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Mittelstandsanleihen, die neuen Subprimes

Erinnern wir uns daran, dass die rd. 300.000 mittelständischen Be­triebe in der Bundesrepublik zwei Drittel des BIB (Bruttosozialprodukt) und 80 % der Beschäftigung stemmen. Hier spielen im Wesentlichen Familienbetriebe die größte Rolle, bei denen man eine deutlich sozialere Einstellung als bei den unpersönlichen und gesichtslosen Konzernen konstatieren kann. Die Halbwertszeiten für die Konzernvorstände von nur wenigen Jahren erinnern mich sehr stark an die Zeitarbeitsbranche nur mit dem Unterschied, dass bei Be­endigung der Funktion diese fürstlich zu Lasten der Substanz des Unternehmens entlohnt werden. Manchmal fragt man sich für was.

Die Mechanismen der Investmentbanken reichen zwischenzeitlich in weite Teile der mittelständischen Betriebe und führen mittel- bis langfristig sukzessive zu einer Konzentration mit immer größeren Gruppierungen und Konzernen, deren Intentionen – wie bei den Investmentbanken – die reine Ertragsmaximierung ist.

Diese Entwicklung wird sehr stark forciert über die M & A Abteilungen der Banken, aber auch von den vielen Private Equity Gesell­schaften, welche in den wenigsten Fällen saldiert einen Mehrwert für die Volkswirtschaft geleistet haben. Letztlich verdienen nur wenige an solchen Deals. Konzerne werden dadurch immer größer oder kaufen sich dadurch künftig hohe Verluste ein. Oder Hedgefonds quetschen waidwunde Firmen weiter aus, bis schließlich die Insolvenz dem Unternehmen den letzten Todesstoß gibt. Auf der Strecke bleiben stets Arbeitsplätze und eine verdünnte Industrie- und Dienst­leistungslandschaft.

Aktuell wird diese Entwicklung durch den prosperierenden Markt der mittelständischen Unternehmensanleihen unterstützt. Auslöser ist wiederum das derzeit sehr niedrige Zinsniveau, welches Wasser auf die Mühlen der Investmentbanken und – abgeleitet davon – der Hedgefonds schüttet.

Die Anleger befinden sich derzeit in einer sehr misslichen Situation, bzw. in einem Anlagenotstand. Die Gründe sind die politisch ge­drückten niedrigen (seriösen) Zinsen, welche z. T. nicht einmal die offizielle Inflationsrate neutralisieren, eine durch politische Maß­nahmen induzierte volatile Börsenlandschaft sowie dadurch explodierende Preise für gute Substanzanlagen. Der Ursprung für diese Situation ist auch hier in der immer noch andauernden Finanz- und Schuldenkrise, u. a. auch ausgelöst und gefördert von den Produkten der Investmentbanken zu finden.

Die Unternehmen, insbesondere die mittelständischen, befinden sich ebenfalls in einer sehr misslichen Situation. Die Bankenlandschaft, welche für die Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebes bei der überwiegenden Anzahl der Unternehmen unerlässlich geworden ist, auch wegen der hohen Steuerbelastung und damit einer ver­minderten Eigenkapitalbindung, hat sich u. a. aufgrund dieser Finanz­krise nur noch auf wenige Bankengruppen reduziert. Diese sind die Geschäftsbanken Deutsche Bank, Commerzbank, Unicredit/­Hypo­ver­eins­bank, die Sparkassen und ihre Landesbanken sowie die Volks- und Raiffeisenbanken zusammen mit der DZ-Bank, also nur noch 5 ernst zu nehmende Bank-Gruppierungen, wobei die Sparkassen/­Landesbanken und Volks-Raiff­eisenbanken mit der DZ-Bank weit über 60 % des Marktanteils vereinnahmen. Darüber hinaus sind diese verbliebenen Bankgruppierungen nunmehr gezwungen, ihr Kapital zu erhöhen (Basel III), welches viele Banken durch Abbau von Kreditrisiken und damit Reduzierung der Bilanzsumme, wodurch die EK-Quote automatisch steigt, zu erreichen versuchen.

