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Allgemeiner Marktkommentar und Anlagestrategie Nr. 7

Beitrag von Ottmar Beck, Vermögensverwalter.

Wilen, den 5. Juli 2017

Sehr geehrte Damen und Herren

es ist schwierig zu wissen, was an den Börsen in der nächsten Woche, im nächsten Monat oder sogar im nächsten halben Jahr passiert. Alles kann passieren und wird vielleicht auch. Jede Prognose kann falsch sein. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, zumindest zu versuchen, immer wieder den Standort zu bestimmen und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Und die Einstellung „Nichts spielt eine Rolle, die Börse geht einfach nach oben“, kann ich nicht verstehen. Bewertungen haben, so lange die Börse existiert, immer eine Rolle gespielt.

Eine der wichtigsten Fragen ist für mich: Wenn ETFs in größerem Maße verkauft werden – wer wird sie kaufen? Die parabolische Entwicklung der passiven Kapitalanlagen (ETFs, Indexfonds und Pensionskassen, Versicherungsgesellschaften und Trust-Fonds, die passiv direkt in Aktien investieren) wird früher oder später auch ihre negativen Seiten zeigen. Vanguard, der Mitbegründer und einer der größten Verfechter passiver Anlagestrategien, hält heute allein bei 468 Aktien aus dem S&P 500 mehr als 5 Prozent pro Aktie.

 

Passives Investieren stellt die Grundlage der Finanzmarktinvestition auf den Kopf, nämlich die Funktion der effizienten Kapitalallokation. Bei der passiven Investitionsentscheidung ist es heute wichtiger, dass eine Gesellschaft in einem populären Index vertreten ist als ein gesundes Geschäftsmodell oder solide Finanzen. Wir haben inzwischen ein Investitionsumfeld, in dem auch die Aktienkurse schlecht geführter Unternehmen steigen, da über den Index auch ihre Kurse mit nach oben gezogen werden.

In der passiven Investmentwelt sind die Fakten zu einer Gesellschaft nicht mehr so wichtig. Das zeigt sich besonders bei kapitalisierungsgewichteten Indizes. Immer mehr Geld fließt in Firmen wie Apple und Amazon allein aus dem Grund, weil sie groß sind.

Dieser Geldfluss führt zu höheren Preisen – und damit fließt noch mehr Geld in diese Aktien. Die fünf Werte Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook repräsentieren inzwischen 42 Prozent des NASDAQs und 13 Prozent des S&P 500. Das heißt, mit jedem Kauf eines Index, der auf dem NASDAQ beruht, fließen 42 Prozent der Mittel in diese fünf Aktien. Die anderen 58 Prozent verteilen sich auf die übrigen 95 Indexwerte. Wird Geld in die größten 25 Firmen investiert, bleiben weniger als 1 Prozent pro Aktie für die restlichen 75. Apple allein macht 12 Prozent des NASDAQ-Index und 4 Prozent des S&P 500 aus. Das allein dürfte erklären, warum der NASDAQ eine bessere Performance ausweist als der S&P 500.

Overall cumulative flows into active and passive funds

 

Sollte es jedoch zu einer Korrektur an den Märkten kommen, wird die Übergewichtung einiger weniger Aktien und das Investieren in ETFs auch übergroße Auswirkungen auf der negativen Seite haben. Denn wer wird ETFs kaufen, wenn sie im großen Stil verkauft werden? Gibt es zu wenig Käufer, müssen Portfoliomanager die einzelnen Aktien gemäß ihrem Indexanteil an der Börse verkaufen.
Das bedeutet: Diese Aktien werden viel schneller fallen, als sie gestiegen sind. Dazu kommt, dass in einer solchen Periode die Quant- und Algorithmusmodelle, die bisher alle „Kaufen, kaufen und kaufen“ sagen plötzlich für eine bestimmte Zeit auf verkaufen umschwenken werden.

Festverzinsliche Wertpapiere

Neben allen politischen Problemen bleibt die hohe Verschuldung unser größtes Problem. Die Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigen deutlich, dass eine höhere Verschuldung ein niedrigeres Wachstum bedingt.

