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Investmentfonds (Definition)

Ein offener Investmentfonds ist ein Geldanlagekonstrukt. Eine Investmentgesellschaft (deutscher Fachbegriff: Kapitalanlagegesell­schaft) sammelt das Geld der Anleger, bündelt es in einem Sonder­vermögen > dem Investmentfonds (was nichts anderes ist als ein großes Wertpapierdepot) und investiert es in einem oder mehreren Anlagebereichen, d. h. sie kauft Papiere und verkauft dafür wieder andere oder umgekehrt. Die Anteilscheine, d. h. die fixierten Anteile an diesem Fonds /­ Wertpapierdepot können in der Regel börsen­täglich gehandelt werden. Das Geld im Fonds wird nach vorher festgelegten Anlageprinzipien z. B. in Aktien, festverzinslichen Wert­papieren, am Geldmarkt und/­oder in Immobilien angelegt. Das sind dann die Aktienfonds, die Rentenfonds, die Geldmarktfonds oder die Immobilienfonds. Diese offenen Investmentfonds müssen im Regelfall bei der Geldanlage den Grundsatz der Risikomischung beachten, das heißt, es darf nicht das gesamte Fondsvermögen in nur eine Aktiengesellschaft oder nur eine Immobilie investiert werden (im Gegensatz zu geschlossenen Fonds). Durch die Streuung des Geldes auf verschiedene Anlagegegenstände (Diversifikation) soll das Anlagerisiko reduziert werden, das Finanzprodukt wird aber für den Anleger dadurch auch intransparent und eröffnet dem Fondsmanagement eine Reihe von zusätzlichen Ertragsmöglich­keiten außerhalb des Gesichtsfeldes des Anlegers.

Diese Grundsätze der Risikomischung sind auch hier in den „Fact Sheets“, d. h. Beschreibung des Fonds, festgelegt. Darin findet man die Anlagegrundsätze, die Anlagekategorien wie z. B. in welche Aktien von welcher Branche und welchem Land und welcher Währung investiert wird, die diversen Absicherungsmöglichkeiten über das gesamte Instrumentarium der Derivate, weitere Beimischungen (ich würde sagen Giftinjektionen) in Form von CDS (Credit Default Swaps= Übernahme von Kreditrisiken> Frage: wie soll das ein Fondsmanager ohne Kreditexpertise beurteilen können) oder ABS-Papiere (Asset Backed Securities = durch Vermögens­werte = Assets unterlegte = backed Wertpapiere = Securities), alles Kreditprodukte, womit sich ein anderer Kreditgeber seines Kredit­risikos gegen Zahlung einer Provision entledigt. Darüber hinaus spielen diese Fondsmanager gerne mit dem Instrumentarium der Optionen herum, so dass ein Außenstehender nicht in der Lage ist, das Risiko in einem solchen Fonds ernsthaft zu überprüfen, zumal am nächsten Tag das Portfolio des Fonds durch Kauf und Verkauf ein völlig anderes Gesicht haben kann.

Gerne wird bei diesem Kritikpunkt auf den Jahreswirtschaftsbericht des jeweiligen Fonds verwiesen, der allerdings meistens frühestens nach 6 Monaten nach Bilanzstichtag eingesehen werden kann. Was kann sich aber in diesen 6 Monaten schon wieder alles verändert haben?

Mit dem Kauf von Investmentfondsanteilen wird der Anleger Mit­eigentümer am Fondsvermögen ohne Einfluss darauf nehmen zu können und hat einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung – so er ent­steht! – und Anteilsrückgabe zum jeweils gültigen Rücknahmepreis. Der Anteilswert bemisst sich nach dem Wert des gesamten Fonds­vermögens dividiert durch die Anzahl der ausgegebenen Anteile. Das Fondsvermögen wird nach Angaben des Fonds professionell verwaltet (was eigentlich jeder Fonds von sich behauptet) und ist nach deutschem Recht Sondervermögen, das bedeutet, die Anlagen müssen strikt getrennt von dem Vermögen der Gesellschaft gehalten werden. Diese Regelung garantiert den Vermögenserhalt auch bei Insolvenz der Kapitalanlagegesellschaft/ der Fondsgesellschaft, welche diesen Investmentfonds verwaltet, es sei denn, die eingesammelten Gelder werden missbräuchlich von der Fondsgesellschaft verwendet. Den meisten und großen Fondsgesellschaften kann man das sicherlich nicht unterstellen.

Das Sondervermögen steigt durch neue Einlagen von Anlegern und durch Kurs-, Dividenden- und/­oder Zinsgewinne bzw. fällt durch Rückerstattung von Anteilen oder Verluste. Aus diesen komplexen Zahlenreihen ergibt sich dann der Kurs dieses Invest­mentfonds. Allerdings ist nur sehr schwer feststellbar, wie viele Kosten von der Fondsgesellschaft in diesem Zahlenwerk schon verarbeitet wurden.

Eine Garantie des Vermögenserhalts wird kein Fondszeichner erhalten, es sei denn, er zeichnet einen Fonds mit Kapitalerhalt, wobei der Anleger dann ganz sicher sein kann, dass er am Ende der Laufzeit nicht mehr als sein Kapital zurückbekommt. Dann kann er aber gleich eine Bundesanleihe zeichnen und erhält dafür sogar noch Zinsen. In den Fact Sheets auf Seite xy, meistens relativ weit hinten im Fondsprospekt, werden alle möglichen Risiken aufgezeigt und von den Verkäufern dieser Fonds mit den Beipackzetteln von Medika­menten verglichen, um damit zu dokumentieren, dass diese Risiken mit „höchster Wahrscheinlichkeit“ nicht eintreten werden. Jedenfalls habe ich noch keinen solchen „Beipackzettel“ gefunden, der nicht von einem totalen Vermögensverlust spricht.

