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Thyssen-Krupp-Husten

Die Namen Thyssen und Krupp standen in Deutschland für solide Industrieunternehmen und waren u.a. das Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Globale Veränderungen in der Welt, ausgehend von China, welche die Welt mit billigen Stahl überschwemmt haben, machten aus zwei ehemals starken und selbstständigen Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen. Und selbst dieses angeblich durch Synergien gestärkte Unternehmen (typisches Rede-Bla-Bla der Unternehmungsberatungsgesellschaften) hat dieses nun an den Rand des Zusammenbruchs gebracht.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig und reichen von signifikanten Managementfehlern bis hin zu einer weiter verschärften Konkurrenzsituation und somit Verfall der Stahlpreise.

Ganz deutlich wird dies mit einen Blick in die Konzern-Bilanz und -GuV per 30.9.2019 (Jahresziffern). Bei einem Umsatz von € 41,996 (Vj. 41,534) Mrd. musste ein Jahresfehlbetrag von € 260 (Vj. 12) Mio. ausgewiesen werden. Bei einer Bilanzsumme von € 36,475 (Vj. 34,426)Mrd. reduzierte sich das Eigenkapital  auf € 2,22 (Vj. 3,20) Mrd.=EK-Quote  6,3(Vj. 9,3 )%. Dem gegenüber stehen auf der Aktivseite immaterielle Vermögenswerte von € 4,844 Mrd., davon wurden nur € 2,8 Mrd. als wesentliche Firmenwerte ausgewiesen, wovon allerdings nur € 1,457 Mrd als werthaltig analysiert werden können.

Betrachtet man dann noch das Thema Pensionsrückstellungen, welche mit € 8,947(Vj. 7,838) Mrd. passiviert wurden (Erhöhung mit € 1,142 Mrd aus Neubewertungen), hierzu aber Anwartschaftsbarwerte von € 11,067 Mrd. gegenüberstehen, kann man die Brisanz in diesem Zahlenwerk erahnen. Presseberichte sprechen von einem praktisch nicht mehr vorhandenen Eigenkapital. Verstärkt wird dieses unwohle Gefühl dann noch mit einem Blick auf die langfristigen Finanzschulden in Höhe von insgesamt € 6,529 Mrd., welche sich mit € 5,922 Mrd. nahezu aus Anleihen zusammensetzen. Dadurch wird klar, dass sich die Kreditinstitute, welche den besten Einblick in das Zahlenwerk an sich haben, mit nur noch € 118 Mio. engagiert sind und sich aus diesem Kreditengagement somit schon zurück gezogen haben. Es ist doch so schön, alle Risiken auf die Anleihegläubiger abzuwälzen.

Im I. Quartal (vom 1.10.2019 bis 31.12.2019) hat sich die die Situation von Thyssen – Krupp noch weiter verschlechtert. Hier die Zahlen der EBIT`s der Segmente:

.                                                    2018/19       2019/20          Veränderung in%

Automobiltechnik                            9              -78                   in % ?

Komponentenfertigung                 42              43                      +2,4%

Aufzüge                                       199           207                   +4%

Anlagentechnik                              -37             -19                  ca. -50%

Werkstoffhandel                             22              11                     – 50%

Stahl Europa                                    34           -166                   in % ?

Zentralverwaltung                         -74           -103                   in % ?

Konsolidierung                               -12             -10

Konzern:                                    181           -115

Um aus dieser bilanziellen und Ertrags-Bredouille herauszukommen, hat man sich nun entschlossen, den ertragreichen Aufzugsbereich, die Cash-Cow des Unternehmens, zu verkaufen. Dies ist geglückt mit einem Verkaufspreis von € 17,2 Mrd., welcher aber zu einem Großteil in die Ausgliederung der Pensionsrückstellungen und zur Bedienung der Finanzschulden (nach Steuerzahlungen?) fließen sollen, so dass für notwendigen Rationalisierungsinvestitionen, welche die Ertragsfähigkeit verbessern sollen, kaum mehr etwas übrig bleiben wird.

