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Nur kaufen, was man versteht

Wenn es um die Vermögensanlage geht, kann man in seriösen Wirtschaftszeitungen und Berichterstattungen den wohlmeinenden Rat nachlesen, doch nur das zu kaufen, was man versteht.

Selbst Herr Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank und Mitglied des EZB-Rates, hatte erst kürzlich bei einer Veranstaltungsreihe diesen zu unterstreichenden Rat gegeben.

Es stellt sich jedoch dabei die Frage, ob ein Bürger, der nicht in der Finanzbranche tätig ist und aufgrund seiner Berufsausbildung außerhalb der Finanzindustrie über ganz andere Expertisen verfügt, die Komplexität der Vermögensanlageangebote verstehen kann?

Diese Frage ist jetzt bitte nicht als Kritik an diesem Bürger zu verstehen, sondern nur eine Feststellung einer Tatsache. Ein Finanzprofi kann schließlich auch nicht die Arbeit eines Chirurgen leisten.

Die Komplexität der inzwischen auf dem Markt befindlichen Finanzprodukte, insbesondere der strukturierten Finanzprodukte hat aber  inzwischen solche Ausmaße angenommen, die selbst die Banker und Finanzvertriebler an der Verkaufsfront nicht mehr verstehen kann, geschweige denn, ein Anleger mit ganz anderen Professionen.

Beispiel Investmentfonds, einer der gängigsten und massenhaft verkauften strukturierten  Finanzprodukte. Nehmen wir eine angeblich konservative Spezies eines Fonds, den Rentenfonds, bestehend aus festverzinslichen Wertpapieren.

Sofort tauchen folgende Fragen auf:

  • Aus welchen festverzinslichen Wertpapieren setzt sich dieser Fonds zusammen? Festverzinslich ist nicht gleichzusetzen mit sicher.
  • Sind es Anleihen von mittelständischen Unternehmen, von Konzernen, von Staaten aus Europa, von Schwellenländern oder sind es Aktienanleihen = Aktienrisiko?
  • Bei Schwellenländern verfügen die Fondmanager über entsprechende wirtschaftliche Daten dieser Schwellenländer, deren Devisensituation und den Anteil der kurz- und langfristigen Fremdkapitalien?
  • Sind darunter Wandelanleihen und Hybridanleihen mit entsprechenden Aktienrisiken oder auch Genussscheine und Nachranganleihen? Die Anleihebedingungen und Risiken der  beiden zuletzt genannten Anleihen bedürfen eines speziellen Risikomanagements. Ist das vorhanden?
  • Welchen Währungen unterliegen diese festverzinslichen Wertpapiere?
  • Wie sind diese Währungsrisiken abgesichert, vor allem wie und bei wem?
  • Welche Ratings haben diese festverzinslichen Wertpapiere und welche Ratingagentur hat diese Papiere geratet? Mittelständische Anleihen werden meistens von nicht allen anerkannten Ratingagenturen geratet. Außerdem sollte das jeweilige Prospekt dieser Anleihen gerade bei solchen Emittenten genauestens überprüft werden.
  • Befinden sich darunter auch Papiere mit Ratings unterhalb der Kategorie „investmentgrade“?
  • Weiß der Anleger was „investmentgrade“ bedeutet?
  • Wenn ja, wie wird die Entwicklung dieser Unternehmen unterhalb von „investmentgrade“ überwacht, da diese meistens sehr nahe an einer Insolvenz stehen.
  • Welche Gebühren und Provisionen werden dem Anleger berechnet?
  • Befinden sich in diesem Fonds noch weitere Fonds, wie z.B. Mischfonds oder Dachfonds, welche ebenfalls Gebühren und Provisionen berechnen, somit einer Verwaltung in der Verwaltung und nochmals in der Verwaltung unterliegen = bis zu dreifache Gebühren- und Provisionsbelastungen.
  • Kennt der Anleger das Fondsmanagement? Wie hoch ist die Fluktuation in diesem Fondsmanagement? Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Fondsmanager?
  • Über welche Wahrscheinlichkeitsrechnungen verfügt dieses Fondsmanagement?

Diese für Fonds typische  Fragen stellen die wesentlichsten Risikopunkte eines solchen Massenproduktes dar und ich bin sicher, dass keiner der Rentenfondsinhaber in der Lage ist, die Fragen zu beantworten und somit das Ausmaß dieser Risiken daraus zu verstehen.

Ich vergleiche diese Situation gerne mit der Pharmaindustrie. Neu entwickelte Pharmaprodukte unterliegen strengen Prüfungskriterien mit Blick auf die Risiken für die Verbraucher. In Sachen strukturierte Finanzprodukte existieren diese Risikoüberprüfungen einfach nicht, diese werden letztlich den unwissenden und meistens unerfahrenen Anlegern überlassen. Die Hinweise, dass die Bafin diese Produkte zugelassen hat, bedeutet nicht, dass sie auch die Risiken überprüft hat. Das wissen die wenigsten und wird sehr oft schamlos missbraucht.

Dringender Veränderungsbedarf zeichnet sich hier ab.

4.Dezember 2014

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de