Beim Kauf eines Investmentfonds hat der Anleger für die Idee der Zusammensetzung des Anlagegutes „Investmentfonds“ und für das Fondsmanagement einen Ausgabeaufschlag in unterschiedlicher Höhe zu bezahlen. Dieser Ausgabeaufschlag liegt in der Regel zwischen 2 % bis 6 % + x, welcher zusätzlich zum Kurs des Invest­mentfonds zu zahlen ist. Hinzu kommen dann Jahr für Jahr die Verwaltungsgebühren von 0,5 % bis 2 %. Eigentlich stellt ein Invest­mentfonds eine Mini-Vermögensverwaltung dar nur mit dem Unterschied, dass die Vermögensverwaltungsgebühren der eigent­lichen Vermögensverwalter nur bei maximal 1 %, in der Regel deut­lich darunter liegen.

Aber nicht genug mit dem Ausgabeaufschlag und den Verwaltungs­gebühren, auch Management-fee genannt. Je nach Vertragsart werden

  • versteckt oder offen Gewinnbeteiligungen eingebaut, die bei krassen Fällen – insbesondere bei einigen Liechtensteinfonds – wöchentlich ermittelt werden und am Ende der Woche dem Depot belastet werden.
  • Daneben schlagen Rückvergütungen an den Vertrieb,
  • Halteprämien an die Depot verwaltende Bank, wenn der Fonds so lange wie möglich vom Anleger gehalten und nicht verkauft wird trotz negativer Performance und
  • sonstige Incentives = den Vertrieb unterstützende Maß­nahmen wie Sonderreisen, Geschenke usw.

negativ zu Buche.

Diese werden offiziell nicht ausgewiesen und  als Gesamt­paket dem Vertrieb, bzw. der Bank vergütet ohne Bezug auf das jeweilige Produkt oder den jeweiligen Fondsinhabers und sind damit äußerst schwer verifizierbar. Bezahlen muss es aber der Anleger in Form eines vom Fondsmanagement entsprechend gestalteten Kurses, der sich dann wundert, warum der Kurs des Investment­fonds zurückgegangen ist oder nicht entsprechend des Anstiegs des DAX  Gewinne verzeichnen konnte.

Will der Anleger den Investmentfonds verkaufen, liegt der Unterschied zwischen An- und Verkauf in der Regel um die 3-5 %, womit eine weitere nicht zu unterschätzende Ertragsmöglichkeit für die Fonds­gesellschaft besteht. Dieser hohe Unterschied dient aber nur dem Zweck, den Anleger vom Verkauf des Investmentfonds abzu­halten. Weitere diesbezügliche mir bis dato nicht bekannte Gebühren sind nicht auszuschließen, bzw. mir schon unter­gekommen.

Seit einigen Jahren sind die Banken verpflichtet, die Gebühren­belastungen ihrer Finanzprodukte offenzulegen. Ich erinnere mich noch an die dicken Prospektpakete der Banken, womit die neue Offenlegung der Gebührenbelastung dokumentiert werden sollte. Dieses Paket nahm nicht selten einige hundert Seiten an Informationsseiten ein inkl. der dann erstmals zugesandten Geschäftsberichte, Marktberichte usw. mit dem erklärten Ziel, den Kunden vor lauter Informationen vom eigentlichen Kern dieser Berichterstattung abzuhalten, nämlich die auf irgendwelchen Seiten versteckten Gebühren- und Kostenbelastungen. Selbst wenn ich heute im Sinne des Mandanten danach frage, bekomme ich meistens hinhaltende oder nur sehr lückenhafte Auskünfte, obwohl die Banken hierzu gesetzlich verpflichtet sind. In einem Fall beschwerte sich sogar der Kundenberater bei meinem Mandanten unter Hinweis, dass doch in der Vergangenheit sehr vertrauensvoll mit ihm zusammengearbeitet worden war. Hier möchte ich noch ergänzen>> der Kunde vertrauensvoll ausgenommen wurde.

Meistens gehören die Investmentfondsgesellschaften einem Bank­konzern oder sind Vertriebspartner irgendwelcher Banken­gruppen (Sparkassen /­ Volks­banken), die wiederum Eigentümer der Investmentfondsgesellschaft sind (z. B. Dekabank). Somit verfügen die Banken mit Investmentfondsgesellschaften über eine recht starke Vertriebsstärke für Finanzanlagen, welche bei Neuemissionen von Aktien und Anleihen eine erhebliche Rolle spielen zum Zwecke der Akquisition eines Emissionsmandates. Je größer die Vertriebs­stärke, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das für die Bank sehr lukrative Emissionsmandat als maßgeblicher Agent zu erhalten oder daran beteiligt zu werden. Das bedeutet allerdings auch, dass dann solche Papiere sehr schnell bei den Investmentfonds der eigenen Investmentfondsgesellschaften platziert werden können, egal ob es sich jetzt um ein Papier mit guter oder schlechter Bonität handelt. Besonders kritisch ist diese Vorgehensweise dann zu sehen, wenn die Bank über eine solche Emission die eigenen zu hohen Kreditforderungen gegenüber einem Schuldner abbaut.

Wie schon mehrmals festgehalten, ist der Vermögensanlagekunde ein Kreditgeber, die Vermögensanlage der Kreditnehmer. Somit nimmt ein Investmentfonds die Eigenschaft eines Kreditnehmers ein. Es handelt sich also auch hier um ein Kreditgeschäft.

Vergleicht man nun dieses Kreditgeschäft mit dem Vorgang einer Kreditvergabe durch die Bank, kann man hier himmelweite Unter­schiede erkennen. Während man beim Kauf eines Investmentfonds eine Kurzfassung der Fondsbeschreibung /­ einen Flyer mit power-point-ähnlichen Grafiken in Form eines Kuchens, welcher die jeweiligen Anteile irgendwelcher Fakten (Branche /­­ Währung usw.) enthält und Performance- Kurven meistens der letzten 2 bis 3 guten Jahre aufzeigt und nicht die Kurve der Gesamtlaufzeit mit einer evtl. negativen Gesamtperformance, was leider sehr oft praktiziert wird, geht es bei der Bankkreditvergabe ganz anders zu.

