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Zertifikate

Das Wort „Zertifikat“ vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck, dass dahinter etwas Gutes, etwas zertifiziertes, kurzum etwas seriöses steckt. Nur so kann ich mir erklären, warum so viele Anleger Zertifikate gekauft haben, bzw. sich diese Papiere auf­schwatzen ließen und damit ihr Depot radioaktiv verseucht haben.

Bei einem Zertifikat handelt es sich um einen typischen Wettschein und so müsste er eigentlich benannt werden. Punkt. Man wettet dabei auf gewisse Entwicklungen, geht aber auch die Gefahr bewusst oder unbewusst ein (auch hier abhängig vom Verkäufer), wenn diese Entwicklung nicht eintritt, am Fälligkeitstag weniger oder im worst case nichts mehr zurück zu erhalten, insbesondere bei den so genannten Turbo-Zertifikaten mit extrem hohen Hebeln oder den CFD`s (Contract for Difference), mit denen auf steigende und fallende Kurse spekuliert werden kann oder mit Reverse Zerti­fikaten, bei welchen man beim Erreichen eines bestimmten Punktes (Kurs /­ Dax etc.) sein gesamtes Kapital verlieren kann. Auch hier gibt es eine Vielzahl ähnlich strukturierter Papiere.

Verkauft werden diese Wettscheine mit „Nutzung von Gewinn­chancen“, „sicheren Zinszahlungen und hohen Absturzpuffer“, usw. usw. Der Phantasie der Werbestrategen sind hier keine Grenzen gesetzt. Jedoch keiner beantwortet die Frage, warum diese Zerti­fikate eigentlich kreiert wurden? Eine Antwort darauf kann man immer stereotyp lesen, insbesondere von den Vertriebskolonnen der Banken und den Vertretern des Derivateverbandes, nämlich, dass damit Risiken „abgefedert“, bzw. die Risiken aus dem Depot genommen werden. Es fragt sich nur, welche Risiken aus welchen Depots diese Herren meinen?

Die richtige Antwort darauf ist eine ganz andere.

Pensionskassen, Versicherungen, Banken und alle, die durch Ihr Geschäftsmodell hohe Geldsummen täglich einsammeln, haben ein riesiges Problem, nämlich das Problem der Anlage.

Wenn eine große Versicherungsgesellschaft täglich bis zu € 100 Mio. aus den Beiträgen der Versicherungsnehmer vereinnahmt, müssen diese Gelder irgendwie angelegt werden, sei es auf Festgeldkonten, in Anleihen (überwiegend) oder auch in Aktien der unterschied­lichsten Branchen und Währungen.

Diese Gelder nur auf Festgeldkonten zu parken beinhaltet gerade in der heutigen Zeit bei den hohen Summen ein Bankenausfallrisiko. Somit werden diese Gelder in alle möglichen Anlageklassen angelegt natürlich mit dem Ziel, eine seriöse und dennoch gute Rendite zu erzielen, um den Anforderungen beispielsweise aus der Mindestverzinsungen bei den Lebensversicherungspolicen gerecht zur werden.

Jetzt ist aber nicht jeder Tag ein guter Tag der Anlage aus den unterschiedlichsten Gründen, so dass manchmal Anlagen getätigt werden, die man besser nicht vollzogen hätte.

Aus diesem Grund bedienen sich diese Institutionen der  Wahrscheinlichkeitsrechnungen (siehe entsprechende Rubrik), um herauszu­finden, wie sich dieses oder jenes Wertpapier aufgrund der gegebenen Situation entwickeln könnte. Errechnet diese Analyse eine Wahrscheinlichkeit von x %, dass das eine oder andere Wert­papier diese oder jene Richtung einschlagen wird, emittiert diese Institution oder lässt über eine Investmentbank oder auch über eine Bank u. a. ein Zertifikat kreieren (es gibt hier noch eine Reihe anderer Derivate), welche dieses Risiko abfedert nur mit dem wesentlichen Unterschied, dass dieses erkannte oder analysierte Risiko nicht dem Anleger mitgeteilt wird, sondern in einer juristisch einwandfreien Bezeichnung mit Chance und Risiko, letztlich mit anderen Vorzeichen verkauft wird. Bei einem Rückgang eines Kurses unter einer bestimmten Kursschwelle bekommt im worst case der Anleger je nach Ausgestaltung des Zertifikates nichts mehr, verliert also seinen Wetteinsatz, wogegen der Zertifikat- Emittent zwar dann auch einen Kursverlust hinnehmen muss, aber dann durch die Nichtrückzahlung des vom Anleger eingesetzten und verlorenen Wetteinsatzes entschädigt wird, womit der Wert seines Portfolios trotz Kursrückgang erhalten bleibt.

