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Zertifikatecrash?

Betrachtet man die Dax-Kurve der letzten  Wochen, insbesondere der letzten 14 Tage, so fallen einem stark fallende, aber auch wieder stark steigende Zacken = Kurven auf, und das in der Urlaubszeit, in welcher die Handelsaktivitäten traditionell eingeschränkt sind.  Begründet wird das mit der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in China, diese war aber schon seit Monaten bekannt.

Warum aber nun diese hektischen Kurven nach oben und nach unten? Wurden damit Interessen der Finanzwirtschaft begünstigt oder benachteiligt?

Es scheint mir, dass damit sich ein Spiel fortsetzt, welches beim Euribor, beim Devisenhandel und vielen anderen Handelsbereichen / Indices bereits offensichtlich geworden war. Mit diesen hektischen Bewegungen wird ein Marktsegment der Emittenten begünstigt, die mit solchen hektischen Bewegungen nach oben und nach unten eine Menge Geld verdienen.

Es ist der riesige Markt der Zertifikate. Ich möchte hierbei auf meine Ausführungen in diesem Blog unter „STRUKTURIERTE FINANZPRODUKTE“ , Rubrik  Z   verweisen, in welchem ich dieses Anlagesegment sehr kritisch kommentiert habe.

Zertifikate sind Wettscheine und mit so genannten Barrieren versehen,  insbesondere bei Bonus- Zertifikaten, d.h. Kursober- und Kursuntergrenzen, welche bei Erreichen dieser Grenzen meistens negative Auswirkungen für die Besitzer der Zertifikate haben.

Jetzt gibt es im Bereich der Zertifikate-Welt unzählig viele Strukturen und Barriere Bestimmungen, welche bei Erreichen dieser Barrieren entweder den Bonus wegfallen lassen oder im worst case bei Hebel- oder Turbozertifikaten sogar das eingesetzte Kapital des Anlegers ins Nirwana verschwinden lassen.

Was liegt also näher, als diese Barrieren erreichen zu lassen und das mit dem Segen der gesamten Zertifikate-Community.

Lt. Handelsblatt wurden nach Angaben der Börse Stuttgart von den rund  60.000 gelisteten DAX – Bonuszertifikaten bei etwa 10.000 Papieren die Barriere gerissen, d.h. die Inhaber solcher Zertifikate mussten Verluste in unterschiedlichsten Ausprägungen erleiden. Genannt wurden Zertifikate der Commerzbank und der UBS, letztlich dürften aber alle Zertifikate aller Banken davon betroffen sein.

Das war jetzt nur die Börse Stuttgart, der m.W. größte Handelsplatz in Deutschland für solche Wettscheine. Potenziert man das auf ganz Deutschland, Europa, die Wallstreet und damit die USA sowie auf die asiatischen Börsen, welche ebenfalls diesen Sog erlebten, bleibt zu befürchten, dass die Finanzindustrie mit diesem weltweiten Aktiencrash wieder richtig große Kasse machen konnte. Das Gefühl einer breit angelegten Manipulation macht sich breit.

Fazit: Der Verkauf von solch komplexen Wertpapieren ist Bestandteil der neuen Geschäftspolitik der Banken, da das „bread- and butter-business“ der Banken die EZB tot gekauft hat zum Wohle eines neuen Finanzsystems auf der Basis eines räuberischen Investmentbankings (Anmerkung: die Strukturierung von Zertifikaten ist Teil des Investmentbankings)

6. September 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

 




Zinsswaps

Zinsswaps:

Bei langfristigen Finanzierungen der Unternehmen bieten die Banken statt festen Zinssätzen für die gesamte Laufzeit sehr gerne Zinsswaps an mit der Begründung, dass es sich hier auch um einen Zins – Festsatz handelt, aber nur in synthetischer Form.

Dass dies nicht der Fall ist, ergibt sich mittlerweile aus dem Kredithandling der Banken, die Kreditzinsen von der Bonität des Kreditnehmers und somit vom jeweiligen Ratingsystem abhängig zu machen.

Ein Zinsswap baut auf drei Bausteinen auf (Beispiel dargestellt mit Zinssätzen der Vergangenheit):

1. Baustein: Das Grundgeschäft:

Beim Grundgeschäft  handelt es sich bspw. um einen Tilgungskredit mit einer variablen Verzinsung auf Basis des Euribor Zinssatzes, nehmen wir hier den 3 Monats Euribor Zinssatz, auf den dann die vereinbarte Bankmarge hinzu addiert wird.