Hierbei stützt sich die Bank richtigerweise ganz maßgeblich auf das Kreditwesen­gesetz. Will ein Unter­nehmen bei einer Bank einen Kredit aufnehmen, muss es die Jah­resbilanzen, vorläufige Zahlen u. a. in monatlichen oder viertel­jähr­lichen Zeitabständen in Form einer BWA (Betriebswirtschaft­licher Abrechnung) vorlegen. Darüber hinaus Planzahlen, Auftrags­be­stand, eine Liquiditätsrechnung, eine Aufstellung des Krediten­ga­gements bei den anderen Banken und deren Sicherheiten­positionen. Weitere Fragen, welche für die Erstellung des Ratings wichtig sind, nehmen teilweise einen Fragenkatalog bis zu 100 wei­teren Fragen + x ein. Bei Krediten an Privatpersonen ist es ähnlich.

Alles richtige Maßnahmen zur wertberichtigungsfreien Kreditver­gabe und damit Stabilisierung der Kreditinstitute und damit auch der Realwirtschaft. Zudem hat es auch einen erzieherischen Charakter zu einem seriösen Geschäftsgebaren.

Warum aber hat es der Staat als die letzte Instanz einer Finanz­polizei und damit der Stabilisierungsfaktor unserer Volkswirtschaft, trotz schwerer Finanzkrise und vieler Lippenbekenntnisse bis heute nicht geschafft, solche Regeln auch bei der Kreditvergabe durch die Privatanleger als absolutes Muss einzuführen? Diese werden unver­ändert allein gelassen. Da helfen auch keine vom Anleger zu unter­zeichnenden mehrseitige und eng bedruckte Beratungsbögen, womit der Anleger dokumentieren soll, dass er alles verstanden hat. Erfahrungsgemäß können aber die meisten Anleger die darin auf­geführten Wertpapiergattungen nicht einmal auseinanderhalten, geschweige denn, die Risiken hieraus erkennen. Diese Beratungs­bögen verfolgen daher nur den einen Zweck, bei einer Schieflage die beratende Bank frei zu zeichnen nach dem Motto, er wurde über die Risiken aufgeklärt.

Viele diesbezügliche Forderungen, diese unverständlichen Beratungsbögen zu vereinfachen, bzw. verständlicher zu machen, wurden schon vor Jahren formuliert und vorgeschlagen, verändert hat sich letztlich nichts. Der Verkauf der kreditbasierten strukturierten Finanzprodukte geht unverändert weiter, bzw. wird durch die übertriebene Regulierungswut der BaFin, welche anscheinend nur über eine Expertise im Kreditgeschäft verfügt, verschärft. Wen wundert es dann, wenn die Banken das Kreditgeschäft sukzessive in der Ecke liegen lassen, bzw. alles daran setzen, es durch Verbriefungsaktionen wieder loszuwerden.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass

  • man beim Kauf des Produktes Investmentfonds jemanden – einem Fondsmanagement – Geld gibt, den man nicht kennt, das meistens sogar der empfehlende Banker nicht kennt,
  • das Fondsmanagement für seine Tätigkeit – außer bei grober Fahrlässigkeit, welche in diesem Geschäft unmög­lich nachgewiesen werden kann – nicht haftet, ebenso die empfehlende Bank (dafür sorgt schon der vom Anleger zu unterzeichnende Beratungsbogen),
  • das Anlagegut nicht transparent ist und
  • bei dem sowohl die vermittelnde Bank als auch das Fonds­mana­ge­ment sehr gut ohne Wissen des Anlegers verdienen kann und das nochmals ohne Risiko.

 

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Haftungskaskade

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde am 20.7.2015 veröffentlicht und entspricht dem Stand der damaligen Quellen. Inzwischen wurde der garantierte Betrag nicht nur auf Spareinlagen bis zu € 100.000 bezogen, sondern auf alle Guthaben, d.h. auf Giro-, Festgeld- und  Tagesgeldkonten sowie auf Spareinlagen pro Person und Bank. Nicht aber garantiert werden Anleihen von Banken, die sich Sparzertifikate  nennen sowie Spareinlagen, welche mit einem Nachrang versehen sind, so etwas gibt es inzwischen auch schon.

Somit verwischen sich die Stufen der Haftungskaskade.

Dezember 2016

Elmar Emde

 

Im Dezember letzten Jahres 2013 haben die Finanzminister des Euro-Raumes gemäß Pressenotizen eine Haftungskaskade beschlossen, welche im Falle eines Bankenzusammenbruchs und einer damit notwendigen Abwicklung dieser Bank folgende Haftungskaskade vorsieht:

Haftung an erster Stelle:

Die Eigentümer, bzw. Aktionäre einer Bank.

Haftung an zweiter Stelle:

Die Gläubiger der Bank, welche der Bank Fremdkapital zur Verfügung gestellt haben, wie z.B. die Käufer von Bankanleihen. So hieß es zumindest in den Presseverlautbarungen. Offen war aber, wie die sonstigen Guthaben von Privatpersonen und Unternehmen zu behandeln wären.

Haftung an dritter Stelle:

Die großen Spareinlagen ab € 100.000. Spareinlagen unter € 100.000 bleiben von einer Beteiligung an der Abwicklung / Sanierung einer Bank verschont.

Als Begründung für diese Haftungskaskade will man die Abwicklung einer Bank möglicher machen und vor allem den Steuerzahler nicht mehr in die Pflicht nehmen, was sich – wie es später ausgeführt wird – als ein Marketinggag der Politik zu bezeichnen ist.

Die Beschlussfassung und deren Richtlinien konnte im Februar 2014 in einer Vorabfassung in englischer Sprache eingesehen werden, am 15. Mai 2014 erfolgte die Veröffentlichung im Amtsblatt des Europäischen Parlaments und kann über den Link

http://eurlex.europa.eu/oj/direct-access.html?locale=de

heruntergeladen werden.

Diese Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates  umfasst 348 DIN A Seiten und ist ein Sammelsurium eines juristischen Kauderwelsch mit zahlreichen Bezugnahmen auf diverse bereits ergangene europäische Richtlinien und Gesetze.