In einem dem Handelsblatt gegebenen Interview wurde der Chef des honorigen Privatbankhauses Metzler, Herr von Metzler, zum Thema Zertifikate wie folgt befragt:

Handelsblatt:

„Viele Deutsche haben sich statt Aktien mit Zertifikaten angefreundet. Zu Recht?“

Von Metzler:

„Eine sinnvolle Geldanlage braucht keine derart komplizierten Produkte. Das Problem unserer Branche ist, das es noch nie zuvor so viele gut ausgebildete und kreative Mathematiker in den Banken gab. Was die Zertifikate angeht, ist das eher Fluch als Segen“.

In der Welt am Sonntag  konnte man  zum Thema „Zertifikate“ eine positive Berichterstattung nachlesen, wie im Übrigen auch in anderen Tages- und Wirtschaftszeitungen. Unter der Überschrift „Keine Angst vor Zertifikaten“ wird von dem Autor mit dem Satz begonnen „Es ist vertrackt. Ausgerechnet in den Jahren der Finanz­krise hätten Anleger mit Zertifikaten gut abschneiden können“.

Jetzt frage ich mich, woher der Verfasser dieses Artikels, Herr Ralf Andress, diese Information hat? Gibt es eine Statistik hierüber über die hunderttausende von verschiedenen Zertifikaten?

Zum Journalisten, Herrn Andress, muss man aber wissen, dass er sich lt. seiner sehr mageren Homepage vor über 10 Jahren zur Welt der Derivate bekannt hatte, Chefredakteur des Magazins „Der Zertifikateberater“ ist und somit zur Zunft der Befürworter von Zertifikaten eigentlich gehören muss und daher an einer kritischen und objektiven Berichterstattung zu diesem „Anlageprodukt“ kein Interesse haben dürfte.

Des Weiteren wird in seinem Artikel die Frage gestellt, ob Zertifikate (aufgrund ihrer Komplexität) wirklich so schwierig sind?

Damit wurde zu Beginn des Artikels schon eine positive Grund­stimmung, typisch für einen Verkäufer von Finanzprodukten, geschaffen.

Dieser Frage folgte dann der Hinweis, dass Ende November in Berlin zum elften Mal die besten Anbieter mit dem „Zertifikate-Awards“ von der „Welt-Gruppe“ ausgezeichnet wurden. Diese Preise vergab eine 35-köpfige Expertenjury aus Vermögensverwaltung, Wissen­schaft(?), Beratungsdienstleistern und Fachmedien, welche letztlich alle Interesse am Bestand dieses Finanzproduktes und der „Welt“ der Derivate haben, in den Kategorien für Produkte zur Rendite Optimierung.

Der erste Preis ging hierbei an die Deutsche Bank, welche auf der­selben Seite des Pressartikels eine teure Anzeige mit dem Hinweis auf diesen Preis geschaltet hatte.

Der zweite Preis ging an die Commerzbank, welche auf der Seite davor mit dem Presseartikel mit der Überschrift „Besser schalten“ von Daniela Helemann, ebenfalls eine journalistische Vertreterin der derivaten Finanzprodukte, auch eine recht große und sicherlich recht teure Anzeige (Werbung für drei Aktienanleihen) geschaltet hatte. Daniela Helemann erklärte in diesem Artikel die Funktionsweise von Expresszertifikaten, eine der risikoreichsten Zertifikate in einer Art und Weise, welche die Gefährlichkeit eines Vermögensverlustes absolut in den Hintergrund treten ließ.

Herr Andress führte des Weiteren aus, dass die Zertifikate, wenn man genauer hinschaut, erstaunlich leistungsfähig sein sollen und auch relativ leicht zu verstehen seien.