Kalkulation Grundgeschäft Darlehen € 2 Mio. /Zinssatz 3 M Euribor + Marge / Zinsberechnungsmethode act / 360
Darlehensbetrag Periodenbeginn Periodenende Tage 3M Euribor in % Bankmarge in % Zinssatz insges.       in % Zinsbetrag/ Zinsaufwand
2.000.000 28.06.11 28.09.11 92 1,534 1,75 3,28 -16.784
2.000.000 28.09.11 28.12.11 91 1,500 1,75 3,25 -16.430
1.335.000 28.12.11 28.03.12 91 1,450 1,75 3,20 -10.798
1.335.000 28.03.12 28.06.12 92 1,400 1,75 3,15 -10.746
1.335.000 28.06.12 28.09.12 92 1,400 1,75 3,15 -10.746
1.335.000 28.09.12 28.12.12 91 1,420 1,75 3,17 -10.697
670.000 28.12.12 28.03.13 90 1,480 1,75 3,23 -5.410
670.000 28.03.13 28.06.13 92 1,500 1,75 3,25 -5.564
670.000 28.06.13 30.09.13 94 1,550 1,75 3,30 -5.773
670.000 30.09.13 31.12.13 92 1,600 1,75 3,35 -5.735
917 insgesamt -98.689

2.Baustein: (Teil des Zinsswaps):

Rückzahlung der angefallenen Euribor-Zinsen (ohne Bankmarge) durch die Bank. 

Darlehensbetrag Periodenbeginn Periodenende Tage Fester Zinssatz         in % Tage Zinsbetrag
2.000.000 28.06.11 28.09.11 92 1,48 92 -7.564
2.000.000 28.09.11 28.12.11 91 1,48 91 -7.482
1.335.000 28.12.11 28.03.12 91 1,48 91 -4.994
1.335.000 28.03.12 28.06.12 92 1,48 92 -5.049
1.335.000 28.06.12 28.09.12 92 1,48 92 -5.049
1.335.000 28.09.12 28.12.12 91 1,48 91 -4.994
670.000 28.12.12 28.03.13 90 1,48 90 -2.479
670.000 28.03.13 28.06.13 92 1,48 92 -2.534
670.000 28.06.13 30.09.13 94 1,48 94 -2.589
670.000 30.09.13 31.12.13 92 1,48 92 -2.534
917 insgesamt -45.270

 

  1. Baustein: (Teil des Zinsswaps):

Die Bank berechnet einen festen Zinssatz, der deutlich unter dem derzeit gültigen liegt und auf dem Swapmarkt  zum dann gültigen Festsatz refinanziert/eingekauft wird und in der Regel mit einer Marge für die Bank versehen ist.

Darlehensbetrag Periodenbeginn Perioden ende Tage Fester Zinssatz         in % Tage Zinsbetrag
2.000.000 28.06.11 28.09.11 92 1,48 92 -7.564
2.000.000 28.09.11 28.12.11 91 1,48 91 -7.482
1.335.000 28.12.11 28.03.12 91 1,48 91 -4.994
1.335.000 28.03.12 28.06.12 92 1,48 92 -5.049
1.335.000 28.06.12 28.09.12 92 1,48 92 -5.049
1.335.000 28.09.12 28.12.12 91 1,48 91 -4.994
670.000 28.12.12 28.03.13 90 1,48 90 -2.479
670.000 28.03.13 28.06.13 92 1,48 92 -2.534
670.000 28.06.13 30.09.13 94 1,48 94 -2.589
670.000 30.09.13 31.12.13 92 1,48 92 -2.534
917 insgesamt -45.270

 

Um nun den endgültigen Zinssatz für dieses Darlehen über die drei Bausteine des Zinsswaps ermitteln zu können, müssen die Zinsbelastungen und Zinsvergütungen zusammen addiert werden und aus der addierten Summe der Zinssatz mit Bezug auf die Kreditsumme berechnet werden:

Kreditbetrag Zinsaufwand  Grundgeschäft Zinsvergütung Rückzahlung Euribor Zinsen Zinsbelastung aus (Swap) Festsatz Zinsbelast-ung insgesamt Zinssatz in %
2.000.000 -16.785 7.840 -7.564 -16.509 3,23
2.000.000 -16.431 7.583 -7.482 -16.329 3,23
1.335.000 -10.799 4.893 -4.994 -10.900 3,23
1.335.000 -10.747 4.776 -5.049 -11.020 3,23
1.335.000 -10.747 4.776 -5.049 -11.020 3,23
1.335.000 -10.697 4.792 -4.994 -10.900 3,23
670.000 -5.410 2.479 -2.479 -5.410 3,23
670.000 -5.565 2.568 -2.534 -5.530 3,23
670.000 -5.773 2.712 -2.589 -5.651 3,23
670.000 -5.736 2.740 -2.534 -5.530 3,23
insgesamt -98.689 45.160 -45.270 -98.799 3,23