Das Studium dieser Beschlussfassung – soweit es ohne Vorlage der darin erwähnten zahlreichen Bezugnahmen auf diverse bereits ergangene europäische Richtlinien und Gesetze möglich war – hat ergeben, dass es eine explizit definierte Haftungskaskade darin nicht gibt. Nachfragen beim Bundesministerium der Finanzen haben auch zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Der Artikel 44 dieses Beschlusses kommt dem Sinn der erwähnten  Haftungskaskade etwas näher, jedoch wird darin erklärt, welche Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse nicht in die Haftungskaskade einfließen. Letztlich schützt man damit die EZB und die Bundesbank sowie die gesamte Finanzindustrie, nicht aber die Privatpersonen und Unternehmen, also die Mehrzahl der Bankkunden. Außerdem werden damit die Befugnisse diverser Institutionen zur Abwicklung dieser Bank festgelegt.

Somit muss davon ausgegangen werden, dass die Rangordnungen gemäß Insolvenzordnung eines jeden Mitgliedslandes ziehen, die Mitgliedsländer können sogar, wenn es notwendig ist, noch schärfere Bestimmungen erlassen.

Die Rangordnung der Insolvenzordnung muss daher wir folgt analysiert werden:

Haftung erster Rangstelle: Eigentümer einer Bank:

 Im deutschen Bankensystem gibt es  unterschiedliche Eigentümer.

Aktienbanken/Geschäftsbanken: Aktionäre

Sparkassen: die Kommunen

Volks-/Raiffeisenbanken mit ihren Zentralinstituten DZ-/WGZ-Bank: letztlich die Genossen

Landesbanken: u.a. die Länder neben den Sparkassen

Staatsbanken: der Staat BRD, jedoch gibt es derzeit keine für die üblichen Bankgeschäfte. Ob darunter die Commerzbank fällt, an der sich der deutsche Staat notgedrungen zur Rettung dieses Instituts beteiligt hat, bleibt offen, ist aber fraglich.

Welche dieser Institute über die kapitalkräftigsten Eigentümer zur Abwendung der Ausweitung der Haftungskaskade auf die nachfolgenden zwei Haftungskaskaden verfügen, muss im Einzelfall und bezogen auf die jeweilige Region, in welcher sich der Bankkunde befindet, eruiert werden.

Die Banken mit der meisten Kapitalkraft, bzw. Kapitalrückhalt  dürften primär die Sparkassen mit Ihren Landesbanken sein. An zweiter Stelle kann man die Volksbanken mit Ihrer – wie bei den Sparkassen – größten Nähe zu ihren Kreditkunden und damit überschaubaren Kreditrisiko sehen und an letzter Stelle die Aktienbanken mit ihrem unüberschaubaren Investmentbanking und des damit nicht überblickbarem Risikos, aber mit leichtem Vorteil die Commerzbank aufgrund ihrer noch bestehenden Beteiligung des Staates.

Allerdings sind die Deutsche Bank und die Commerzbank derzeit noch zu groß, um einfach vom Staat fallen gelassen zu werden, da beide Institute auch zu den Finanziers des Staates gehören.

Haftung zweite Rangstelle: Gläubiger der Bank:

Gläubiger einer Bank sind Unternehmen und Privatpersonen bzw. alle diejenigen, welche bei einer Bank Geld hinterlegen, sei es in Form von Sichteinlagen auf dem Girokonto oder  Festgeldeinlagen jeglicher Form nebst gekauften Bankanleihen, wodurch eine Forderung auf Rückzahlung in welcher Form auch immer an diese Bank entsteht.

Somit betrifft diese Haftungskaskade alle Bürger, welche über Geldvermögen bei den Banken in kurzfristiger oder langfristiger Form verfügen.

Das lässt die Feststellung zu, dass bei einer Abwicklung einer Bank eine sehr breite Masse von Steuerzahlern in die Pflicht genommen wird und der Hinweis der Politik, dass damit die Steuerzahler geschont werden sollen, absurd ist.

Haftung dritte Rangstelle: Spareinlagen bis zu € 100.000

Spareinlagen bis € 100.000 sollen an der Sanierung einer Bank nicht beteiligt werden (was abzuwarten bleibt). Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass Sparbriefe oder Sparzertifikate der Banken nicht als Spareinlagen gewertet werden, sondern als Anleihen der ausgebenden Bank und somit in die Haftungskaskade zwei fallen.

Diesbezügliche Nachfragen beim Bundesministerium der Finanzen haben letztlich ergeben, (O-Ton) „dass nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung und dem Rechtsberatungsgesetz keinerlei Rechtsauskünfte erteilt werden darf“. Dem Bürger ist es somit persönlich verwehrt, die Politik danach zu fragen, was sie zusammengebastelt hat. Hinzugezogen muss dazu ein teurer Jurist. Ein paradoxer Zustand!

Das Studium dieser Richtlinie hat dem Verfasser den Eindruck vermittelt, dass es die Handschrift der Banken, insbesondere der angelsächsischen Investmentbanken,  trägt mit dem Ziel, die Finanzindustrie so weit wie möglich zu schützen.

Eine weitere Frage ist, ob die Abgeordneten des europäischen Parlaments, bzw. die Politik dieses komplexe juristische Werk verstanden haben und sich deren Auswirkungen bewusst sind.

Angenommen eine Bank wird im Sinne dieser Richtlinie abgewickelt, d.h. die Gläubiger der Bank und große Spareinlagenbesitzer werden entsprechend zur Sanierung herangezogen, wäre die Folge ein befürchteter Bankenrun auf die Guthaben bei den anderen Banken. Nur der bestehende Bargeldumlauf würde nicht ausreichen, diese Bargeldabzüge zu decken.

