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Bonitätsanleihen: Fortsetzung

Im Handelsblatt konnte man in der letzten Woche am 31. August 2016 und am 1. September 2016  zwei Kommentare zum Thema „Bonitätsanleihen“ lesen.

Den ersten Kommentar verfasste Herr Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale- Bundesverbandes mit der Schlagzeile „Entlarvende Reaktion“ und einen Tag darauf den zweiten  Herr Christian Vollmuth, Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbands mit der Schlagzeile „Ideologischer Feldzug“.

Während sich der Verbraucherschutz im Wesentlichen über Zuwendungen der Länder, Kommunen und des Bundes finanziert, dieser Institution somit eine relativ objektive Haltung zu allen zum Verkauf stehenden Produkten und somit auch zu Finanzprodukten  unterstellt werden kann, finanziert sich der Deutsche Derivate Verband aus Beiträgen der Mitglieder, welche mit Derivaten u.a. ihre Erträge generieren. Somit hat dieser Verband – ein besseres Wort wäre Lobbyist – ein äußerst veritables Interesse am Wachstum  des bereits jetzt schon aus allen Fugen geratenen Derivatemarktes mit allen seinen Ausprägungen, welcher letztlich als Schmiermittel der letzten Finanzkrise bezeichnet werden kann.

Herr Müller führte auf, dass die Lebensmittelbranche nicht auf die Idee käme, das Gesundheitsamt zu kritisieren, wenn ein Salmonellen verseuchtes Fertigprodukt aus dem Regal genommen würde. Im Finanzmarkt würden aber die Uhren anders ticken, nachdem die Bafin aus Gründen des Anlegerschutzes die Produktklasse der Bonitätsanleihen  verbieten will. Harsche Reaktionen der Finanzbranche waren die Antwort (siehe Beitrag in diesem Blog  „Bafin wacht bei Bonitätsanleihen auf“ vom 1.8.2016 und einen Tag davor „Bonitätsanleihen“ , in welcher die Funktion der Bonitätsanleihen dargelegt wurde).

So auch von Herr Christian Vollmuth in seinem oben erwähnten Kommentar, in dem er  behauptete, dass es „schlicht falsch wäre, Bonitätsanleihen  generell als schädlich abzustempeln“. Eigentlich hätte ich jetzt von ihm erwartet, dass er als Verbandsvertreter die Funktionsweise einer Bonitätsanleihe erläutert hätte und warum diese geschaffen worden sind. Kurzer Hinweis: Damit sichern die Banken iohr entsprechendes Kreditrisiko ab. Nichts davon war aber nachzulesen, vielmehr verwies er – wie soll es auch anders sein – darauf, dass „ im jetzigen Zinsumfeld  dieses Finanzprodukt für viele Verbraucher eine echte Anlagealternative wäre, um überhaupt noch eine Rendite zu erzielen“. Also die alte Renditeleiher, womit für CDS, subprimes und viele andere Schrott-Anlagen schon geworben wurde, die letztlich zu einem verlustreichen Erwachen geführt haben.

Skandalös ist allerdings der Vergleich des Herrn Vollmuth mit direkten Anlagen wie Aktien und Unternehmensanleihen, welche er ebenfalls mit Wetten gleichsetzte. Hierbei vergisst er allerdings, dass man bei direkten Anlagen die Bonität verifizieren kann, um zu entscheiden, ob man dieses Bonitätsrisiko eingehen will.

Bei Bonitätsanleihen geht ist das nicht der Fall, vielmehr geht man drei Risiken, nahezu vier Risiken ein.

Bonitätsrisiko 1.) Das Emittentenrisiko, d.h. da Banken diese Bonitätsanleihen auflegen, besteht ein erhebliches Bankenrisiko. Bankbilanzen sind alles andere als transparent und haben eine äußerst kryptographische Natur, die selbst deren Wirtschaftsprüfer nicht mehr verstehen. Dazu hat im Übrigen das gesamte Instrumentarium der Derivate beigetragen. Anzumerken wäre noch, dass  die meisten Banken in Deutschland Mitglieder des Deutschen Derivateverbandes sind, womit die harsche und polemische Kritik von Hern Vollmuth verständlich ist.

Bonitätsrisiko 2 das Risiko des Referenzschuldners. Komischer Weise sind viele dieser Referenzschuldner Unternehmen, deren Bonität durch eine vergangene oder auch zukünftige Geschäftspolitik in Zweifel gezogen werden kann. Ich erwähne hier nur VW (Dieselgate), Deutsche Bank (7.000 Rechtsfälle) und leider auch Bayer, welche aufgrund mit ihrer geplanten und  völlig überzogene Monsanto Übernahme mit einem erheblichen Bonitätsverlust leben werden muss (siehe hierzu nochmal den Beitrag „Bonitätsanleihen“ oder „Bayer Übernahme Wahnsinn“ vom 26.5.2016 in diesem Blog)

Bonitätsrisiko 3, die Ausgestaltung  der Messung einer solchen Bonität. Wie soll ein Privatableger eine Bonitätsverschlechterung nachvollziehen können, wenn selbst die Banker nicht wissen, wie sich ein Unternehmensrating zusammensetzt, bzw. wo dieses herkommt, wer dieses pflegt und welche Daten (welcher Zeitraum)  dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung zugrunde liegen. Hinzu kommt noch die für die meisten Privatanleger nicht durchschaubare juristische Ausgestaltung einer solchen Bonitätsanleihe, insbesondere wenn diese auch noch in Luxembourg aufgelegt worden ist mit Zahlstelle in Österreich oder sonst wo auf der Welt. Auch dies müsste der Jurist Vollmuth eigentlich bekannt sein.

Kurzum, Herr Vollmuth ist ein Lobbyist und somit sein Kommentar auch entsprechend zu werten. Auch seine Frage, wie weit die Bevormundung von Verbrauchern gehen soll, ist dann so der letzte Rettungsanker in seiner polemischen Argumentationskette. Wir leben nicht im Urwald und in der totalen Freiheit. Wir haben ein BGB und viele andere Gesetze, die Straßenverkehrsordnung oder u.a. das Arzneimittelgesetz, welches die Bürger vor giftigen Substanzen schützt.  Nur für diesen strukturierten Finanzprodukt-Krimskrams gibt es noch keine Gesetze, welches aber schleunigst nachgeholt werden muss.

Komplexe Derivate stellen Wetten dar, allerdings mit ungleichen Wettpartnern. Während der Derivateproduzent die Risiken kennt und diese absichern will  u.a. über Zertifikate, werden dem Anleger diese Risiken verschwiegen unter dem Deckmantel „Chancen und Risiken“. Solche Produkte sollten daher für den unbedarften Privatanleger grundsätzlich aus dem Verkehr gezogen werden.

Abschließend meinte Herr Vollmuth noch, dass „ein verantwortungsvoller Verbraucherschutz einen Markt verbessern und gestalten und ihn nicht nur zerstören sollte“. Daran kann man aber sehen, in welcher anderen Welt dieser Derivate Verband lebt. Wer hat denn die Finanzkrise verursacht, an der Europa immer noch zehrt? Das war die Gier, welche das gesamte Derivateinstrumentarium gefördert und gepflegt hat. Nicht umsonst sagen bezeichnen bekannte Wirtschaftslenker die Derivate als Massenvernichtungswaffen. Sie handeln mit Alem und Nichts, heiße Luft eben.

3. September 2016

Elmar Emde

Autor des Buiches “Die strukturierte Ausbeutung”

siehe auch www.emde-fuveko.de