Wann kauft Herr Draghi auch noch Aktien?

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Sehr geehrter Herr Emde,

fallende Rohstoffpreise waren schon in der Depression von 1920/21 das Symptom für eine spätere starke Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds. Natürlich leben wir heute in einer anderen Welt. Aber es bleibt Fakt, dass die globalen Rohstoffpreise weltweit stark zurückgegangen sind. Der Grund für die schlechte wirtschaftliche Situation ist die Akkumulation von Schulden. In den meisten Fällen wurde die höhere Verschuldung dazu genutzt, um Konsumartikel zu kaufen, und nicht, um produktive Investitionen zu tätigen. Daher ist aus diesen Ausgaben kein Ertrag zu erwarten, um in Zukunft die Schulden zurückzuzahlen. Das heißt, das bestehende bzw. zukünftige Einkommen wird nicht nur die laufenden Ausgaben, sondern auch die Zinsen und die Rückzahlung der in der Vergangenheit aufgenommenen Schulden leisten müssen. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen die Schulden heute um 35 Prozent höher als in der Krise von 2008. Hinzu kommt: Um die einzelnen lokalen Volkswirtschaften zu fördern, befinden wir uns momentan in einem Währungsabwertungswettbewerb. Jedes Land versucht, seine Wettbewerbsposition über die Abwertung der eigenen Währung zu verbessern. Historische Erfahrungen der Periode ab 1926 haben allerdings gezeigt, dass dieser Abwertungswettlauf letztendlich den weltweiten Handel beeinträchtigt, den deflationären Trend fördert und zur Instabilität des Finanzbereichs führt. In diesem Umfeld können Aktien, die als Sachwerte bezeichnet werden, gefährlich sein. Denn Fabriken, die Produkte herstellen, die nicht mehr gekauft werden, sind wertlos. Das zeigen die vielen leer stehenden Fabrikhallen der Stahl- und Textilindustrie. Einen vermeintlichen Substanzwert gibt es dann nicht mehr. Aktien besitzen ausschließlich einen Ertragswert: Ihr Wert wird nur über die zukünftige Fähigkeit, Dividendenzahlungen zu leisten, eingeschätzt. Aktuelle Beispiele, die nachdenklich stimmen, sind Firmen wie RWE und Eon, die in der Vergangenheit für substanzielle Dividenden standen. Ihre zukünftige Zahlungsfähigkeit kann man heute allerdings bezweifeln.

Die beiden größten Risiken sind im Moment: der Glaube daran, dass die Methoden der Zentralbanken funktionieren werden und dass die Aktienmärkte unendlich weiter steigen können.

Es ist jetzt jedem bewusst geworden: Der Versuch der Schweizer Notenbank (SNB), den Schweizer Franken an den Euro zu koppeln, ist fehlgeschlagen. Hinzu kommt, dass die SNB jetzt einen Minuszins von 0,75 Prozent pro Jahr verlangt und die Banken allmählich dazu übergehen, diesen Zins auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Schweiz ist aber nicht das einzige Land mit negativen Zinsen. Zweijährige Staatsanleihen in Deutschland, Finnland, Österreich, Dänemark, Frankreich, Holland, Belgien, der Slowakei, Schweden und Japan werfen ebenfalls negative Zinsen ab. Auch Kanada, Pakistan und Indien haben im letzten Monat ihre Zinsen gesenkt, auch wenn sie hier noch nicht negativ sind. Die Europäische Zentralbank (EZB) will jetzt für 60 Milliarden Euro monatlich bis September 2016 Wertpapiere aufkaufen. Warum tut sie das, wenn ihre vorjährigen Programme nicht funktioniert haben? Was wird sie tun, wenn sich herausstellt, dass Größe nicht besser ist und dass auch dieses Programm wieder nicht den gewünschten Nutzen bringt? Japan macht weiter und steckt jetzt 700 Milliarden US-Dollar jährlich in sein Finanzsystem. Das sind 12 Prozent des BIPs. Die Schulden addieren sich bereits jetzt auf 250 Prozent des BIPs und die Regierung wendet bereits 25 Prozent ihrer Haushaltseinnahmen auf, um die Zinsen zu bedienen. Die Zentralbanken gehen den einfachen Weg. Denn Gelddrucken bedeutet für die Regierungen: Sie müssen keine unangenehmen strukturellen Reformen durchsetzen. Bis das bittere Ende kommt.

Die Aktienkurse sind liquiditätsgetrieben immer weiter gestiegen, obwohl das Wachstumstempo beinahe überall zurückgegangen ist. Angesichts dessen bleibe ich bei meiner Meinung, dass die Aktienkurse zu weit gestiegen sind. Seit 2012 gab es keine einzige Korrektur, bei der die Aktienmärkte deutlich verloren hätten. Wird der Aktienmarkt wirklich bis ins Unendliche steigen? Seit 1874 dauerte der längste Kursanstieg von US-Aktien sechs Jahre – und dies ist bisher nur zweimal passiert, nämlich von 1898 bis 1903 und von 2009 bis 2014. Freuen wir uns auf einen neuen Rekord? Allerdings erhöht sich damit auch das Risiko einer größeren Korrektur oder eines Crashs. Im Moment sehen viele Leute die Anlage in Aktien als alternativlos an. Nach den gängigsten Bewertungsmethoden sind die wichtigsten Börsen aber überteuert. Wie werden die Zentralbanken auf fallende Aktienmärkte reagieren? Werden sie dann auch   Aktien kaufen? Die alternativen Anleihen und Bargeld sind mit negativen Realrenditen noch unattraktiver. In der Vergangenheit hat sich jedoch oft das Unattraktive als das Attraktive herausgestellt. Was immer passiert, in einem solchen Szenario werden Gold und Goldminen eine Zuflucht bieten. Wir werden unsere Position von elf Prozent trotz des weiter schwankenden Goldpreises halten.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Beck

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