Fazit:

Ob es je zu einer Abwicklung im Sinne dieser Haftungskaskade kommt, muss aufgrund der katastrophalen Auswirkungen in Frage gestellt werden. Dennoch ist dieser nicht auszuschließen und man sollte für diesen Fall vorsorgen und zwar wie folgt:

  • Das bestehende Barvermögen sollte auf keinen Fall zu stark auf eine oder wenige Banken konzentriert werden. Da die Sparkassen zusammen mit den Landesbanken als Rückhalt die Kommunen und Länder haben, könnte trotz nicht mehr bestehender Gewährträgerhaftung hierbei die größte Wahrscheinlichkeit zur Abwendung der Anwendung der Haftungskaskade 2 gesehen werden. Es bieten sich aber unterschiedliche Sparkassen oder auch Landesbanken an, wobei die jeweilige Bonität vorher zu prüfen wäre.
  • Das Vorhalten von Bargeld in einer notwendigen Form sollte auch mit Blick auf die sehr niedrigen bis 0- Zinsen bzw. der immer mehr in Mode kommenden Negativzinsen  nicht ausgeschlossen werden.
  • Selektiv und sukzessiv wäre das Barvermögen in Substanzwerte mit langfristigen Erträgen umzuwandeln, d.h. in Blue-chip – Aktien (aber derzeit zu hoch), Unternehmensanleihen sehr guter Bonität mit A-Rating und natürlich auch Immobilien. Je nach Größe des Vermögens und Risikoeinstellung sollten auch direkte Beteiligungen in Unternehmen mit entsprechender Marktakzeptanz mit einbezogen werden.
  • Auf jeden Fall sollten keine strukturierten Finanzprodukte, die alle eine Option für einen Totalausfall enthalten, hierbei berücksichtigt werden.
  • Diese Maßnahmen müssten jedoch auf den jeweiligen Vermögensinhaber zugeschnitten werden und wären zu prüfen.

Gengenbach, den 20. Juli 2015

Elmar Emde

 

Diese Ausführungen geben die Meinung des Verfassers wieder und stellen keine juristische oder steuerliche Beratung dar.

August 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Hochfrequenzhandel

Ein Beispiel für die Benachteiligung mit Hilfe hoher Rechnerkapazitäten ist der Hochfrequenzhandel, was nichts anderes bedeutet als das weltweite Geschäft mit der Arbitrage, d. h. der Ausnutzung unterschiedlicher Preise für alle möglichen Finanzpapiere, Derivate und Devisen und dem technischenFrontrunning.

Während meiner damaligen Ausbildungszeit zum Kundenbetreuer für das Auslandsgeschäft in den siebziger Jahren durfte ich eine Woche dem hektischen Devisenhandel in Düsseldorf beiwohnen. Das Arbitragegeschäft lief damals zum einen über Telefon von Händler zu Händler oder mit dem laut schnatternden und langsamen Fernschreiber, über den diese oder jene Bank angeschrieben und nach Kursstellung dieser oder jener Währung befragt wurde. Einige Sekunden später kam das Angebot zurück geschnattert, welches mit einer Anfrage bei einer anderen Bank verglichen wurde mit der Folge, dass dann gekauft oder verkauft wurde, wenn sich ein positiver Unterschied ergab, entweder aus den eigenen Beständen oder von einer Bank genommen und gleichzeitig der anderen Bank gegeben wurde. Den positiven Unterschiedsbetrag konnte dann der Arbi­tragehändler, in diesem Fall die Deutsche Bank, vereinnahmen.

Damals hat man sich auf Fernschreiber und Telefon gestützt, viele können sich evtl. noch an die Devisenhändler mit den vielen Telefonen erinnern. Das war für damalige Verhältnisse schon sehr progressiv und ungewöhnlich schnell. Heute läuft alles automatisch und dann in Millisekunden ab und zwar von Rechner zu Rechner, ohne dass ein Mensch dazwischen funkt. Man spricht sogar davon, dass 90 Prozent des gesamten weltweiten Handels auf den Finanzmärkten inzwischen automatisch stattfinden.

Diese Rechner sind mit sämtlichen Börsen, d. h. Anbietern von fungiblen Finanzprodukten jeglicher Art vernetzt und scannen diese (Derivate, Aktien, Devisen, Anleihen) auf deren Preise weltweit ab und handeln sofort, wenn auch nur ein kleiner Kursunterschied und sei er nur in der dritten und vierten Stelle hinter dem Komma, festgestellt wird.

Die Leistungsfähigkeit des Computers, d. h. seine Rechnerkapazität und die eingesetzten Algorithmen sind daher sehr entscheidend für den Erfolg und Misserfolg dieses Arbitragegeschäftes, da es zwischenzeitlich weltweit Hunderttausende von fungiblen Finanzprodukten und dann noch in unterschiedlichen Währungen gibt, die alle erfasst und abgescannt werden müssen.

Da die Übermittlung der Daten elektronisch vollzogen wird, also in Lichtgeschwindigkeit, entscheidet sehr oft die Länge des Kabels zum jeweiligen Rechner der Börse oder des Maklers über den Erfolg oder Misserfolg dieses Arbitragegeschäftes, da der Rechner des einen Händlers dadurch in einem Bruchteil einer Millisekunde, man spricht sogar von Milliardstelsekunden, schneller die Daten erhält als der Konkurrent und somit schneller, für den Menschen nicht mehr wahrnehmbar, handeln kann.

Dies ist auch der Grund, warum sich die Investmentbanken in New York wie eine Herde von Schafen in unmittelbarer Nähe um den Computer des Schäfers – wo immer dieser auch stehen mag –, der Börse in der Wallstreet, versammeln.

In Frankfurt befindet sich der Computer der Frankfurter Börse nicht am Sitz der Börse in der Frankfurter Innenstadt, sondern am Stadtrand von Frankfurt (Wo? Muss geheim bleiben lt. der berichtenden Wirtschaftszeitung) in einer ehemaligen großen Möbelfertigungshalle. Rings um diesen Rechner der Frankfurter Börse befinden sich die Rechner von 180 Banken, Fondsgesellschaften, Börsen und diversen Geldunternehmen. Interessant wäre hier die Info, welcher Rechner von welchem Institut am nächsten zum Rechner der Frankfurter Börse steht und wie viel dieses Institut für diesen Vorteil bezahlen musste. Die Nähe zum Börsencomputer dürfte sicherlich sehr lukrativ bezahlt worden sein.