Leider kann man aufgrund der vielen hunderttausend Zertifikate nicht genauer hinschauen, wie die Masse der Zertifikate abgeschnitten hat, so dass man eine solche Behauptung aufstellen, bzw. es an wenigen erfolgreichen festzurren kann. Möglich, dass es positiv laufende Zertifikate gibt, bei denen sich die Investment­banken mit ihren Wahrscheinlichkeitsrechnungen evtl. verrechnet haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die das Risiko eingehende Masse der Anleger aber danebenliegt, dürfte aufgrund der sie kreierenden Wahrscheinlichkeitsrechnungen deutlich höher liegen.

Und was die leichte Verständlichkeit angeht, so empfehle ich jedem Leser, sich einmal die vielen Seiten der Produktbeschreibungen dieser Zertifikate zu beschäftigen, welche teilweise „denglisch“ oder „jurististendeutsch“ verfasst und womit viele Fallen für den normalen Anleger gelegt worden sind.

An diesen zwei Beispielen kann man im Übrigen sehr gut erkennen, wie hier die Presse und die Banken in gewisser Weise Hand in Hand zusammen­arbeiten. Die Banken mit Blick auf eine weitere Verbreitungen einer obskuren Anlageideologie und die Presse mit Interesse an teuren Anzeigen, welche sich hauptsächlich Banken im großen Stil leisten können. Eine ähnliche Entwicklung war auch vor der Finanzkrise zu beobachten, allerdings hat sich dann die Presse, bzw. deren Vertreter nicht mehr an ihre kritiklosen Befürwortungen dieser Entwicklungen erinnert.

In beiden Presseartikeln fehlt der Hinweis auf dahinter stehende Wahrscheinlichkeitsrechnungen und über die ungleiche Wett­partnerschaft, bei der der Anleger saldiert nur verlieren kann. Diesen Hinweis findet man im Übrigen bei keinen Spezialausgaben der großen Tageszeitungen zum Thema „Zertifikate“, was anscheinend immer beliebter wird. Da kommen nahezu nur Banker zu Wort und Finanzprodukthersteller, die vermutlich für diese „redaktionellen Beiträge“ noch entsprechend hohe Beiträge an die jeweilige Zeitung entrichten mussten.

Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass die großen Tages­zeitungen diesen Finanzprodukten mittlerweile doch sehr skeptisch gegenüberstehen und die Fragen bei den abgedruckten Interviews immer kritischer werden. Nur vereinzelte Wirtschaftsredakteure lassen sich anscheinend immer noch von den Presseabteilungen der Banken und dem Glanz und Gloria der rhetorisch versierten Vorstandsvorsitzenden beeindrucken, scheuen sich sogar, diese Herren mit kritischen Fragen aus der Reserve zu locken. Ich bin sicher, dass selbst diese Herrschaften nicht in der Lage sind, ihre derivaten Menüs zu erklären.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

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Goldzertifikate

Bei solchen Papieren ist der Basiswert physisches Gold mit allen möglichen Vereinbarungen, ähnlich wie beim Diskont-Zertifikat. Großen Wert legt man hierbei auf das physische Gold, d. h., das Zertifikat muss durch physisches Gold 1:1 gedeckt sein. Macht man sich aber die Mühe und studiert das entsprechende Verkaufs­prospekt, kann es passieren, dass irgendwann zwischen den Zeilen hinter einem Wort eine kleine Zahl erscheint, welche auf eine Fuß­note am Ende der Seite hinweisen soll. Diese Fußnote ist dann in der Regel relativ klein geschrieben, manchmal muss man sogar eine Lupe bemühen (wie im Übrigen bei vielen Anzeigen der Banken mit solchen Sternchen). In dieser Fußnote habe ich dann den Hinweis vernehmen können, dass statt physischen Golds auch entsprechende Finanzinstrumente eingesetzt werden können, somit wäre dieses Zertifikat dann ein synthetisches, auf Derivate aufgebautes Produkt. Das wäre genauso als würde man geschnetzeltes Rind kaufen, im Kleingedruckten fände man allerdings den Hinweis, dass es auch Rattenfleisch sein kann.