 

Aus dieser Darstellung wird klar ersichtlich, dass – egal wie sich der Euribor verändert – der endgültige Zinssatz bei 3,23% verbleibt, dieser sich somit aus der Kreditmarge des Grundgeschäftes über 1,75% zuzüglich des Swap-Festsatz über 1,48% ergibt = 3,23%.

Verschlechtert sich nun die Bonität des Kreditnehmers aufgrund des Rating-Ergebnisses und die Bank verlangt aufgrund ihrer Kalkulationstools eine höher Kreditmarge im Grundgeschäft, angenommen auf 2%, erhöht sich somit der angebliche Festsatz auf 3,48%.

Die Ratingsysteme der Banken sind jedoch sehr unterschiedlich. Auch ist nicht bekannt, wer dieses Ratingsystem erstellt hat, auf welche statistischen Informationen zurückgegriffen werden, wie und wo (London oder New York?) es gepflegt wird und ganz wichtig, ob die abgegebenen Informationen vom Bankbetreuer richtig interpretiert und in die entsprechenden Fragebögen eingegeben wurden.

Insofern besteht hier ein erhebliches Unsicherheitspotenzial neben dem Blick auf die künftige Entwicklung des Unternehmens.

Allerdings kann ein Zinsswap bei stabiler und sich verbessernder Unternehmensbonität (Senkung Kreditmarge im Grundgeschäft) sowohl über erhebliche (flexible) Vorteile als auch Nachteile verfügen und zwar über seinen Wert.

Der Zinsswap ist ein vom Grundgeschäft völlig losgelöstes, aber zum Grundgeschäft nur parallel geschaltetes Zinsgeschäft, letztlich ein Recht, welches separat bewertet werden kann.

Wird der Kredit des Grundgeschäftes nicht mehr benötigt  und kann er aufgrund seiner variablen Verzinsung aufgelöst werden, kann ein solcher dann übrig gebliebener Zinsswap verkauft werden. Besteht zum Zeitpunkt des Zinsswapsverkaufs ein höheres Zinsniveau als bei dessen  Abschluss, erhält dieser Zinsswap aufgrund der positiven Zinsspanne (Einkauf erfolgte zu einem niedrigeren Zins) gerechnet auf den Kredit einen positiven Wert.

Allerdings kehrt sich dieser flexible Vorteil in einen Nachteil um, wenn zum Zeitpunkt des Zinsswapverkaufs das Zinsniveau  niedriger ist als beim Kauf aufgrund der dann eingetretenen  negativen Zinsspanne (Einkauf erfolgte zu einem höheren Zins) zum Kredit.

Diese Werte müssen in den Bilanzberichten ausgewiesen werden, erfordern evtl. Zusatzkosten des Wirtschaftsprüfers und können bei erheblichen negativen Werten zu gewissen Irritationen bei den Kreditgesprächen mit den Banken führen.

Für die Banken hat ein Zinsswap den Vorteil, dass dieser eingekaufte Zinssatz an den Kreditnehmer weiter gegeben wird, die Bank somit keine  Refinanzierungsprobleme bei steigenden Zinssätzen hat. Außerdem ergeben sich beim Weiterverkauf an den Kreditnehmer nicht unbedeutende Margengewinne, dieses Geschäft ist somit lukrativ.

Fazit:

Da in den letzten Jahren die Zinsen tendenziell gefallen sind, weisen die meisten Zinsswaps derzeit negative Werte aus. Ob jetzt mit Blick auf eine positive Wertentwicklung eines Zinsswaps der richtige Zeitpunkt für den Abschluss eines solchen ist, muss offen bleiben, da keiner sagen kann, wohin die Zinsen noch gehen (japanische Verhältnisse?). Besser wäre daher bei Investitionen eine feste Kalkulationsgröße, welche man über einen festen Zinssatz erhält, zumal die „Zinsswap-Festsätze“ größtenteils höher sind aufgrund der damit argumentierten Flexibilität.