Das geht sogar schon soweit, dass bei Eingabe einer Order per Tastendruck die Hochfrequenzmaschine dieses über Datenknotenpunkte wahrnimmt und bevor die Order am Ziel (Börse) angekommen ist, von der Hochfrequenzmaschine mit schnelleren (kürzeren) Zugangskabeln diese Order oder den Markt schon so beeinflusst hat, dass der Hochfrequenzhändler daraus den besten Nutzen ziehen konnte (u.a. Kauf des Wertpapiers vor Eingang der abgefangenen Order und Verkauf nach Ausführung der abgefangenen Order). Das geschieht in milliardstel Sekundenbruchteilen und ist eine andere Form des “frontrunnings” /Insidergeschäftes und meines Erachtens daher illegal.

Diese hermetisch abgeriegelte Halle ist eine der modernen Schlagadern des modernen Finanzkapitalismus (lt. Handelsblatt). In einem Beitrag des Heute-Journals des ZDF konnte man dieses fensterlose Gebäude nur von außen betrachten, die dort arbeitenden Menschen gaben sich gegenüber dem ZDF-Journalist mehr als wortkarg, sie sagten Null-Komma-Nichts.

Diese Halle in Frankfurt steht im Eigentum der US- Firma Equinix Inc, eine US-amerikanische Aktiengesellschaft, die netzbetreiberunabhängige Rechenzentren und Internet-Knoten betreibt. Das Unternehmen ist in zehn Ländern aktiv und bietet seinen Kunden Stellflächen in seinen Rechenzentren (Colo­cation) sowie die dazugehörige Internet-Anbindung an. Zum Kundenkreis von Equinix gehören größere Unternehmen, Internet-Inhaltsanbieter und Netzbetreiber (lt. Wikipedia).

Nach den bekannt gewordenen Abhörpraktiken der NSA kann man nur darüber spekulieren, inwieweit Equinix Inc. sich gegen die Bedürfnisse der NSA wehren konnte. Auch hier muss einem die wiederum erstarkte hohe Ertragskraft der amerikanischen Banken zu denken geben.

Das alleine ist aber noch nicht der final auslösende Punkt, um diese Handelsgeschäfte zum Abschluss zu bringen. Über den Wert eines Finanzproduktes entscheiden auch Nachrichten, Gerüchte, selbst gestreute Gerüchte und angebliche Kauf- und Verkaufsabsichten, die diese Rechnerkapazitäten ebenfalls abscannen und in die Entscheidung, ob gekauft oder verkauft wird, mit einfließen lassen. Teilweise werden Handelsaufträge in den Markt gegeben und kurz davor wieder zurückgezogen, nur um gewisse Trends auszulösen zwecks Unterstützung im Markt befindlicher eigener Spekulationen.

Auch spielen die „social networks“ wie Facebook, Twitter & Co bei der Generierung von Trends eine große Rolle. Warum ist die Benutzung dieser Plattformen kostenlos und wieso generieren diese networks so hohe Umsätze und Erträge?

Aus dem Mitteilungsbedürfnis der Nutzer dieser Plattformen ergeben sich aus der Generierung einer Masse von Schlüsselwörtern gewisse Trends, welche sowohl an die Werbebranche als auch an die Investmentbanken verkauft werden zwecks Verfeinerung ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Eigentlich müssten die Nutzer dieser Plattformen von diesen Geld für ihr Mitteilungsbedürfnis erhalten.

So kommen zu der hohen Anzahl der fungiblen Finanzprodukte und den Trends aus den social networks noch der sehr große und der sich ständig verändernde Datenfluss aus den Medien hinzu, welche diese Algorithmen ebenfalls verarbeiten und daraus die Entscheidung für Kauf- oder Verkauf ableiten. Eine große Rolle spielt hierbei der so genannte VIX Index (Volatility Index), einem auch als Angstindex bezeichneten Gradmesser, der relativ frühzeitig die Volatilität des Marktes erkennen lässt und somit Kauf oder Verkaufsorder auslösen kann.

Die Aufzählung dieser ungeheuer großen Masse an Informationen lässt einem bewusst werden, dass das menschliche Gehirn und somit der normale Anleger eigentlich nicht mehr in der Lage ist, diesen Datenfluss entsprechend zu sortieren und einzuordnen. Hochintelligente Menschen sind in der Lage, bis zu 800 Wörter in der Minute zu lesen, die Rechner dieser Finanzinstitute kommen auf einige hundert Millionen bis einige Milliarden pro Sekunde. Somit können in der Sekunde bis zu 4.000 + x  Deals abgeschlossen werden. Ende nach oben nicht absehbar.

Daher überlassen selbst die Investmentbanken diese Arbeit den Rechnern, die das entsprechend je nach Ausstattung und Software mehr oder weniger sehr gut bewältigen können, aber letztlich abhängig sind von den von Menschenhand geschaffenen Algorithmen.

Wie die FAZ und das Handelsblatt berichteten, hat der Hochfrequenzhandel zu einer unglaublichen Steigerung der Handelsaktivitäten geführt. Wurden beispielsweise in 1993 die 30 Werte im DAX gut eine Milliarde Mal gehandelt, waren es 2011 bereits 41 Milliarden Transaktionen. Weltweit wurden in 2012 Aktien im Wert von US$ 80,4 Billionen gehandelt, Tendenz steigend.

Bei Einführung der Handelsplattform Xetra wurden am ersten Handelstag 5.000 Aufträge abgewickelt, jetzt sind es laut Deutscher Börse 107 Millionen am Tag.

Die Werte im japanischen Nikkei sind in 2011 343 Milliarden mal gehandelt worden, bei den Werten im FTSE (wichtiger britischer Aktienindex) kam man  auf 221 Milliarden. Auch hier Tendenz steigend

Und dieser Trend ist nicht nur an den oben genannten Börsen zu verzeichnen, sondern weltweit. Man kann daher nur erahnen, welche ungeheuerlich großen Ausmaße dieser Computerhandel, oder Roboterhandel zwischenzeitlich angenommen hat und weiter nehmen wird.