Es bleiben daher mit Blick allein auf das vergangene I.Quartal, welches ohne das Segment Aufzüge einen Quartalsverlust von ca. € 320 Mio. hätte ausweisen müssen, enorme Zweifel an der künftigen Ertragsfähigkeit des Thyssen-Krupp-Unternehmens.

Dies dürfte auch der Grund für die grottenschlechten Ratingeinstufungen der Rating-Agenturen in „Speculative Grade (Non Investmentgrade) sein. Moody`s  hat B1 vom 17.2.2019 (bei 18 möglichen Stufen ist B1 Platz 14) und S & P mit BB- (Platz 13). Diese Ratings wurden vergeben, obwohl schon der Verkauf der Aufzugssparte so gut wie feststand.

Wie sich diese Bonität in der immer mehr hochschaukelnden Corona-Krise entwickeln wird, bleibt abzuwarten, dürfte sich aber nicht unbedingt positiv auswirken. Zu befürchten bleibt, dass aus diesem Husten ein hochgradiges Fieber entstehen wird.

Größtes Problem wird für die Zulieferer von Thyssen-Krupp entstehen. Vorauszahlungen sind daher hier angesagt, sollten die Warenkreditversicherer das Thyssen-Krupp-Risiko nicht mehr absichern wollen. Für die Anleihegläubiger ist höchste Vorsicht geboten. Es ist nicht auszuschließen, dass auch hier Instrumentarien – wie bei der Scholz- und ähnlichen Anleihen – angewandt werden nur mit dem Ziel, die Anleihegläubiger über den Tisch zu ziehen.

Die Übernehmer der Aufzugssparte sind mal wieder Finanzinvestoren, hier  Cinven, Advent und die Essener RAG Stiftung, welche nach diversen Presseberichten den Kaufpreis zu nicht unerheblichen Teilen fremdfinanzieren müssen. Wie das abläuft und wie das Ergebnis sein wird ist meines Erachtens klar. Die Kredite werden über eine neu zu gründende Holding aufgenommen, welche die Aufzugssparte dann letztlich finanzieren muss.

Dieses alte Muster, d.h. der Übernommene muss seinen Kaufpreis selber bezahlen, wird zu Personalfreisetzungen führen und spätestens nach 5 Jahren, wenn der Übernommene ausgelutscht ist, wir es an andere Finanzinvestoren übergeben zu einem noch höheren Preis, dies führt dann zu weiteren Personalfreisetzungen  usw. usw. bis das Unternehmen vollkommen ausgelutscht in die Insolvenz gehen muss. Beispiele gibt es hierfür zuhauf.

3. März 2020

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”




Tesla und die Tomaten

…auf den Augen der Investoren.

Es ist schon erstaunlich, wie sich einige vermeintliche Experten zu Tesla in einer fast übergöttlichen Sympathie äußern und dann das Ganze damit beschließen, dass Sie von den Zahlen und Fakten von Tesla überzeugt sind. So Herr Frank Thelen, ein ehemaliger Juror der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ , in seinem Gastkommentar  im Handelsblatt vom 24. Januar 2020.

Tesla ist ein Batterie basiertes Auto, d.h. der Elektromotor wird von einer aufladbaren Batterie angetrieben, die nach einem gewissen Verbrauch wieder aufgeladen werden muss. Wir haben jetzt allein in der Bundesrepublik ca. 54 Millionen PkW`s (andere Zahlen sprechen von 47 Millionen), davon sollen nach dem Willen der Bundesregierung zunächst nur 1 Million PkW`s die Straßen in Deutschland befahren.

Jetzt stellt sich zunächst die Frage, ob wir genügend Strom für die Aufladung von nur 1 Million PkW`s zur Verfügung haben. Hierzu möchte ich auf Herrn Prof. Lesch, bekannt aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Fernsehsendungen (darunter Lex Cosmos und Terra X), verweisen, der dies wie folgt beantwortet hat:

Jedes Auto zieht pro Aufladung 350 kW x 1 Million PkW`s = 350 Gigawatt, die permanent vorgehalten werden müssten. Das gesamte deutsche Stromnetz hält aber nur 68,5 Gigawatt vor.