November 2014

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Zertifikate

Das Wort „Zertifikat“ vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck, dass dahinter etwas Gutes, etwas zertifiziertes, kurzum etwas seriöses steckt. Nur so kann ich mir erklären, warum so viele Anleger Zertifikate gekauft haben, bzw. sich diese Papiere auf­schwatzen ließen und damit ihr Depot radioaktiv verseucht haben.

Bei einem Zertifikat handelt es sich um einen typischen Wettschein und so müsste er eigentlich benannt werden. Punkt. Man wettet dabei auf gewisse Entwicklungen, geht aber auch die Gefahr bewusst oder unbewusst ein (auch hier abhängig vom Verkäufer), wenn diese Entwicklung nicht eintritt, am Fälligkeitstag weniger oder im worst case nichts mehr zurück zu erhalten, insbesondere bei den so genannten Turbo-Zertifikaten mit extrem hohen Hebeln oder den CFD`s (Contract for Difference), mit denen auf steigende und fallende Kurse spekuliert werden kann oder mit Reverse Zerti­fikaten, bei welchen man beim Erreichen eines bestimmten Punktes (Kurs /­ Dax etc.) sein gesamtes Kapital verlieren kann. Auch hier gibt es eine Vielzahl ähnlich strukturierter Papiere.

Verkauft werden diese Wettscheine mit „Nutzung von Gewinn­chancen“, „sicheren Zinszahlungen und hohen Absturzpuffer“, usw. usw. Der Phantasie der Werbestrategen sind hier keine Grenzen gesetzt. Jedoch keiner beantwortet die Frage, warum diese Zerti­fikate eigentlich kreiert wurden? Eine Antwort darauf kann man immer stereotyp lesen, insbesondere von den Vertriebskolonnen der Banken und den Vertretern des Derivateverbandes, nämlich, dass damit Risiken „abgefedert“, bzw. die Risiken aus dem Depot genommen werden. Es fragt sich nur, welche Risiken aus welchen Depots diese Herren meinen?

Die richtige Antwort darauf ist eine ganz andere.

Pensionskassen, Versicherungen, Banken und alle, die durch Ihr Geschäftsmodell hohe Geldsummen täglich einsammeln, haben ein riesiges Problem, nämlich das Problem der Anlage.

Wenn eine große Versicherungsgesellschaft täglich bis zu € 100 Mio. aus den Beiträgen der Versicherungsnehmer vereinnahmt, müssen diese Gelder irgendwie angelegt werden, sei es auf Festgeldkonten, in Anleihen (überwiegend) oder auch in Aktien der unterschied­lichsten Branchen und Währungen.

Diese Gelder nur auf Festgeldkonten zu parken beinhaltet gerade in der heutigen Zeit bei den hohen Summen ein Bankenausfallrisiko. Somit werden diese Gelder in alle möglichen Anlageklassen angelegt natürlich mit dem Ziel, eine seriöse und dennoch gute Rendite zu erzielen, um den Anforderungen beispielsweise aus der Mindestverzinsungen bei den Lebensversicherungspolicen gerecht zur werden.

Jetzt ist aber nicht jeder Tag ein guter Tag der Anlage aus den unterschiedlichsten Gründen, so dass manchmal Anlagen getätigt werden, die man besser nicht vollzogen hätte.

Aus diesem Grund bedienen sich diese Institutionen der  Wahrscheinlichkeitsrechnungen (siehe entsprechende Rubrik), um herauszu­finden, wie sich dieses oder jenes Wertpapier aufgrund der gegebenen Situation entwickeln könnte. Errechnet diese Analyse eine Wahrscheinlichkeit von x %, dass das eine oder andere Wert­papier diese oder jene Richtung einschlagen wird, emittiert diese Institution oder lässt über eine Investmentbank oder auch über eine Bank u. a. ein Zertifikat kreieren (es gibt hier noch eine Reihe anderer Derivate), welche dieses Risiko abfedert nur mit dem wesentlichen Unterschied, dass dieses erkannte oder analysierte Risiko nicht dem Anleger mitgeteilt wird, sondern in einer juristisch einwandfreien Bezeichnung mit Chance und Risiko, letztlich mit anderen Vorzeichen verkauft wird. Bei einem Rückgang eines Kurses unter einer bestimmten Kursschwelle bekommt im worst case der Anleger je nach Ausgestaltung des Zertifikates nichts mehr, verliert also seinen Wetteinsatz, wogegen der Zertifikat- Emittent zwar dann auch einen Kursverlust hinnehmen muss, aber dann durch die Nichtrückzahlung des vom Anleger eingesetzten und verlorenen Wetteinsatzes entschädigt wird, womit der Wert seines Portfolios trotz Kursrückgang erhalten bleibt.