 

 

Und die Politiker werden für eine weiterhin hohe Verschuldung sorgen. Jetzt hat sogar der Internationale Währungsfonds Japan aufgefordert, die expansive Geld- und Fiskalpolitik beizubehalten. Das heißt aber auch: Die Zinsen werden bis zum Finale niedrig bleiben, um die Zinsbelastung für die Staatshaushalte auf niedrigem Niveau zu halten. 1 Prozent Zinssteigerung kostet zum Beispiel den amerikanischen Finanzminister circa 200 Milliarden Dollar und auch der Haushaltsüberschuss von Herrn Schäuble dürfte sich drastisch reduzieren. Aber so weit dürfte es nicht kommen. Von der starken Nachfrage nach sogenannten sicheren Kapitalanlagen profitieren vor allem Staatsanleihen mit guter Bonität. Die Nachfrage wird die Kurse dieser Anleihen weiter hoch sein lassen und ihre Renditen werden niedrig bleiben.

Wir befinden uns in der Mitte einer sogenannten „Sparschwemme“. Aus den Schwellenländern schwemmt unentwegt der Leistungsbilanzüberschuss auch in amerikanische und europäische Anleihen. Sonst müssten zumindest in den USA, wo die amerikanische Notenbank Fed seit Dezember 2015 ihren Leitzins mehrfach erhöht hat, die Renditen amerikanischer Staatsanleihen stärker gestiegen sein. Im Dezember 2015 notierten allerdings die zehnjährigen Staatsanleihen auf demselben Stand wie heute. Hinzu kommt, dass die Fed ab dem Herbst ihre Anleihebestände allmählich reduzieren will.

Kommt Griechenland mit einer Jahrhundertanleihe? Argentinien hat sich getraut. Die Käufer haben wohl vergessen, dass Argentinien in den vergangenen zwei Jahrhunderten im Durchschnitt mehr als jedes dritte Jahr zahlungsunfähig war. Claudia Calich, Rentenfondsmanagerin bei der britischen Fondsmanagementgesellschaft M&G, hat versucht, die Ausfallwahrscheinlichkeit zu berechnen. Leider reicht das Modell nur für eine Anleihelaufzeit von 50 Jahren. Aber immerhin liegt da die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 97,6 Prozent. 100 Jahre Laufzeit sollten risikoreicher als 50 Jahre sein. Zu 100 Prozent Ausfall gibt es ja immer noch 2,4 Prozent Steigerung. 2,8 Milliarden Dollar zu knapp 8 Prozent wurden platziert. Da hoffen die Investoren wohl auf eine schnelle Besserung der argentinischen wirtschaftlichen Fundamentaldaten, dann einen schnellen Gewinn und noch d… Käufer. Der letzte Käufer zieht den Kürzeren.

Aktien

Der Automobilmarkt zeigt in den USA und China die ersten Schwächen. Zusätzlich nehmen jetzt in den USA auch die Steuereinnahmen und das Kreditwachstum ab.

 

Graue Zonen: Rezession

Martin Barnes, Bank Credit Analyst, weist darauf hin, dass die gegenwärtige wirtschaftliche Erholung das Bruttoinlandsprodukt weniger stark wachsen ließ als in allen Zyklen zuvor. Die Laufzeit liegt im Moment an dritter Stelle. In zwei Jahren würde auch hier einneuer Rekord aufgestellt werden.

 

Er sieht die größten Probleme bei den irreversiblen Trends der Mitarbeiterproduktivität und der sinken- den Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.

 

 

Die Aktienkurse haben sich im Vergleich zur wirtschaftlichen Erholung seit 2009 allerdings überproportional gut entwickelt. Denn langfristig folgt das Wachstum der Börsenkurse dem der Ökonomie.

Wenn das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für die nächsten Jahre bei 2 Prozent bleibt, können die Börsenkurse nicht schneller wachsen: Sie werden die höheren Zuwächse wieder abgeben müssen.

