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Landflucht, Stadtflucht

Mögliche Immobilienentwicklungen.

Derzeit besteht eine deutliche Flucht der Menschen  vom Land in die Städte. Diese Entwicklung ist überall, insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern, festzustellen mit der Folge dortiger großer Slums.

Triebfeder dieser Entwicklung ist überall die Massierung von Arbeitsplätzen in diesen Städten und damit die Hoffnung vieler Landflüchtlinge, in den Städten Arbeit, Brot und Glück zu finden. Das führt zu einer enormen Ausdehnung der Städte und zu Wohnungsnöten und Lebensräumen, die eingepfercht in anonyme Wohnsilos alles andere als attraktiv sind, dafür aber eine Menge Geld kosten. Das Preis- / Leistungsverhältnis stimmt eigentlich nicht mehr, viele Wohnungen sind menschenunwürdig und entsprechen nicht mehr der Natur des Menschen. Natursehnsucht breitet sich aus und kann in diesen Städten nur nach stundenlangen Fahrten aus den Städten erfüllt werden.

In einer Großstadt kann man die Jahreszeiten nicht mehr „erriechen“. Das Erwachen der Natur im Frühling wird kaum wahrgenommen, ebenso der Geruch des Sommers, Herbst und Winters. Die Luft ist entweder kalt steril oder heiß steril und meistens durchsetzt von Diesel- und Benzingeruch. Das nimmt bei besonderen Wetterlagen sogar gesundheitsgefährdende Ausmaße an, wie jetzt in Peking , Mailand und Rom bzw. auch in anderen europäischen Städten/Metropolen. Paris und Rom mit den engen Innenstadtstraßen sind mir dabei besonders negativ aufgefallen. Hauptsächlich im Sommer erreicht diese Luftverschmutzung auch bundesdeutsche Mittelstädte, welche sich nur noch durch entsprechenden Smogalarm und KfZ-Fahrverbote – wie in den Großstädten – zu retten versuchen.

Die Europäische Umweltschutzagentur (EAU) in Europa schätzt, dass in 2012 über 430.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung starben, Tendenz steigend, weltweit geht die Weltgesundheitsorganisation  WHO sogar jährlich von  7 Millionen Toten aus, ebenfalls Tendenz steigend.

Neben der Luftverschmutzung spielt auch der Lärm, das permanente Rauschen in den Städten als großer Stressfaktor eine große Rolle der Gesundheitsgefährdung. Mit „the city never sleeps“ hat Frank Sinatra New York gemeint, und in der Tat, das dortige pulsierende Leben produziert einen extrem hohen Lärm, dass ein Telefonat mit dem Handy auf den New Yorker Straßen nahezu unmöglich ist.

Ein weiterer, aber nicht zu unterschätzender negativer und gesundheitsgefährdender Faktor ist die Trinkwasserversorgung in den Metropolen der Welt. In New York z.B. schmecken das Wasser, die Cola oder sonstige Cocktails permanent nach Chlor. In den 70er Jahren hatte das Leitungswasser in Frankfurt einen chemischen Beigeschmack, da das Wasser aus den Tiefbrunnen des Rheins gezogen wurde und der Rhein damals die Chemiekloake schlechthin war. Zwischenzeitlich hat sich das deutlich gebessert, ein Glas Wasser aus dem Wasserhahn ist aber dennoch nicht mit Mineralwasser vergleichbar.

Positiv anzumerken wäre das vielfältige kulturelle Leben in den Großstädten, welches aber zwischenzeitlich in Deutschland auf dem Land auch immer mehr angeboten wird. Und wenn man es nutzen will, fördert das bei uns die gute Infrastruktur der Autobahnen und Bahnen, welche Großstädte innerhalb von 1 bis 2 Stunden erreichen lassen. Die Frage ist nur, ob sich die Stadtbewohner bei den hohen Mieten dieses Kulturangebot überhaupt noch leisten können. Interessant war zu meiner Bankerzeit der Drang der ausgelernten Azubis in die Großstadt Stuttgart, allerdings kehrten diese nach ein bis zwei Jahren wieder reumütig an den Ort ihrer „provinziellen“ Ausbildungsstätte zurück, da hier das Leben für sie anscheinend besser war, als in der anonymen Großstadt.

Ob sich an dieser Situationsbeschreibung kurzfristig etwas ändert, bleibt noch fraglich. Der Zuzug in die Städte steigt unvermindert an und damit auch die Probleme, die Städte werden dadurch  immer unwirtlicher, massiger, unmenschlicher. Die Einbruchskriminalität weist eine stark steigende Tendenz aus, viele Häuser und Wohnungen gleichen zunehmend abgeschotteten Festungen, und der Verkehr und damit die Staus werden weiter zunehmen und damit auch der Lärm. Ich könnte mir daher vorstellen, dass ein Großstadtbewohner  1/8 seines Lebens entweder vor roten Ampeln oder in den U- / und Straßenbahnen verbringt. Zentralisierungsbestrebungen der Banken und Versicherungen und sonstiger Dienstleistungsunternehmen aus fraglichen betriebswirtschaftlichen Gründen befeuern diese Situation, obwohl die Vernetzung über Internet dies überflüssig macht.

Mit dem „Internet“ wird vermutlich ein Kehrtwende in dieser Entwicklung einsetzen bzw. hat bereits begonnen. Bei den Einzelhandelsgeschäften in den Innenstädten, die zunehmend der Konkurrenz des online-Handels und auch der Einkaufszentren vor den Toren der Städte ausgesetzt sind, haben viele die Segel streichen lassen müssen, wird diese andere Entwicklung schon sichtbar, nämlich das Umschwenken von der Landflucht in eine langsam beginnende Stadtflucht. Unternehmen werden irgendwann bemerken, dass es aufgrund der Vernetzung und der bestehenden Infrastruktur  sinnvoller ist, nicht alle Mitarbeiter an einem Ort zu konzentrieren, sie stundenlangen Anreisezeiten und damit Verlust wertvoller produktiver Zeit auszusetzen. Alternative ist dann eine dezentrale Struktur  näher am Kunden, verbunden mit deutlich weniger Kosten. Die Digitalisierung wird diese Entwicklung noch mehr  verstärken, zumal insbesondere in Deutschland –  mit Ausnahme von München als zentraler Wirtschaftsfaktor –  aufgrund der föderalen und freiheitlichen Struktur der Großteil der Wertschöpfungskette bei den mittelständischen Unternehmen liegt und damit in der Fläche, auf dem Land, zu finden ist.

Diese Erkenntnis wird auch dramatische Auswirkungen auf die Immobilienpreise in diesen Städten haben und deren jetzige Blasen sukzessive platzen lassen. Je wohlhabender ein Volk ist, umso mehr schätzt es den Komfort der eigenen vier Wände im Grünen in einer menschenwürdigen Umgebung, zumal die Versorgung in diesen ländlichen Gebieten mit den Dingen des täglichen Lebens genauso attraktiv, wenn nicht sogar attraktiver ist (kurze Anfahrzeiten/ ausreichende Parkplätze usw.), wie in den Großstädten, vom Kulturleben mal ganz zu schweigen.

Insofern sollte sich jeder Investor fragen, ob Immobilieninvestments in attraktiven ländlichen Regionen mit einer gesunden und wachsenden Wirtschaftsstruktur und damit niedriger Arbeitslosenquote, langfristig nicht sinnvoller ist, als in den großen Städten mit den oben beschriebenen Problemen. Natürlich darf hier der Grundsatz ” Lage, Lage und nochmals Lage” damit nicht außer Acht gelassen werden.

2. Januar 2016

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de