Konsequent pro

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Es ist doch immer wieder erschreckend, wie die Finanzindustrie Ihre Lizenz zur Beratung ausnutzt, um ihre Kunden, insbesondere die ältere Generation, über  strukturierte und für viele nicht mehr durchschaubare Finanzprodukte auszubeuten. Man kann dies auch die Lizenz zur Ausbeutung mit dem Segen der Bafin nennen.

Erst kürzlich ist mir wieder so ein Fall auf den Tisch geflattert und ist daher als Abschreckungsmaterial Berichtens wert.

Eine attraktive Dame im Rentenalter bat eine Volksbank um Rat, wie Sie einen Betrag von € 30.000 anlegen soll. Ihre Risikobereitschaft gab sie mit risikoscheu an.

Der Anlagevorschlag dieser Volksbank sah dann wie folgt aus:

Lösung Nr. 1.):

€ 10.000 Anlage als Tagesgeld zu einem Zinssatz von 0,99%.

Das ist bei dem jetzigen Zinsumfeld ein sehr gutes Angebot, aber auch irgendwie verwunderlich, da dieses Angebot total über den derzeitigen Marktgegebenheiten liegt.

Der Grund für dieses sehr gute Angebot könnte entweder die Funktion eines Lockangebotes zur Gewinnung neuer Kunden sein, um der Volksbank dann die Gelegenheit zu geben, diesen neuen Kunden für die Volksbank wesentlich ertragreichere strukturierte Finanzprodukte verkaufen zu können oder diese Volksbank hat Liquiditätsprobleme und benötigt dringend frisches Geld.

Mit Blick auf die gute Bonität der Volksbanken-Gruppe und deren Sicherungseinrichtungen dürfte der zuletzt genannte Grund nicht zutreffen. Allerdings ist es dennoch verwunderlich, dass man weder auf der Homepage dieser Volksbank noch im Unternehmensregister diese Bilanzzahlen finden kann. Selbst die viel gescholtenen Geschäftsbanken veröffentlichen ihre Zahlen und das quartalsweise.

Kurzum, wenn man sich die zwei weiteren Lösungen anschaut, wird einem schnell klar, dass der erst genannte Grund für dieses sehr gute Tagesgeldangebot zutrifft.

Lösung Nr. 2):

€ 10.000 Anlage  in den Privatfonds: Konsequent pro.

Zu Beginn der Beschreibung dieses Fonds wurde das von diesem Fonds definierte Risikoprofil des typischen Anlegers nach Risikoeinstellung eingeteilt in

KONSERVATIV 

RISIKOSCHEU  

RISIKOBEREIT

SPEKULATIV 

HOCH SPEKULATIV.

Die Kundin hat ihre Risikoeinstellung als RISIKOSCHEU angegeben.

Jetzt möchte ich den Leser fragen, was der Unterschied zwischen KONSERVATIV und RISIKOSCHEU ist? Meines Erachtens ist der konservative Anleger RISIKOSCHEU, aber hier hat man anscheinend RISIKOSCHEU als eine weitere Stufe der Risikobereitschaft eingeteilt nur zu dem Zweck, risikobehaftete Wertpapiere den Kunden verkaufen zu können. 

Dieser „Privatfonds ist letztlich ein Mischfonds mit Hang zu einem Dachfonds (Verwaltung in der Verwaltung), dessen Anlageuniversum sich aus Aktien, Anleihen, Geldmarktinstrumente, Rohstoffen, Immobilien-, private Beteiligungs- und Hedgefonds zusammensetzt. Darüber hinaus können über Direktinvestments Verbriefungen, bzw. Derivate und / oder Zielfondsanlagen abgebildet werden. Das bedeutet, das Fondsmanagement dieses Fonds kann alles bzw. spekulieren, dass es nur so kracht.

Mit anderen Worten, dies ist ein Mischmaschmischmaschmischmasch – Fonds erster Güte.