Vielen, insbesondere mittelständischen Unternehmen, wird bei sich abzeichnenden Risiken somit langsam der Kredithahn zugedreht, der Kreditnotstand wird eintreten, auch wenn dies von allen Seiten geleugnet wird. Dazu beitragen werden im Übrigen auch die von staatlicher Seite lächerlich hohen Anforderungen an das Kredit­geschäft, als hätte diese Seite des Bankgeschäftes zu der Finanzkrise geführt, während die für die Prüfer anscheinend zu komplizierte Anlageseite unverändert ein Prüfer-Aschenputteldasein führt.

Wen wundert es, wenn die Unternehmen diesem oft sehr schroffen Diktat der Banken entfliehen wollen und in andere Finanzierungs­formen flüchten, bzw. die Anleger höhere Renditen suchen und dabei die Risiken vergessen. Beliebt sind derzeit die Unternehmensanleihen, welche anfangs nur den (DAX-) Unternehmen im Investment-Grade-Bereich vorbehalten waren. Nun erscheinen auch solche von mittelständischen Unternehmen mit einem Rating deutlich darunter auf dem Markt.

Dieser Zyklus erinnert sehr stark an die Entstehung der Subprimes (strukturierte Anleihen auf Basis minderwertiger Hypothekenkredite). Zuerst wurden nur hochwertige Hypothekenkredite in Anleihen verpackt. Nachdem sich diese Anlageform insbesondere für die vertreibenden Banken als profitabel erwiesen hatte, wurde den guten immer mehr schlechte Hypotheken beigemischt, bis nur noch schlechte = Subprimes auf den Markt geworfen wurden und nach Bekanntwerden dieses Risikos ihr Ende in der Finanzkrise fanden.

Ähnliches zeichnet sich jetzt bei den Anleihen mittelständischer Unternehmen ab. Nachdem die Anleihen von Unternehmen mit hoher Bonität auf dem Markt großen Anklang gefunden haben, werden inzwischen hoch verzinsliche Anleihen von Unternehmen mit wesent­lich schlechterer Bonität emittiert, die somit bei weitem noch nicht reif hierfür sind und daher ein gewaltiges Risiko sowohl für den Zeichner der Anleihe = Anleger als auch für das emittierende Unter­nehmen selbst darstellen.

Risiken für das emittierende Unternehmen:

Die Volumina von mittelständischen Unternehmensanleihen nehmen nicht selten eine Größe ein, welche für die meisten Unternehmen einen reinen Geldsegen darstellen, soll er doch damit die hohen Kosten der Strukturierung (6-10 % Nebenkosten + Anleihezins selbst von 6 % bis 9 % + x) vergessen machen. Diese Höhe übersteigt nicht selten die bestehende Bilanzsumme des emittierenden Unternehmens oder erreicht die Höhe aller bisherigen Bankkredite, womit bei Umsetzung eine sehr einseitige Abhängigkeit von einem Finanzierungsinstrument entsteht.

Nimmt dann die Höhe der Unternehmensanleihe eine Größe (€ 10 – € 20 Mio.) ein, welche an der Börse – so sie denn zum Börsenhandel zugelassen wird – aufgrund der geringen Größe meistens zu sehr volatilen Kursbewegungen führen kann, ist nicht auszuschließen, dass bei interessanter Marktstellung oder bei einem interessanten Produkt Aufkäufer (Investmentbanken /­ Hedgefonds, Konkurrenz usw.) mit immensen Geldmitteln für den Ankauf der Anleihe bereit stehen. Das kann u. a. dazu führen, dass bei schwacher Nachfrage oder schlechten Unternehmensnachrichten die Kurse dieser Anleihen sehr schnell fallen und die Aufkäufer sukzessive in den Besitz dieser Unter­nehmensanleihen zu Preisen weit unter dem Ausgabekurs kommen, um sie bei Fälligkeit mit 100 % wieder zur Rückzahlung zu präsentieren.

Sollte dann das Unternehmen bei Fälligkeit in einer wirtschaftlich prekären Situation stecken und nicht fähig sein, die Rückzahlung der Anleihe zu bedienen, entsteht sehr schnell die Forderung nach einem so genannten debt-to-equity-swap, d.h. Tausch der Anleihe gegen Anteile des Unternehmens mit der Folge, dass der Aufkäufer dann sehr preiswert zu einem hoch interessanten Unternehmen gekommen ist, bzw. der Unternehmer sein in Jahrzehnten aufgebautes Unternehmen weit unter Preis – wenn überhaupt – verlieren wird.

