftlich ist das ein totaler Nonsense, besser gesagt eine Katastrophe, insbesondere mit Blick auf unser Sozialsystem. Heute studiert ein Jurist oder Betriebswirtschaftler etwa bis zum Lebensalter von 25 bis 27 und hat er dann das Glück, sofort eine Arbeitsstelle zu finden, muss er nach der heutigen Denke befürchten, schon im Lebensalter von Anfang bis Mitte 50 mit entsprechenden Vorruhestandsregelungen abgeschoben zu werden.

Somit hätte er etwa nur 30 Jahre gearbeitet.

Wird er dann bei dem derzeitigen Stand der Medizin noch 90, kann er nach heutigen Maßstäben 35 Jahre Rente beziehen, evtl. sogar länger, als er gearbeitet hat. Oder anders ausgedrückt, von 90 Lebensjahren hat er 60 Jahre nichts in das Sozialsystem eingebracht, bzw. nicht gearbeitet. Das kann nicht gut gehen, das wird jedes Renten- / Sozialsystem zu Fall bringen.

Ganz schlaue Leute, insbesondere die in der Finanzindustrie, werden jetzt als Argument die private Altersvorsorge aus dem Hut zaubern und vorbringen, dass man ja nur entsprechend vorsorgen müsse, um damit die Einkommenslücke im Alter füllen zu können. Diese Protagonisten vergessen aber, dass unser Staat die Einkommen auch der nicht so einkommensstarken Bürger sehr stark besteuert und somit kaum Gelder in der nötigen Höhe für eine solche private Altersversorgung zur Verfügung stehen. Besteht dann noch ein größerer Kindersegen, den insbesondere Deutschland bitter nötig hat, bewegen sich viele Familien in einer bedenklichen Nähe zur Armutsgrenze.

Betrachtet man dann noch die Gebührenpolitik der Finanzindustrie in diesem Segment und zudem noch die mit hohem Risiko behaftete Anlagepolitik der die Gelder der privaten Altersvorsorge verwaltenden Institutionen, auch gerne als institutionelle Anleger  betitelt, muss man befürchten, dass man letztlich aus diesen Anlagen weniger zurück bekommt, als man eingezahlt hat.

Die private Altersvorsorge bedingt auch einen sehr langen Anlagehorizont in den unterschiedlichsten Anlageklassen. Seien es Anleihen, Aktien, Immobilien oder die so genannten alternativen Anlagen, in welchen man größtenteils die mit hohem Risiko behafteten Anlagen aller Kategorien bis zu den abgelegten toxischen Wertpapieren der Banken finden kann. Die Anleihen muss man aufgrund der meines Erachtens kriminellen Intervention durch Herrn Draghi und seiner EZB momentan aus dieser Betrachtung entfernen.

Dieser lange Anlagehorizont beinhaltet in sich schon ein gehöriges Maß an Risiko, da sich in diesen 30 Jahren eine Menge verändern kann. Kurzum, die private Altersvorsorge – wenn sie für den Einzelnen überhaupt umsetzbar ist – kann nur ein Baustein von vielen seinund wird nicht dazu führen, die Einkommenslücken im Alter zu füllen.

Gehörig verändern muss sich die Jugendwahndenke. Entfernt  man die älteren Mitarbeiter in den Ruhestand und dann noch auf Kosten der Allgemeinheit – übrigens ein sehr beliebtes Mittel der Kostenfreaks mit hohen Vorstandsbezügen – und sieht das Heil nur in einem jungen Mitarbeiterstamm, werden die Probleme daraus in einigen  Jahren viel größer werden, da man es dann mit einem durchweg alten Mitarbeiterstamm zu tun haben wird. Die Gefahr, dass das Unternehmen zu einem Altenheim mutiert, ist dann sehr groß.