 

 

In der Vergangenheit ist es jedes Mal, nachdem ein amerikanischer Präsident nach zwei Amtsperioden das Weiße Haus verlassen hat, im ersten Jahr der neuen Regierung zu einer Rezession gekommen. Wird unter Trump alles anders?

Eine Warnung aus Kanada? David Rosenberg, zuständig für 9 Milliarden Dollar bei Gluskin Sheff + Associates, meint, die kanadischen Immobilienpreise müssten um 40 Prozent fallen, um das historische Verhältnis zwischen Preis und Haushaltseinkommen wiederherzustellen. Jetzt hat Kanada eine Immobilienblase!

Rohstoffe

Aktien teuer, Rohstoffe preiswert? – Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

 

 

Der Kauf von Goldminenaktien durch Insider geht weiter. Eric Sprott, Vorstandsvorsitzender von Kirk- land Lake Gold, hat eine Million Aktien im Markt gekauft. Insiderkäufe gibt es auch bei Alamos Gold (CFO und VP), Detour Gold (3 Direktoren), Goldcorp. und Pretium Resources.

 

Portfoliostrategie

Diese Hausse wird nicht gut enden, aber sie wird mit Sicherheit enden. Am Ende steht die Frage: Wer wird jetzt noch kaufen? In dem oben beschriebenen Szenario werden die Preise für gute und schlechte Aktien auf ein Niveau fallen, das irgendwann wieder Käufer anzieht. Deshalb betrachten wir das Halten von Liquidität nach wie vor als Möglichkeit, stark gefallene, aber eigentlich wertvolle Aktien zu erwer- ben. Der Preis für Liquidität ist überdies zurzeit nicht sehr hoch. Man verdient daran nichts, aber das Halten von Bargeld ist wegen der niedrigen Inflation beinahe kostenlos. Selbst die negativen Zinsen in der Schweiz halten uns nicht davon ab.

Denken Sie zurück an den März 2009. Die Zeit wird kommen, wenn wir unsere Bargeldbestände zum Kauf von Aktien günstig einsetzen können.

 

Mit freundlichen Grüßen Ottmar Beck

 

Dax: 7,35% – Euro Stoxx 50 P: 6,71% – SMI: 8,36% – RexP: -1,01% – SBI: -1,05% – Gold(in US$): 7,84%

per 30.06.2017

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Steuererleichterungen? Fake News!

Wir haben mal wieder die Monate vor einer Bundestagswahl und stets nehmen die Parteien, welche die Regierungsverantwortung übernehmen wollen, die Wörter  Steuererleichterungen oder sogar Steuersenkungen in ihre Wahlprogramme auf. Anscheinend ist ihnen bewusst, dass die Bürger einer zu hohen Steuerbelastung unterliegen, getan wurde aber nach den Wahlen mit Hinweis auf Koalitionsvereinbarungen oder sonstige drängende Aufgaben so gut wie nichts bzw. sehen es als Vorteilan, wenn sie keine Steuern erhöht haben (dafür aber die Abgabenlast!!).

Eine ähnliche Situation haben wir auch derzeit, gespannt bin ich aber, wie sich die FDP mit der jetzigen Führung, sollte sie in die Regierungsverantwortung kommen, diesbezüglich aufstellt.

Fakt ist jedoch, dass jetzt beschlossen wurde, die Erträge von thesaurierenden Investmentfonds ab Januar 2018 jährlich zu besteuern und nicht erst zu dem Zeitpunkt, wenn der Anleger seine Anteile verkauft.

Somit muss der Anleger künftig jährlich eine fiktive Steuer auf die Wertsteigerung seines Fonds bezahlen. Die Höhe der „Vorabpauschale“ wird zum Ende eines jeden Jahres von der depotführenden Stelle ermittelt, d.h. der Anleger zahlt dann zu Beginn  des Folgejahres Steuern auf diesen fiktiven Ertrag.