Allein ein 54stigstel oder 47igstel der PkW`s in Deutschland würde schon das deutsche Stromnetz total überfordern. Man mag sich nicht ausdenken, was mit dem deutschen Stromnetz passieren würde, wenn 2, 4 oder 10 Millionen Elektrofahrzeuge die Straßen in Deutschland bevölkern und meistens über Nacht aufgeladen werden. Oder gedacht in europäischen Dimensionen, sämtliche Kraftwerke wären nicht in der Lage diesen Strom zu produzieren, es käme zu Blackouts.

Allein diese elementare, strukturelle und notwendige, aber fehlende Basis lässt schon erhebliche Zweifel an der Zukunftsfähigkeit von Elektrofahrzeugen aufkommen.

Weiteres Thema Reichweite. Tesla stellt auf Ihrer Homepage nur 6 unterschiedliche Fahrzeuge mit unterschiedlichen Reichweiten vor (und mit diesem mageren Produktprogramm ist Tesla deutlich wertvoller als VW oder Daimler oder BMW, man fasst es nicht!!!).

Das Model 5 soll über eine Reichweite von 610 km, das Model 3 von 530+ km, das Model X von 507 km, das Model Y von 505 km, der Roadster von unglaublichen 1.000 km und der als Panzer gebaute Cybertruck (kann in Deutschland nicht zugelassen werden) enthält keine Reichweitenangabe, ist vermutlich nur ein Marketing-Gag.

Wenn ich mir die Stress-Berichte der mir bekannten Tesla-Fahrer anhöre, muss ich  sehr große Zweifel an diesen Reichweitenangaben hegen und wäre Anlass für das Verkehrsbundesamt, diese Angaben – ähnlich wie beim Dieselskandal – zu überprüfen. Probleme sehe ich grundsätzlich im Winter für die Leistung der Batterie, es sei denn, man verfügt über eine geheizte Garage (wie beheizt, klimaneutral?), und somit auch für die Reichweite, es sei denn, man schaltet die Heizung, Radio und das Licht aus und verzichtet im Sommer auf die Klimaanlage.

Wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, ist die Batterietechnik noch weit von den Reichweiten der Verbrennungsmotoren entfernt. Die jetzigen Batterien kommen ohne Kobalt, welches mit viel Energieaufwand und unter prekären Verhältnissen gefördert werden muss (Energiebilanz?), kaum aus. Die Kobalt freie Eisenphosphat-Variante gibt es zwar schon lange, wurde aber bisher im Niedrigpreissegment in China eingesetzt und bringt nicht die Reichweitenleistung wie die Kobalt basierte Batterie. Tesla soll sich daher diesbezüglich mit einem chinesischen Batteriehersteller in Verhandlung befinden, genaues weiß man aber nicht.

Nächstes Thema Digitalisierung. Wie ich aus einem Gastkommentar des Handelsblattes (21.2.2020) von Stephan Noller (Digitalunternehmer) mit dem Titel „Von Tesla für die Digitalisierung lernen“ erfahren konnte, fand man in den Tesla-Fahrzeugen eine vor allem elaborierte und extrem leistungsfähige Dateninfrastruktur. Die hohe Anzahl von Sensoren würde erhebliche Mengen von Daten erzeugen, die permanent in die Tesla-Cloud hochgeladen werden. Eine leistungsfähige KI (Künstliche Intelligenz)-Schaltzentrale wäre wiederum in der Lage, riesige Datenmengen in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten und intelligente, datengetriebene Entscheidungen zu treffen. Tesla verfolge eine Datenstrategie, und das physische Auto wäre teilweise fast nur noch ein Objekt, um diese Datensphäre zu ermöglichen.