Auch hier zeichnet sich schon die Horrorvision selbstständig handelnder Maschinen deutlich ab.

Dieses hohe Volumen kann andererseits durch fehlerhafte Aufträge und damit sich potenzierende Reaktionen der Rechner zu erheblichen Vermögensverlusten bei den Anlegern führen. So geschehen in Indien beim indischen Nifty-Index, wodurch US$ 58 Milliarden Börsenwerte zumindest auf dem Papier vernichtet wurden. Beim so genannten „Flash –Crash“ des Dow-Jones-Indexes im Mai 2010 waren es US$ 325 Milliarden.

In den USA werden derzeit zwei Drittel der Umsätze auf dem Aktienmarkt über den Hochfrequenzhandelt abgewickelt, Tendenz steigend. Wie in der Industrie, schreitet auch hier die Automatisierung der Produktion, bzw. hier im Handel entsprechend fort. Es bleibt daher die größte Sorge, dass die Systeme der Hochfrequenzhändler zu unkontrollierbaren Abstürzen nicht nur an den Aktienmärkten führen und damit das gesamte Finanzsystem destabilisieren könnten. Man nimmt sogar an, dass die Betreiber eines solchen Hochfrequenzhandels schon selbst nicht mehr wissen, was diese Algorithmen alles so anstellen können, eine Art Verselbstständigung hat anscheinend schon begonnen.

Zwischenzeitlich hat auch die Aufsicht und Politik von diesen Gefahren Wind bekommen, FBI und SEC beobachten verstärkt den Markt, da auch hier Unregelmäßigkeiten in den komplizierten Algorithmen vermutet werden, die nur den einen Sinn haben, die Marktteilnehmer durch falsche Bewegungen hinter das Licht zu führen. Vorschläge zur Eindämmung dieser Gefahren liegen auf dem Tisch. So soll beispielsweise eine Mindesthaltefrist von mindestens einer halben Sekunde eingeführt werden. Was aber ist nach dieser halben Sekunde? Auch hier spielt die Schnelligkeit der Systeme, das kurze Kabel und deren Algorithmen eine große Rolle.

In den USA steht im Zentrum dieser Regulierungsdebatte der so genannte „Kill Switch“, eine Art Notabschaltung für den Krisenfall für Broker oder den gesamten Markt. Käme es bei einem Broker = Investmentbank zu Problemen mit der Software, könnte dieser blitzschnell vom restlichen Kapitalmarkt abgetrennt werden, womit verhindert werden soll, dass sich Probleme im Markt potenzieren (lt. Handelsblatt). Kritisch betrachtet ergeben sich auch hier wieder eine Menge von Manipulationsmöglichkeiten, womit unliebsamen Konkurrenten der Garaus gemacht werden könnte.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Geldmarktfonds (offener)

In früheren Zeiten waren die Geldmarktfonds sowohl für den Anleger als auch für die Fondsgesellschaft bzw. die sie vertreibende Bank eine honoriges und renditeträchtiges Anlagegeschäft. Mit dem eingesammelten Fondskapital wurden höher verzinsliche und lang laufende Rentenpapiere mit deutlich höheren Zinsen eingekauft. Anfang 2000 konnten somit noch langlaufende Renten­papiere mit einer Verzinsung um die 8 % p.a. eingekauft werden, für kurzfristige Festgelder gab es in etwa 3 – 4 % p.a. Somit war es den Geldmarktfonds mit täglicher Kündigung möglich, höhere Renditen zu bieten als für kurzfristige Festgelder. Da sich diese Rentenpapiere damals auch aus weniger Risiko anfälligen Renten­papieren  zusammensetzten (mittelständische Unternehmensan­leihen und strukturierte Papiere gab es damals noch nicht in dem Maße wie heute) und die Unternehmensanleihen damals wenig Risiko beinhalteten (Wertberichtigungsquote der Banken im Kredit­geschäft war damals auf dem Nullpunkt) war eine starke Nachfrage nach Geldmarktfonds die Folge, dieser Markt boomte regelrecht.

Nachdem aber die hoch verzinslichen Rentenpapiere ausgelaufen waren und sich zudem das Zinsniveau weiter absank bis zur jetzigen skandalösen und politisch motivierten Höhe von fast null Prozent, kamen die Geldmarktfonds auch aufgrund ihrer eigenen Verwaltungskosten zunehmend in Konkurrenz zu den kurzfristigen Festgeldern und ähnlichen Anlageprodukten der Banken, die jetzt teilweise mit höheren Zinsen aufwarten konnten. Sie hatten somit große Renditeprobleme.

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Banken in einer sehr komfortablen Lage. Die Wirtschaft lief gut, die Risiken im Kredit­geschäft waren somit sehr gering, welches sich in sehr niedrigen Wertberichtigungsquoten der Banken äußerte. Ob die offizielle Einschätzung dieser Risiken richtig war, muss im Nachhinein bezweifelt werden, da auf einmal CDS-Papiere (credit default swaps = Kreditrisikoübernahmepapiere) auf dem Finanzmarkt zu sehr attraktiven Prämien angeboten wurden. Mit diesen so genannten „credit default swaps“ konnte man als Investor Kreditrisiken über­nehmen und bekam für diese Risikoübernahme eine zum damaligen Zeitpunkt attraktive Prämie. Solche Geschäfte wurden damals als relativ risikolos bewertet mit Verweis auf die seit Jahren niedrigen Wertberichtigungsquoten der Banken und der gut laufenden Wirtschaft.

Als Ersatz für die immer weniger werdenden üblichen und hoch verzinslichen Rentenpapiere wurden zunehmend die so genannten und modischen ABS-Papiere, kreiert von den Investmentbanken, zugekauft. Bei ABS-Papieren (asset backed securities = durch Vermögenswerte /­Kreditforderungen abgesicherte Wertpapiere) handelt es sich um einen Pool von diversen Forderungen gegenüber irgendwelchen Schuldnern, welche man zu einem Paket zusammenschnürte, bzw. verbriefte und als verzinsliche Anleihe auf den Markt begab. Die damalige Verzinsung dieser ABS-Papiere lag deutlich über dem Geldmarktzins und wurde daher als Alternative zu den bisherigen und auch als langweilig beschimpften, üblichen Rentenpapiere gesehen.