Bekräftigt wird diese Einschätzung durch die aktuellen Portfoliohighlights. Darin wird ausgeführt, dass auf der Aktienseite taktische Investments insbesondere über Terminkontrakte („Futures“) auf den EURO STOXX 50 und auf die Japanischen Indizes Nikkei und Topix getätigt wurden. Spreadprodukte (hochverzinsliche Wertpapiere mit entsprechendem Risiko!!) auf dem Anleihesektor stellen hier unverändert das Gros der Rentenanlagen dar. Im Februar 2015 erfolgten Zukäufe bei Staatsanleihen – insbesondere aus Italien (nicht gerade das beste Euroland) – und bei Unternehmensanleihefonds mit einem hohen Anteil an Nachrangpapieren (Oh wie grausam, kennen diese Fondsmanager nicht das Risiko dieser Nachrangpapiere?). Darüber hinaus wurde in globale Wandelanleihen (auch Risikopapiere) und im US-Dollar aufgestockt = Währungsspekulation, die hoffentlich aufgeht. 

Verkauft wird dieser Fonds als Wertsicherungskonzept bzw. erweckt den Eindruck, dass es hier keine Verluste oder Rückgänge geben kann. Betrachtet man aber die ansteigende Wertentwicklungskurve, die vermutlich durch den Aktienboom derzeit getragen wird, erkennt man ganz schnell, dass es auch hier Rückgänge und somit Verluste gegeben hat. Interessant wäre daher, wie diese Kurve nach einem Aktiencrash aussieht.

Diese Wertentwicklung, beginnend im Juli 2010 und endend im Februar 2015 mit einem Plus von rd. 20% wurde nach der so genannten BVI-Methode erstellt, d.h. sie berücksichtigt hier nicht die auf Kundenebene anfallen Kosten (z.B. Ausgabeaufschlag und Depotkosten). Die laufenden Kosten auf Kundenebene werden mit 2,11% p.a. angegeben, das wären in den vergangenen rd. 5 Jahren etwa 10,55%,  d.h. dieser Fonds hat letztlich für den Kunden jährlich durchschnittlich nur 1,89% an Rendite gebracht und das bei einem sehr hohen Risikoprofil, welches dem Fonds enorm hohe Erträge außerhalb des Gesichtsfeldes des Anlegers einbringt.

Und die vermittelnde Volksbank erhält sogar noch einen Erfolgsbonus von einmalig(?) 1,12% des Volumens, wenn das geplante Absatzvolumen erreicht wurde.

Das diese 1,12% der Anleger bezahlen muss, ist sicherlich jedem klar und wird durch die entsprechende Kursgestaltung vor dem Anleger  verborgen.

Jetzt stellt sich die Frage, ob man ein solches Produkt älteren Mitmenschen anbieten soll und darf? Ich meine nein. Hier darf ein unbekanntes Fondsmanagement auf Teufel komm raus spekulieren, wenn es aber schief geht, hat der Anleger das Risiko zu tragen.

Lösung Nr. 3.):

Anlage € 10.000 in UniImmo Deutschland.

Es handelt sich hier um einen offenen Immobilienfonds, eine Anlagegattung, welche in den letzten Jahren große negative Schlagzeilen aufgrund von zahlreichen Schließungen und damit hohen Verlusten für die Anleger produziert hatte.

Diese negativen Schlagzeilen haben die Aufsichtsbehörden/ den Staat dazu veranlasst, dass man erst nach 2 Jahren ab Kauf eines offenen Immobilienfonds diesen wieder verkaufen darf und 12 Monate davor kündigen muss. Insofern geraten die offenen Immobilienfonds durch dies Restriktion in die Nähe der geschlossenen Immobilienfonds, welche ich mit einer Vermögenskastration gleichsetze.

Auch hier wird das Risikoprofil des Anlegers wie in Lösung Nr. 2  definiert, die Kundin aber plötzlich als KONSERVATIV eingestuft. Die Frage nach dem Unterschiede zwischen RISIKOSCHEU und KONSERVATIV taucht hier ebenfalls auf und wenn die Volksbank hier schon einen Unterschied macht, warum wird die Kundin bei der Lösung Nr. 2 anders eingestuft als bei der Lösung Nr. 3 ?