Hoppla, habe ich mich dabei gefragt. Geht es jetzt um das Auto oder um die Erlangung von Daten? Ist das Tesla-Auto eine Errungenschaft der Mobilität oder eine Alexa auf vier Rädern, nur geschaffen zu dem Zweck, ein wertvolles Bewegungsprofil zu generieren und zu erstellen zwecks Verkauf an die Wirtschaft, so wie es Google, Facebook, Master- und Visacard usw. täglich machen?

Erklärt wird das mit dem autonomen Fahren, dessen Umsetzung meines Erachtens aber sehr fraglich aufgrund des extrem komplizierten Umfeldes ist, lässt sich damit aber auch gut verkaufen.

Letztes Thema, die Zahlen von Tesla. Erst kürzlich hat man wieder gejubelt, weil Tesla in den letzten zwei Quartalen einen Gewinn ausweisen konnte. Per September 2019 waren es US$ 150 Mio. und per Dezember 2019 US$ 132 Mio. (Gesamtverlust in 2019 aber immer noch US$ 775 Millionen), zusammen also US$ 282 Mio. Allerdings findet man auf der Passivseite der Bilanz eine Position „deferred revenue“ (übersetzt: verzögerte Umsätze = Rückstellung) in Höhe von 1,207 Milliarden US$, welche vom 31.12.2018 auf den 31.12.2019 um US$ 216 Millionen angewachsen war und somit 77% des Gewinns der letzten beiden Quartale ausmachen.

Diese Rückstellungs-Position „deferred revenue“  basiert auf ein Versprechen von Herrn Musk, ein ertragreiches IT-update einzuführen, welches aber erst noch entwickelt werden muss. Das ist weiche Bilanzierung der höchsten Kategorie und lässt vermuten, dass die gesamte Bilanzierung von Tesla auf eine maximale Dehnung aller möglichen weichen Auswahlmöglichkeiten basiert, somit keine harten Zahlen darstellen und erhebliches Verlustpotenzial beinhalten. Hält Herr Musk sein Versprechen nicht ein, müsste diese Rückstellung ertragswirksam aufgelöst werden mit der Folge eines evtl. hohen Verlustausweises.

Des Weiteren befinden sich „unter dem Strich“ erhebliche Eventualverbindlichkeiten von US$ 11,739 Milliarden, zusammen mit den passivierten Verbindlichkeiten von US$ 26,199 Milliarden sitzt Tesla letztlich auf US$ 37,938 Milliarden Schulden , bei einem Eigenkapital unter Abzug der „goodwills“ von  US$ 5,503 Milliarden (= 14,5%).

Und ein solches Unternehmen, welches teilweise noch in Zelten produzieren soll und jährlich immer noch hohe Verluste schreibt, hat nach dem Börsenkurs einen Wert von US$ 165,7 Milliarden, also mehr als VW und Daimler zusammen oder nahezu so viel wie VW, Daimler und BMW zusammen. Das ist irrational und basiert auf äußerst vagen Visionen mit erheblichen Fragezeichen.

Herr Frank Thelen lobte Herrn Musk für seine wohl weltbeste Marketingabteilung, die letztlich diesen hohen Börsenkurs mit heißer Luft nach oben katapultiert hat. Das ist vielleicht auch der Grund für diesen hohen Börsenkurs, man kann so etwas auch als Schaumschlägerei bezeichnen. Lässt man die Wirtschaftsgeschichte Revue passieren, stellt man leider immer wieder fest, dass eine solche Schaumschlägerei den Investoren, die vor lauter $-.Zeichen in den Augen den gesunden Menschenverstand verloren habe, erhebliche Verluste zu verzeichnen hatten.

Für mich völlig unverständlich ist die Kehrtwendung von VW in Richtung  einer alleinigen Produktion von E-Autos. Herr Dies steht nach Presseberichten in sehr guten Kontakt zu Elon Musk und hat sich vermutlich von seinem Charisma  – wie auch viel andere – einfangen lassen. Hoffentlich geht das gut.

2. März 2020

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”