Dies ist jetzt nur eine von vielen Zertifikate-Mechanismen, welche eine Vielzahl unterschiedlichster Schwellen und Bedingungen in den letzten Jahren geboren haben. Zwischenzeitlich gibt es bei einer Tagesproduktion von über 700 neuen Zertifikaten hunderttausende solcher Wettscheine und jeder Wettschein hat individuelle Bedingungen, die letztlich ein jeder Anleger vor Kauf eines solchen Wettscheines studieren müsste. Die Frage ist jedoch dann, wenn er sich die Mühe macht, diese Finanzproduktbeschreibung zu lesen, ob er diese dann auch versteht.

Dem Anleger soll diese Darstellung jedoch bewusst machen, welches Risiko er eingeht und wie ungleich besser der Wettpartner aufgrund seiner Wahrscheinlichkeitsrechnungen und juristischer Begleitung auf der anderen Seite gestellt ist.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Wahrscheinlichkeitsrechnungen

Nach einer Wirtschaftskrise konnte man folgenden Kommentar lesen:

„Das war die schicksalhafte, regelmäßig wiederkehrende Seuche, deren Verwüstungen alle zehn bis fünfzehn Jahre an den so genannten schwarzen Freitagen, den Markt ausfegen und den Boden mit Trümmern übersäen. Es braucht Jahre, bis das Vertrauen zurückkehrt und die großen Bankhäuser wieder aufgebaut sind – bis eines Tages die Spekulationswut, allmählich neu belebt, wieder aufflammt, das Abenteuer von vorn beginnt, eine neue Krise herbeiführt und in einem Desaster alles zum Einsturz bringt.“

Dieser Kommentar wurde nicht nach der Dotcom-Krise in 2000 oder nach der Finanz- und Schuldenkrise in 2008 geschrieben, sondern 1890 in dem Buch von Emile Zola mit dem Titel „Das Geld“ und behandelt eine Krise um das Jahr 1867. Und genau auf diesem Prinzip, dass sich alles wiederholt, bauen die Wahrscheinlichkeitsrechnungen auf.

In der FAZ konnte man im Herbst 2009 lesen, dass Mathematiker, Physiker und Betriebswirtschaftler in der Zertifikate Branche = Investmentbank sehr gute Berufsaussichten haben. Warum wohl?

Insbesondere Mathematiker und Physiker sind sehr stark an der Entwicklung bestimmter und sehr geheimer und komplexer Algorithmen beteiligt, welche auf Basis der statistischen Erkenntnisse aus der Vergangenheit diese in die Zukunft extrapolieren nach dem Motto, dass sich alles wiederholt, nur muss man wissen wie und wann und das ist dann sehr nützlich für die Absicherung der eigenen und der unter Mandat stehenden Risiken zu Lasten anderer Marktteilnehmer.

Diese Analysen = mathematischen Rechnungen = Wahrscheinlichkeitsrechnungen haben sich in den letzten Jahren aufgrund der überaus rasant fortschreitenden, bzw. sich nahezu täglich ausweitenden Rechnerkapazitäten, welche je nach Ausstattung des Computers einige Milliarden Rechenschritte (Tendenz geht zu einigen Trillionen) pro Sekunde, ausführen können, Jahr für Jahr, bzw. Tag für Tag verfeinert und stark verbessert. Mittlerweile können unvorstellbar große Mengen an Daten gespeichert werden, die mit den bekannten Zahlengrößen nicht mehr zu fassen sind. Auch haben sich die Zugriffsmöglichkeiten auf diese Daten enorm verbessert und erfolgen bereits in Sekundenbruchteilen.

In diesem Bereich findet ein regelrechtes Wettrüsten statt. Pressemitteilungen berichten von einem Vierkampf zwischen China, den USA, Japan und Europa um den schnellsten Supercomputer der Welt. Mittlerweile haben sich die USA und Japan zusammengeschlossen, um den Erfolgen von China Paroli bieten zu können.

Weltweit versuchen die Forscher Rechner zu entwickeln, um die Schallmauer von einer Trillion Rechenschritte (tausend Billionen) pro Sekunde, auch Flops (Floating-point operations pro Sekunde) oder auch exaflops genannt, durchbrechen zu können. Das Rechentempo wäre dann 100-mal schneller als das des japanischen Supercomputer K, der in 2011 bereits bestehende hohe Rechnerkapazitäten durchbrochen hatte.