Dieser offenen Immobilienfonds investiert vornehmlich in Bürogebäude, Einzehandelsobjekte, Hotels, Logistikimmobilien und Gewerbeparks in deutsche Ballungsregionen und in europäische Metropolen. Daraus kann man schon ersehen, dass hier überwiegend in Großprojekte investiert wird, welche für einen Anleger von der Werthaltigkeit kaum zu verifizieren sind. Ebenso verhält es sich mit der Bilanz eines solchen Immobilienfonds, welche letztlich schwarze Löcher darstellen (siehe hierzu unter der Rubrik „Strukturierte Finanzprodukte>Buchstabe I >Immobilienfonds (offener), in welcher auf die Anlageform näher eingegangen wird).

Dieser Fonds enthält 73 Liegenschaften, davon 19 in Form von Beteiligungsvermögen. Wollte man nun die Werthaltigkeit dieser 73 Liegenschaften überprüfen, müsste man 19 Bilanzen und deren Immobilienvermögen inspizieren/bewerten und darüber  hinaus die 54 direkt gehaltenen. Das ist für einen Außenstehenden schlichtweg nicht möglich.

Die Wertentwicklung vom Februar 2010 bis Februar 2015 wird mit einem Plus von rd. 12-13% nach BVI-Methode angegeben. Berücksichtigt man den Ausgabeaufschlag von 5%, welchen die vertreibende Bank, hier die beratende Volksbank, zu 100% erhält sowie die laufenden Kosten von jährlich 0,82%, muss man festhalten, dass dieser Fonds in den letzten  5 Jahren netto etwa 4% an Wert gewonnen hat, auf das Jahr gerechnet wären das etwa 0,8% – 1%, und das bei kaum verifizierbaren Risiken, die sich aus der fehlenden Darlegung des Immobilienportfolios ergeben.

Fazit:

Lösung Nr. 1) ist in Ordnung, dient aber nur als Lockmittel für die Lösungen Nr.2) und Nr. 3) und ist das Ergebnis einer äußerst schlechten Beratung.

Würde man jetzt die Lösung Nr. 2) wählen, würde der Anleger bei sehr hohen Aktienkursen einsteigen mit der Wahrscheinlichkeit  von hohen Verlusten bei sicherlich kommenden Börsencrashs, welche nur ein junger Mensch evtl. aussitzen kann.

Die Lösung Nr. 3) ist relativ illiquide und schlecht zu gebrauchen, falls man unerwartet Geld benötigt u.a. aufgrund von nicht kalkulierbaren Krankheiten.

Interessant wäre es dann, wie hoch die Bank diese beiden Lösungsvorschläge beleihen würde, falls man solche Anlagen nicht versilbern kann und man einen Kredit aufnehmen muss zur Deckung der unerwartet entstandenen Aufwendungen. Ich schätze, dass es höchstens 80% des Anlagebetrages sein werden, sollten die Aktien abstürzen deutlich darunter, womit die Wertigkeit dieser Anlagen erklärt wäre.

Mit Blick auf das Alter der beratenen Dame taugen die Lösungsvorschläge 2.) und 3) keineswegs und haben anscheinend nur die Ertragsmöglichkeit der Bank favorisiert und nicht die Sicherheit der Anlage.

Es muss sehr oft wiederholt werden, dass ein Anleger die Funktion eines Kreditgebers einnimmt. 

Würde man der Volksbank für einen Kreditwunsch solche Unterlagen, wie Sie hier einem Anleger vorgelegt worden sind, zur Prüfung einreichen, der Kredit würde sicherlich abgelehnt werden.

Diese Lösungsvorschläge zeigen aber auch, dass das niedrige Zinsniveau des Herrn Draghi zu einer massenweisen Fehlleitung von Kapital führt und – ich bleibe dabei – es der Finanzwirtschaft ermöglicht, ihre toxischen Wertpapiere in solchen Anlagvehikels unterzubringen. Wenn das keine Lizenz zur Ausbeutung ist!

Abschließend bleibt noch zu bemerken, dass eine solche nur auf die Bedürfnisse der Bank zugeschnittene Kundenberatung nicht Volksbank – typisch ist, sondern derzeit von allen Banken so praktiziert wird. Wie viel Volksvermögen wird da in Zukunft ins Nirwana verschwinden?

12. April 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

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