In einem dem Handelsblatt gegebenen Interview wurde der Chef des honorigen Privatbankhauses Metzler, Herr von Metzler, zum Thema Zertifikate wie folgt befragt:

Handelsblatt:

„Viele Deutsche haben sich statt Aktien mit Zertifikaten angefreundet. Zu Recht?“

Von Metzler:

„Eine sinnvolle Geldanlage braucht keine derart komplizierten Produkte. Das Problem unserer Branche ist, das es noch nie zuvor so viele gut ausgebildete und kreative Mathematiker in den Banken gab. Was die Zertifikate angeht, ist das eher Fluch als Segen“.

In der Welt am Sonntag  konnte man  zum Thema „Zertifikate“ eine positive Berichterstattung nachlesen, wie im Übrigen auch in anderen Tages- und Wirtschaftszeitungen. Unter der Überschrift „Keine Angst vor Zertifikaten“ wird von dem Autor mit dem Satz begonnen „Es ist vertrackt. Ausgerechnet in den Jahren der Finanz­krise hätten Anleger mit Zertifikaten gut abschneiden können“.

Jetzt frage ich mich, woher der Verfasser dieses Artikels, Herr Ralf Andress, diese Information hat? Gibt es eine Statistik hierüber über die hunderttausende von verschiedenen Zertifikaten?

Zum Journalisten, Herrn Andress, muss man aber wissen, dass er sich lt. seiner sehr mageren Homepage vor über 10 Jahren zur Welt der Derivate bekannt hatte, Chefredakteur des Magazins „Der Zertifikateberater“ ist und somit zur Zunft der Befürworter von Zertifikaten eigentlich gehören muss und daher an einer kritischen und objektiven Berichterstattung zu diesem „Anlageprodukt“ kein Interesse haben dürfte.

Des Weiteren wird in seinem Artikel die Frage gestellt, ob Zertifikate (aufgrund ihrer Komplexität) wirklich so schwierig sind?

Damit wurde zu Beginn des Artikels schon eine positive Grund­stimmung, typisch für einen Verkäufer von Finanzprodukten, geschaffen.

Dieser Frage folgte dann der Hinweis, dass Ende November in Berlin zum elften Mal die besten Anbieter mit dem „Zertifikate-Awards“ von der „Welt-Gruppe“ ausgezeichnet wurden. Diese Preise vergab eine 35-köpfige Expertenjury aus Vermögensverwaltung, Wissen­schaft(?), Beratungsdienstleistern und Fachmedien, welche letztlich alle Interesse am Bestand dieses Finanzproduktes und der „Welt“ der Derivate haben, in den Kategorien für Produkte zur Rendite Optimierung.

Der erste Preis ging hierbei an die Deutsche Bank, welche auf der­selben Seite des Pressartikels eine teure Anzeige mit dem Hinweis auf diesen Preis geschaltet hatte.

Der zweite Preis ging an die Commerzbank, welche auf der Seite davor mit dem Presseartikel mit der Überschrift „Besser schalten“ von Daniela Helemann, ebenfalls eine journalistische Vertreterin der derivaten Finanzprodukte, auch eine recht große und sicherlich recht teure Anzeige (Werbung für drei Aktienanleihen) geschaltet hatte. Daniela Helemann erklärte in diesem Artikel die Funktionsweise von Expresszertifikaten, eine der risikoreichsten Zertifikate in einer Art und Weise, welche die Gefährlichkeit eines Vermögensverlustes absolut in den Hintergrund treten ließ.

Herr Andress führte des Weiteren aus, dass die Zertifikate, wenn man genauer hinschaut, erstaunlich leistungsfähig sein sollen und auch relativ leicht zu verstehen seien.

Leider kann man aufgrund der vielen hunderttausend Zertifikate nicht genauer hinschauen, wie die Masse der Zertifikate abgeschnitten hat, so dass man eine solche Behauptung aufstellen, bzw. es an wenigen erfolgreichen festzurren kann. Möglich, dass es positiv laufende Zertifikate gibt, bei denen sich die Investment­banken mit ihren Wahrscheinlichkeitsrechnungen evtl. verrechnet haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die das Risiko eingehende Masse der Anleger aber danebenliegt, dürfte aufgrund der sie kreierenden Wahrscheinlichkeitsrechnungen deutlich höher liegen.