Wirtschaftlich betrachtet ist – gemäß Branchenverband BVI – diese „Vorabpauschale eine vorweggenommenen Besteuerung zukünftiger Wertsteigerungen. Der Staat möchte sicherstellen, dass er die Steuern bei diesen Fonds zeitnah bekommt, womit lt. Bundesfinanzministerium die Besteuerung insgesamt vereinfacht werden soll.

Ist das wirklich der Fall? Beispiel: Im ersten und evtl. auch im zweiten Jahr macht der Fonds schöne Gewinne, welche dann vom unersättlichen Staat steuerlich abgegriffen werden. In den Folgejahren macht dieser Fonds aber Verluste und verbrennt damit Kapital, so dass sich der Anleger zwecks Vermeidung weiterer Kapitalverluste dazu entscheidet, diesen Fonds zu verkaufen. Die Konsequenz wäre, dass die fiktive Steuer vom Anleger vom Staat wieder zurückgefordert werden kann/müsste, welches komplexer Rückrechnungen bedarf.

Fazit:

Obwohl man dem Wähler in Bezug auf Steuererleichterungen Versprechungen macht, erhöht man davor noch schnell die Abgabenlast, fällt jetzt nicht auf.

Der Staat geht davon aus, dass diese Investmentfonds nur Gewinne machen. Dies ist aber nicht der Fall, zumal in diesen Investmentfonds zwischenzeitlich eine Menge Risiken der Banken  über die „Alternativen Anlagen“ (verstrukturierte Bankrisiken) dank der Geldpolitik von Herrn Draghi untergebracht werden konnten. Dass dies nicht gut gehen kann und die Renditen der Investmentfonds bis ins Minus drücken wird, scheint auch dem Bundesfinanzministerium nicht unbekannt zu sein, so dass man lieber schon jetzt auf fiktive Erträge die Steuern erhebt, um die Einnahmebilanz zu verbessern.

Somit besteuert man auch einen Großteil der Kapitallebensversicherungen, – zumindest die in den letzten 10 Jahren als Fondspolice abgeschlossenen –  bzw. greift auch auf diesem Feld dem sparenden und auf Vorsorge bedachten Bürger  wiederum in die Taschen.

Im Übrigen sind sämtlich Aussagen zu den Steuererleichterungen ein absoluter Witz. Beispielsweise soll nunmehr der Spitzensteuersatz von 42% (inkl. Kirchensteuer und Soli sind das rd.47%) erst ab einem zu versteuernden Einkommen von € 60.000 anstatt von rd. € 53.000 berechnet werden. Das würde dann etwa der Situation von 1958, also vor 59 Jahren wieder entsprechen. Nur haben sich die Einkommen und die Inflation so entwickelt, dass nunmehr der Spitzensteuersatz bei einem zu versteuernden Einkommen von rd. € 1,5 Mio erst berechnet werden dürfte.

Machen wir uns nichts vor. Die Politiker aller Couleur – selbst begünstigt durch steuerfreie  Gehaltsanteile und zahlreiche Begünstgungen, wovon der Bürger nur träumen kann  – denken nur an Steuererhöhungen und wenn sie woanders Steuern – im geringen oder für den Bürger kaum bemerkbaren Maße – senken, holen sie es sich woanders und dann noch im größerem Ausmaß wieder herein.

Letztlich ein Spiel mit Verdummungsfaktor.

9. Juli 2017

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch www.emde-fiveko.de

 




Orclass- weitere Reaktionen

Ein Leser und Kommentator dieses Blogs äußerte sich zu orclass nicht sehr schmeichelhaft. Zwecks Vermeidung irgendwelcher anwaltlichen Reaktionen sei nur auf soviel hingewiesen, dass nach dessen Meinung die website von orclass kopiert worden wäre und der website eines Vermögensverwalters entspräche.

Auch hier zwecks Vermeidung von (Schleich)Werbung, habe ich die web-Adresse dieses Vermögensverwalters hier nicht aufgeführt.

Solche Reaktionen sollten den Investor aber noch mehr zur Vorsicht bei orclass ermahnen.

2. Juli 2017

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”