Die weitere Entwicklung ist hier nicht abzusehen, die Grenzen nach oben gibt es praktisch nicht. Mit der Entwicklung solcher hohen Rechnerkapazitäten sind handfeste wirtschaftliche Interessen verbunden und zielen auf Informationsvorsprünge in allen Bereichen der Wirtschaft und damit auf Benachteiligung anderer ab (siehe auch „Hochfrequenzhandel“)

Wenn man den Berichten der Zukunftsforscher Glauben schenken darf, sollen sich diese Kapazitäten schon bald in eine künstliche Intelligenz fortentwickeln und sogar das menschliche Gehirn in etwa 10 Jahren übertrumpfen können. Horrorvisionen wie in den Terminator-Filmen in Szene gebracht, dürften somit bald Wirklichkeit werden. Die hocheffizienten Kampfdrohnen, bzw. sich selbst produzierende Maschinen, allerdings in kleiner Größe, gibt es bereits schon.

Ein Beispiel für sich formierende künstliche Intelligenz gab es bereits schon 1997. In diesem Jahr gelang es erstmals einen Computer mit dem Namen Deep Blue von IBM, den damaligen amtierenden Schachweltmeister Kasparow unter Turnierbedingungen zu besiegen. Damit wurde den Menschen erstmals bewusst, zu welchen Leistungen ein Computer fähig ist. Während Kasparow pro Sekunde drei mögliche Schachzüge durchdenken konnte, waren es bei Deep Blue schon damals 200 Millionen.

Inzwischen sind bereits nahezu zwei Jahrzehnte vergangen, in denen sich auf dem Feld der Computertechnologie eine Menge verändert hat.

Nachrichtenagenturen bedienen sich beispielsweise schon einer gewissen Art von künstlicher Intelligenz. Um die vielen tausend Nachrichten, welche weltweit in kürzester Zeit bei diesen Agenturen hereinlaufen, besser und schneller verarbeiten zu können, werden die Nachrichten von den vielen tausend Journalisten weltweit bereits in Maschinen lesbarer Form verfasst, damit der Computer in einer Mikrosekunde die wichtigsten Nachrichten herausfiltern und an die wichtigsten Abonnenten, hier die zuerst belieferte Finanzindustrie, weitergeben kann.

Physiker versuchen beispielsweise das menschliche Gehirn an einem Supercomputer zu modellieren, also es nachzubauen, um zu verstehen, wie Signale ausgetauscht werden, wie einzelne Teile verknüpft sind und wechselwirken. Beispielsweise will man dadurch aus der Analyse kleiner Verkaufsbewegungen erkennen können, was in den nächsten Millisekunden auf den Märkten passiert, bzw. wie sich solche Finanzsysteme und Marktbewegungen entwickeln (entnommen aus einem Interview des Handelsblattes mit der Experimentalphysikerin Frau Professor Johanna Stachel von der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, /­ Frau Stachel forscht derzeit am Large Hadron Collider in Genf, dem derzeit energiereichsten Teilchenbeschleuniger – vor allem über das „Quark-Gluon-Plasma).

Letztlich zielen solche Forschungen im Finanzbereich nur auf einen extremen Informationsvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern ab, im Endergebnis in Richtung Anleger, der sich auf die vertrauensvollen Aussagen seines ebenfalls nichts ahnenden Wertpapierberaters verlässt.

Manchmal kommt mir diese Forschungssituation und deren Zielrichtung so vor wie in den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, als man die Atombombe entwickelt und sich damit nicht bewusst war, dass damit ein Schlüssel zur Vernichtung der Welt geschaffen wurde. Mit den jetzt angestrebten Ergebnissen dieser Forschungen wäre nicht auszuschließen, dass dann ein weiterer diesbezüglicher Schlüssel erschaffen wird, der von keinem Schloss mehr zu halten ist. Stellen Sie sich vor, undemokratische Kräfte gelangen an die Hebel dieser höchst beunruhigenden Möglichkeiten, die bisher bekannten unmenschlichen Diktatoren wären dann reine Kindergärten gewesen.

Bestes Beispiel für den Fortschritt dieser Berechenbarkeit sind die täglichen Wettervorhersagen, die jetzt schon bis zu 5 Tage im Voraus eine hohe Trefferquote verzeichnen können. Hier wird das Ergebnis vieler Messstationen inklusive der Satellitenfotos, die es früher in dieser Qualität nicht gab, eingesetzt und der Saldo dieser Messergebnisse mit den ähnlichen oder gleichen aus der Vergangenheit verglichen, welche dann zu entsprechenden Wetter-Entwicklungen geführt haben.