Kluge Unternehmenslenker mischen die Altersstruktur, verbinden die Erfahrungen und das langjährig erarbeitete Wissen der älteren Mitarbeiter mit der Dynamik und dem Drang nach neuen Ufern der jungen Mitarbeiter. Nur alte Mitarbeiter lassen ein Unternehmen ebenso untergehen wie die vielen Start ups mit überschäumenden Vorstellungen von der Machbarkeit alles Möglichen. Afrika ist deswegen so rückständig, weil die Volksstämme seit tausenden von Jahren vom Ältestenrat regiert wurden, dort eine so genannte Gerontokratie herrschte. Ähnliches kann man in einigen islamischen Ländern derzeit beobachten, bei denen man sich ins finsterste Mittelalter zurückversetzt fühlt.

Hier nur ein Beispiel für unkluge und kluge Personalpolitik.

Das unkluge Unternehmen, ich nenne es Q X P AG sah sich veranlasst, zwecks Anhebung des eigenen Aktienkurses, welcher aufgrund einer entsprechend schlechten Unternehmenspolitik und  undiplomatischen Ad hoc Meldungen gesunken war,  100 Mitarbeiter mir nichts dir nichts freizusetzen und die Ankündigung hierzu noch vor dem sensiblen Weihnachtsfest sehr unsensibel anzukündigen. Der Großteil dieser 100 Mitarbeiter (warum genau 100?) setzte sich aus dem älteren Mitarbeiterstamm zusammen.

Die Folge war, dass der nicht weit entfernt domizilierende kluge Konkurrent, ich nenne ihn Fels GmbH, kurz darauf eine lange Liste von Stellenanzeigen schaltete mit der Absicht, sich dieses wertvolle Mitarbeiterpotenzial zu sichern.

Die unkluge Personalentscheidung wurde von einem kurzfristig denkenden  Vorstand mit hohen Vorstandsbezügen und letztlich ohne persönliche Haftung und persönlichen Bezug zum Unternehmen getroffen.

Die kluge Personalentscheidung traf dagegen ein erfolgreicher und langfristig denkender  Familienunternehmer mit persönlichen Bezug zu seinem Unternehmen, welcher jetzt zudem in Anerkennung seiner unternehmerischen Leistungen wertvolle Preise von seinen Kunden einheimsen konnte.

Bei diesem Jugendwahn vergessen viele dieser Unternehmenslenker, dass wir uns in einem demografischen Megawandel befinden. Ein Drittel der globalen Erwerbstätigen wird in den kommenden 10 Jahren in den Ruhestand  treten. Die Frage, wer sie ersetzen, wer für ihre Altersversorgung  bezahlen soll, bleibt offen. Bereits heute  leben 60 Prozent  der Weltbevölkerung  in Ländern, in denen die Geburtenrate  geringer ist, als die Sterberate. Neben China  und Japan ist Deutschland davon besonders betroffen.

Auch wenn die Sozialpolitiker jetzt aufschreien, es bleibt nichts anderes übrig  als dass man die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer verlängert, wobei die Berufsgruppen mit körperlicher Arbeit entsprechend berücksichtigt werden müssen. Auch sollte man die leistungswilligen Arbeitnehmer jenseits der 65, die sich fit fühlen und noch weiter arbeiten wollen, nicht einfach abschieben.

Es kann nicht angehen, dass man Mitarbeiter mit Ende 50 – aus Gründen wie auch immer – in die Arbeitslosigkeit entlässt und damit den Sozialversicherungen aufbürdet, um den eigenen Personalaufwand zu entlasten, wohl  wissend, dass diese Mitarbeiter bei der heutigen Jugenddenke keine neue Arbeitsstelle mehr finden und somit auch deren Rente deutlich beschnitten werden.

Verhindert werden können solche Kahlschläge auf Kosten der Allgemeinheit, indem man diesen freisetzenden Unternehmen  die Kosten dieser Arbeitslosigkeit und  damit die entstehenden Löcher des entlassenen Arbeitnehmers  überträgt.

Nur so könnte ein Umdenken in diesem Jugendwahnsinn erreicht werden. Die Unternehmen hätten dadurch keinen Kostenvorteil auf dem Rücken der Allgemeinheit erlangt und würden es sich dann dreimal überlegen, wertvolle Expertisen aus dem Unternehmen gehen zu lassen, welche die jungen Mitarbeiter durch teure Seminare  wieder –  und auch nur eventuell –  erlangen.

25. Juli 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

 Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

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