Sowohl die ersten ABS-Papiere als auch die ersten CDS setzten sich aus erstklassigen Schuldnern zusammen und man konnte mit guten Gewissen eine nahezu vorhandene Risikolosigkeit dieser Papiere festhalten. Nachdem diese Papiere den Produzenten regelrecht aus den Händen gerissen wurden, erhöhte sich die Produktion der CDS- und ABS-Papiere, allerdings mit dem Nachteil, dass die guten Schuldner bald vergriffen waren und man deshalb die Bonitäts­schwelle immer tiefer legte und im Laufe der Jahre die Risiken dieser Papiere immer mehr anstiegen, bis es dann später zu den ersten Insolvenzen kam. Ähnliche Geschichten finden sich im Übrigen bei den Subprime-Papieren, welche zu der bekannten Finanzkrise geführt haben.

Die Geldmarktfonds, arm an höher verzinslichen Rentenpapieren und versehen mit dem Werturteil geringer Risiken, griffen somit erst zögerlich und dann später immer häufiger auf diese CDS- und ABS- Papiere zurück, da sie mit dem Kauf dieser Papiere, d. h. beim CDS-Kauf eine attraktive Prämie und bei ABS-Papieren die Ver­buchung eines höheren Zinssatzes, ihre Renditen aufbessern konnten und somit gegenüber den kurzfristigen Festgeldern wieder konkurrenzfähig waren. Bei verschiedenen Geldmarktfonds, auch aus dem Sparkassen – und Volksbanksektor – bemerkte ich anfangs nur eine geringe „Beimischung“ solcher Papiere von nur wenigen Prozent. Dieser Anteil erhöhte sich dann innerhalb weniger Monate deutlich, in einem Fonds eruierte ich sogar einen Anteil von 12 %.

Der damalige Chef der Deka-Bank fand dieses Geschäftsgebaren sogar als üblich. Dies veranlasste mich wiederum, die BaFin im August 2007 auf diesen Umstand hinzuweisen, dass die Geldmarktfonds, hier an einem Beispiel eines Fonds der Deka-Bank in Luxemburg, mit so hohen Risikopapieren versetzt seien.

Die Antwort war wieder ernüchternd und lautete nach der Belehrung, wie diese Fondsstruktur aussah, etwa einen Monat später wie folgt:

„Ich (Dr. … von der BaFin) weise darauf hin, dass die Vertriebs­berechtigung lediglich bedeutet, dass der betreffende Fonds bei mir seine Unterlagen eingereicht hat und in den öffentlichen Vertrieb seiner Anteile in Deutschland nicht untersagt habe, da die im Investmentgesetz (InvG) hierfür vorgesehenen Vertriebsvoraus­setzungen erfüllt waren. Die vertriebsberechtigten ausländischen richtlinienkonformen Investmentfonds unterliegen in materieller Hinsicht aber nicht meiner Aufsicht, so sind beispielsweise umfassende Prüfungen ausländischer richtlinienkonformer Invest­mentfonds, insbesondere bezüglich der Gebührenpolitik, Anlage­politik, Bonität oder Werthaltigkeit des Fondsvermögens im InvG nicht vorgesehen und werden dementsprechend von der Bundes­anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auch nicht durch­geführt.
Vielmehr bestehen die Aufgaben der BaFin nach dem InVg im Wesentlichen darin, darauf zu achten, dass die für den öffentlichen Vertrieb ausländischer Investmentanteile in der Bundesrepublik Deutschland vorgegebenen gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt und beachtet sind.

Die materielle Aufsicht über einen ausländischen Investmentfonds erfolgt im jeweiligen Herkunftsland nach den dort geltenden nationalen Rechtsvorschriften.“

Wenn das kein Freibrief zur eigenen Gestaltung des Risikos und der Gebühren war und immer noch ist? Mit anderen Worten, die BaFin prüft nicht die Boni­tät des ausländischen Investmentfonds und der darin befindlichen Papiere, ebenso wenig die jeweilige Gebührenpolitik.

Die Folgen während der Finanzkrise waren dann diverse Insolvenzen von Unternehmen, deren Kreditrisiken über die CDS- Papiere auf die Investoren und damit die Geldmarktfonds übergegangen waren, womit deren Renditen abstürzten, bzw. bei einigen sogar ins Minus abfielen.

Das sind auch derzeit die Gründe, warum diesbezüglich einige Banken von den Aufsichtsorganen einiger Länder verantworten müssen. So muss sich zum Beispiel die UBS in Großbritannien wegen Verkauf von Geldmarktfonds verantworten, die im signi­fikanten Maße in riskante Immobilienpapiere wie Asset backed Securities investiert waren, ohne zuvor ausreichend überprüft zu haben, ob der/­die Geldmarktfonds für die Kunden mit Blick auf das Risiko angemessen waren. Dieser Vorgang wird von der dortigen FSA (Financial Services Authority) als Falschberatung bezeichnet. Ebenso wurde die Barclays Bank von der FSA auch aufgrund von Falschberatung verklagt. Die Barclays Bank hatte daher aufgrund dessen 2,45 Milliarden Pfund sicherheitshalber an Rückstellungen gebildet, welches als Eingeständnis der Falschberatung bezeichnet werden kann.

Wie bei den vorgenannten Aktien- und Rentenfonds haben auch die Manager der Geldmarktfonds über die Fact Sheets alle Freiheiten bei der Geldanlage, das Risiko trägt aber jeweils der Anleger, der auf diese Anlageentscheidungen keinerlei Einfluss hat und sich somit auf das richtige Handling dieser unbekannten Herrschaften verlassen muss. Jeder Anleger sollte sich daher fragen, ob er sein sicherlich sauer verdientes und versteuertes Geld solch hohen Unwägbarkeiten anvertrauen möchte.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de