Da die vielen Messstationen eine ungeheuer hohe Anzahl von Daten liefern, können nur große Rechnerkapazitäten die Entwicklung des Wetters simulieren und somit recht genau vorhersagen.

Ein anderes Beispiel ist das Kreditrating. Siehe hierzu die Ausführungen unter „Kreditrating“.

Mit den Wahrscheinlichkeitsrechnungen angefangen haben eigentlich damit viele Jahrzehnte davor die Lebensversicherungen zur Berechnung von Sterbetafeln, die Grundlage für deren geschäftlichen Erfolg. Die Sterbetafeln ergaben sich wiederum aus statistischen Größen über die Sterblichkeit bestimmter Personengruppen in gewissen Regionen und Lebenslagen, womit die Versicherungsbeiträge entweder gesenkt aber meistens nur angehoben wurden.

Diese Sterbetafeln spielen auch heute noch eine unverändert sehr wichtige Rolle bei der Findung nach profitablen Versicherungsprämien.

Aus meiner jetzigen Tätigkeit sind mir Fälle bekannt, wonach deutsche Initiatoren von geschlossenen Fonds laufende (man nennt sie auch gebrauchte) US-amerikanische Lebensversicherungen auf Basis von falschen Sterbetafeln mit hohen Fremdmitteln aufgekauft hatten in der Hoffnung, durch den früheren Tod dieser Versicherungsnehmer einen schnellen Gewinn erzielen zu können. Das Ergebnis dieser Fonds war allerdings katastrophal und hoch negativ. Die Versicherungsnehmer erfreuten sich stattdessen einer ausgezeichneten Gesundheit und Lebensfreude, womit Sterbefälle und damit einfließende fällige Lebensversicherungspolicen ausblieben, dagegen hohe Zinsen an die Fremdkapitalgeber (u. a.US-Banken) fällig wurden und das Defizit dieses Fonds neben den hohen weichen Kosten des Fondsmanagements somit rasant anwuchs. Am Ende musste der Fonds u. a. aufgrund meiner Intervention den von mir betreuten Investoren ihren Einsatz (allerdings ohne Agio) wieder zurückerstatten. Hinweis: Dieses Finanzprodukt wurde nicht von einer Investmentbank oder einer Finanzproduktvertriebsgesellschaft vertrieben, sondern von einer der großen Publikumsbanken.

Hier lag meines Erachtens die klare Absicht des Verkäufers der „gebrauchten“ Lebensversicherungen vor, die deutschen Investoren aufgrund falscher statistischer Sterbetafeln über den Tisch zu ziehen. Jetzt kann man einwenden, dass der Verkäufer falsche Sterbetafeln bewusst erstellt oder alte, nicht mehr aktuelle verwendet hatte. Dieser Verkäufer war allerdings eine US-Makler-Gesellschaft, welche nicht über solche großen und teuren Rechnerkapazitäten verfügen dürfte und sich angeblich auf offizielle Sterbetafel gestützt hatte. Diese müssen aber aus der „Wahrscheinlichkeitsküche“ einer Versicherungsgesellschaft mit entsprechenden Kapazitäten erstellt worden sein und jetzt kann man darüber philosophieren, ob das mit Absicht geschehen ist oder nicht.

Jetzt überlasse ich es der Phantasie der Leser, wie mit den Ergebnissen statistischer Erkenntnisse umgegangen werden kann, insbesondere dann, wenn diese Ergebnisse hauptsächlich aus den USA oder aus Großbritannien kommen, aus Ländern, welche die Banken der Welt dominieren und schließlich auch lenken, und wie jetzt bekannt, die Welt auch aushorchen. Jedenfalls unterliegt dieser Bereich in der Wirtschaft keinerlei Kontrolle und dieser Umstand wird meines Erachtens auch für den stillen und leisen, aber heftigen Wirtschaftskrieg USA versus den Rest der Welt genutzt.