Sollte andererseits eine Unternehmensanleihe aus Gründen wie auch immer nicht voll platzierbar sein, kommen auch hier diese Aufkäufer sehr schnell zu ihrem Ziel, indem sie den Rest aufkaufen, um dann genauso zu verfahren, wie oben beschrieben.

Risiken für die Anleger

Viele Anleger werden aufgrund des niedrigen Zinsumfeldes immer mehr dem Lockruf der weit über dem Markt liegenden Zinsen zwischen 4% und 10% folgen und damit grundsätzlich ein sehr hohes Kreditrisiko eingehen. Mittelständische Unternehmen stehen auf der Liste der Insolvenzen weiterhin auf Platz 1 aufgrund vielerlei Umstände. Es gilt daher, das umfangreiche Wertpapierprospekt (ca. 200 Seiten + x) wie ein Kreditprofi zu studieren und zu analysieren. Nur welcher Anleger hat die dafür nötige Kreditexpertise, geschweige denn die Wertpapierberater der Banken, bzw. nimmt sich die dafür nötige Zeit. Die meisten Anleger werden die vielen Fachausdrücke und die darin beschriebenen z.T. sehr komplexen Zusammenhänge kaum verstehen.

Leider muss man auch festhalten, dass bis dato die auf den Mittelstand fixierten Ratingunternehmen eher die dafür anfallende Gebühr im Auge haben als den Schutz des Anlegers  und der Volkswirtschaft. Diese Ratings sind daher mit äußerster Vorsicht zu genießen und nicht zu vergleichen mit den Ratings von S&P, Moody`s und Fitch, den weltweit drei Marktführern dieser Branche.

Bei der oben beschriebenen Konstellationen für Anleihen mittelständischer Unternehmen mit einem für die Börse nur geringen Volumen und damit vorgegebener Volatilität besteht für den Anleger zudem  die Gefahr eines Verfalls des Anleihewertes innerhalb kürzester Frist und sogar Verlust des ein­gesetzten Kapitals. Nutznießer sind die Aufkäufer, deren Gewinn der Verlust der Anleger ist. Wie so oft!

Findet man keine Aufkäufer aufgrund der eingetretenen schlechten Bonität oder will ein Investor das Unternehmen übernehmen, aber ohne die Anleiheverbindlichkeiten, kann es passieren – wie bei Schefenacker bereits geschehen -, dass der Sitz einfach nach London verlegt wird in die Räuberhöhle der Investmentbanken und ein Eldorado für Pleitiers aufgrund sehr lascher Insolvenzverordnungen. Die Folge daraus ist stets das volle Aushebeln der Gläubigerrechte zu Gunsten der finanzierenden Banken. Solche Komplotte, die meistens von Anfang an geplant sind, wird es in den Folgejahren sicherlich noch oft geben.

Mit diesen Ausführungen möchte ich mich jetzt nicht als einen Ab­lehner oder Verweigerer dieser Finanzierungsform outen. Unter­nehmensanleihen können eine sehr wohltuende langfristige Er­gänzung des Finanzierungsmixes eines Unternehmen darstellen, dürfen aber keinesfalls das alleinige Finanzierungsinstrument sein oder dürfen nie eine Größe einnehmen, welche das Unternehmen davon abhängig macht.

Wichtig ist jedoch, dass das Unternehmen hierzu auch reif ist, d. h. über eine gute Bonität verfügt, die Finanzlogistik den hohen An­forderungen der Berichterstattung gerecht und die Produkte auf dem Markt akzeptiert werden sowie ein entsprechend hohes Wachstum vorzeigen können, somit das Unternehmen einer der Marktführer der Branche ist.

Diese seriösen Aspekte und Struktur sichern dem emittierenden Unternehmen eine hohe Unabhängigkeit und machen es vor Auf­käufern sicher. Und den Anlegern gibt es die Sicherheit, dass am Ende der Laufzeit das angelegte Geld wieder zurückgezahlt wird.

Leider wird die maßlose Aus­beu­tungs­spirale der Politik in Form der nicht enden wollenden Steuererhöhungen oder Kreationen neuer Ausgaben- und Besteuerungformen, welche den Mittelstand in ein zunehmendes Abhängigkeits- und damit Ausbeutungsverhältnis zur Finanzindustrie bringen, diese Refinanzierungsform weiter befeuern und somit nicht nur den Anlegern sondern den mittelständischen Unternehmen selbst hohe Verluste zufügen.

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de