Und was die leichte Verständlichkeit angeht, so empfehle ich jedem Leser, sich einmal die vielen Seiten der Produktbeschreibungen dieser Zertifikate zu beschäftigen, welche teilweise „denglisch“ oder „jurististendeutsch“ verfasst und womit viele Fallen für den normalen Anleger gelegt worden sind.

An diesen zwei Beispielen kann man im Übrigen sehr gut erkennen, wie hier die Presse und die Banken in gewisser Weise Hand in Hand zusammen­arbeiten. Die Banken mit Blick auf eine weitere Verbreitungen einer obskuren Anlageideologie und die Presse mit Interesse an teuren Anzeigen, welche sich hauptsächlich Banken im großen Stil leisten können. Eine ähnliche Entwicklung war auch vor der Finanzkrise zu beobachten, allerdings hat sich dann die Presse, bzw. deren Vertreter nicht mehr an ihre kritiklosen Befürwortungen dieser Entwicklungen erinnert.

In beiden Presseartikeln fehlt der Hinweis auf dahinter stehende Wahrscheinlichkeitsrechnungen und über die ungleiche Wett­partnerschaft, bei der der Anleger saldiert nur verlieren kann. Diesen Hinweis findet man im Übrigen bei keinen Spezialausgaben der großen Tageszeitungen zum Thema „Zertifikate“, was anscheinend immer beliebter wird. Da kommen nahezu nur Banker zu Wort und Finanzprodukthersteller, die vermutlich für diese „redaktionellen Beiträge“ noch entsprechend hohe Beiträge an die jeweilige Zeitung entrichten mussten.

Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass die großen Tages­zeitungen diesen Finanzprodukten mittlerweile doch sehr skeptisch gegenüberstehen und die Fragen bei den abgedruckten Interviews immer kritischer werden. Nur vereinzelte Wirtschaftsredakteure lassen sich anscheinend immer noch von den Presseabteilungen der Banken und dem Glanz und Gloria der rhetorisch versierten Vorstandsvorsitzenden beeindrucken, scheuen sich sogar, diese Herren mit kritischen Fragen aus der Reserve zu locken. Ich bin sicher, dass selbst diese Herrschaften nicht in der Lage sind, ihre derivaten Menüs zu erklären.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

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Goldzertifikate

Bei solchen Papieren ist der Basiswert physisches Gold mit allen möglichen Vereinbarungen, ähnlich wie beim Diskont-Zertifikat. Großen Wert legt man hierbei auf das physische Gold, d. h., das Zertifikat muss durch physisches Gold 1:1 gedeckt sein. Macht man sich aber die Mühe und studiert das entsprechende Verkaufs­prospekt, kann es passieren, dass irgendwann zwischen den Zeilen hinter einem Wort eine kleine Zahl erscheint, welche auf eine Fuß­note am Ende der Seite hinweisen soll. Diese Fußnote ist dann in der Regel relativ klein geschrieben, manchmal muss man sogar eine Lupe bemühen (wie im Übrigen bei vielen Anzeigen der Banken mit solchen Sternchen). In dieser Fußnote habe ich dann den Hinweis vernehmen können, dass statt physischen Golds auch entsprechende Finanzinstrumente eingesetzt werden können, somit wäre dieses Zertifikat dann ein synthetisches, auf Derivate aufgebautes Produkt. Das wäre genauso als würde man geschnetzeltes Rind kaufen, im Kleingedruckten fände man allerdings den Hinweis, dass es auch Rattenfleisch sein kann.

Dies ist jetzt nur eine von vielen Zertifikate-Mechanismen, welche eine Vielzahl unterschiedlichster Schwellen und Bedingungen in den letzten Jahren geboren haben. Zwischenzeitlich gibt es bei einer Tagesproduktion von über 700 neuen Zertifikaten hunderttausende solcher Wettscheine und jeder Wettschein hat individuelle Bedingungen, die letztlich ein jeder Anleger vor Kauf eines solchen Wettscheines studieren müsste. Die Frage ist jedoch dann, wenn er sich die Mühe macht, diese Finanzproduktbeschreibung zu lesen, ob er diese dann auch versteht.

Dem Anleger soll diese Darstellung jedoch bewusst machen, welches Risiko er eingeht und wie ungleich besser der Wettpartner aufgrund seiner Wahrscheinlichkeitsrechnungen und juristischer Begleitung auf der anderen Seite gestellt ist.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

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