Diese Technisierung der Finanzgeschäfte, welche in den letzten Jahren auch den Hochfrequenzhandel entstehen ließ (siehe hierzu die Ausführungen unter „Hochfrequenzhandel)  beinhaltet aber auch extreme Risiken für die Anleger selbst. Wo die Reise bei Dollar, DAX & Co. hingeht weiß nur ein kleiner Kreis innerhalb der Finanzinstitute (Research) und wird entsprechend nutzbringend ausgenutzt zur Strukturierung  von Finanzprodukten zwecks Absicherung der eigenen oder der unter Mandat stehenden Risiken. Die hohen Gewinne der Investmentbanken und das zwischenzeitlich hohe Provisionsergebnis aller Banken, inklusive der Volksbanken und Sparkassen, welches im Wesentlichen über von den Investmentbanken strukturierte und daher mit hohen Verkaufsprovisionen eingesammelt wird, ist der beste Beleg dafür.

Inzwischen liefern diese Wahrscheinlichkeitsrechnungen eine so erschreckend hohe Treffergenauigkeit, dass man schon von Insiderwissen sprechen kann und Insiderwissen ist bekanntlich illegal oder benachteiligt zumindest den anderen Marktteilnehmer massiv.

Dieses (Insider)Wissen wird nicht nur für eigene Zwecke = Eigenhandel sehr erfolgreich genutzt, sondern auch für die  Akquisition von Geschäfts- und Privatkunden.

So wurde bei einem meiner Mandanten von einem größeren Bankinstitut ein Stresstest über ein Depot eines Konkurrenzinstitutes durchgeführt und dieser wie folgt begründet:

„Die Kapitalmarktexperten der Finanzbranche führen regelmäßig finanzmathematische und statistische Simulationen durch, um die Auswirkungen von bestimmten Ereignissen auf Ihre Geldanlagen zu prüfen. In Form des für Ihr Depot durchgeführten Stresstests wird die Entwicklung der enthaltenen Wertpapiere in einem bestimmten angenommenen Szenario simuliert. Für die Simulation des Stressszenarios werden alle zur Analyse verwendeten Parameter durch Einschätzungen von Experten vorab festgelegt“.

Dies zu kommentieren erübrigt sich und unterstreichen die bisherigen Aussagen.

 

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Sales & Trading

Geschäftsfelder Investmentbanking:

Dieser Bereich setzt sich aus den Abteilungen Sales (Verkauf), Trading (Handel) und Structuring (Strukturierung) zusammen und ist i.W. für die Sekundärmarktaktivitäten der Investmentbank ver­antwortlich. Im Sekundärmarkt werden bereits emittierte Wert­papiere, vor allem Aktien und Anleihen gehandelt, d. h. diese Wert­papiere werden von Investor zu Investor weitergereicht. Hinweis: Für Investmentbanken ist dieser Sekundärmarkt eine der Hauptein­nahmequellen.

Sales (Verkauf/­Vertrieb):

Dies ist die Kundenbetreuungseinheit, welche die Großkunden bezüglich Anlagestrategien und somit die Zusammensetzung von deren Wertpapierportfolios oder besser Vermögensportfolios berät. Hier besteht die Gefahr, dass Kunden­beratung auf Basis geschäftspolitischer Entscheidungen der Invest­mentbank zugunsten der Investmentbank ausgelegt wird und damit deren eigene Handelspositionen begünstigt werden könnten. Dies wird zwar permanent geleugnet – Stichwort „Chinese Walls“ (strikte Trennung der Bereiche zum Zwecke der Vermeidung von Insider­geschäften) –,  jedoch ist es sehr verwunderlich, dass die Erträge aus dem Eigenhandel der Investmentbank (früher) deutlich höher waren und sind als diejenigen bei deren Kunden.

Trading:

Diese Abteilung führt die durch die Beratung (Sales) initiierten Wertpapiergeschäfte aus. Diese Trader = Händler führen nicht nur Kundenaufträge aus, sondern handeln auf eigene Rechnung, nutzen Unterschiede gewinnbringend (Arbitrage­geschäft) oder spekulieren ganz brutal, halten offene Positionen in der Hoffnung, dadurch Gewinne für die Bank zu machen usw. (sh. auch „Sales“). Je höher die Gewinne, je höher der Boni. Letztlich ein Geschäft, was den Banken in der Finanzkrise äußerst hohe Verluste beschert hatte und welches man jetzt versucht einzuschränken.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de