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Aktienrückkaufprogramm, ein Selbstmordprogramm

Aus der Wirtschaftspresse, insbesondere aus dem Handelsblatt, konnte man entnehmen, dass die Unsitte der Aktienrückkaufprogramme wieder volle Fahrt aufgenommen hat.

Zur Erklärung vorab: Kauft eine Aktiengesellschaft eigene Aktien zurück, erscheinen diese auf der Aktivseite der Bilanz als Vermögenswert. Analytisch wird damit das Eigenkapital reduziert, da dieser Rückkauf  gleichzusetzen ist mit einer Kapitalentnahme, es sei denn, die zurück gekauften Aktien werden kurzfristig für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme oder für die Entlohnung der Vorstände auf die Bilanz genommen und  genutzt, womit diese rückgekauften Aktien später auf die Rechtsperson Mitarbeiter oder Vorstand übergehen.

Begründet werden diese Programme mit Einsparungen bei Dividendenzahlungen, da derzeit bei Aufnahme von Schulden die Zinsen z.T. deutlich niedriger sind als die zu zahlende Dividende. Außerdem werden noch steuerliche Themen aufgeführt, da bei Dividendenzahlungen je nach Land hohe Steuern zu entrichten sind und daher Kurssteigerungen für die Aktionäre angeblich besser wären. Dieses Argument hat allerdings einen Hinkefuß, da Aktienrückkaufprogramme erfahrungsgemäß nur relativ kurzfristige Strohfeuer erzeugen und somit keinen langfristigen Bestand haben.

Insbesondere bei der Entlohnung der Vorstände haben diese Rückkaufprogramme ein besonderes „Geschmäckle“, da die Boni der Vorstände auch abhängen vom jeweiligen Börsenkurs. Die Ankündigung solcher Rückkaufprogramme hat in den meisten Fällen zu Kurssteigerungen aufgrund der entstehenden Nachfrage und der Verknappung des Angebots geführt. Allerdings haben solche Programme auch kurze Beine, denn langfristig lassen sich die Aktionäre damit nicht binden, wird doch damit grundsätzlich eine Ideenlosigkeit der Vorstände/ Geschäftsleitungen  offensichtlich, ganz abgesehen von der damit einhergehende Kapitalreduzierung verbunden mit höheren Schulden und Schwächung des Unternehmens. Dadurch ausgelöste Kurssteigerungen haben somit keine Substanz.

Sicherlich gibt es vor Kraft strotzende Unternehmen mit einer hohen Liquidität, die es sich leisten können, mit der eigenen Liquidität solche Rückkaufprogramme durchzuführen. Jedoch kann man auch daraus erkennen, dass auch solche Unternehmen keine Ideen mehr haben und zudem Ihre Produkte anscheinend zu teuer bzw. überteuert sind. Ob auch solche Unternehmen langfristig auf dem Markt bestehen können, ist fraglich.

Das Handelsblatt hat am 15.6.2021 zu diesem Thema folgende Zahlen veröffentlicht:

  • Seit 2014 haben die US-Unternehmen mehr für Rückkäufe und Dividenden ausgegeben , wie sie netto verdient haben.
  • Es wird für realistisch gehalten, dass in diesem Jahr die US-Konzerne im S&P 500 insgesamt US$ 1,2 Billionen für Aktienrückkäufe und Dividenden ausgeben.
  • Apple hat von 2011 bis 2020 für Aktienrückkäufe von ca. US$ 400 Milliarden ausgegeben.
  • Der Software-Spezialist Oracle hat in den letzten 10 Jahren insgesamt US$ 124 Milliarden für Aktienrückkäufe aufgewendet.
  • Microsoft im selben Zeitraum US$ 144 Milliarden, JP Morgan US$ 114 Milliarden, Wells Fargo US$ 99 Milliarden, Exxon Mobile US$ 92 Milliarden, Bank of America US$ 91 Milliarden, IBM US$ 90 Milliarden, Intel US$ 88 Milliarden und Cisco Systems US& 87 Milliarden.

Zusammenfassend haben neben den oben genannten 10 größten Rückkäufern in den USA noch viele andere US-Unternehmen das Instrument der Aktienrückkäufe genutzt. Binnen 10 Jahren ist die Gesamtzahl der Aktien im S&P 500 um 25 Milliarden Stück auf rund 300 Milliarden Stück geschrumpft. Für insgesamt US$ 5,7 Billionen kauften die US-Unternehmen eigene Aktien zurück, welches der vierfachen Marktkapitalisierung des gesamten DAX 30 entspricht.

Für mich beunruhigend ist der Umstand, dass sich unter den 10 größten Aktienrückkäufern 3 Großbanken befinden, welche selbst als gutes Beispiel eigentlich Interesse an einer starken Eigenkapitalbasis und der ihrer Kunden haben müssten, bzw. sie sicherlich ihren Unternehmenskunden permanent gepredigt haben.

Für die laufende Periode werden noch weitere Rückkaufprogramme angekündigt und das bei den jetzigen hohen Aktienkursen (???), wodurch man die Auffassung bekommen kann, dass den Vorständen das eigene Portemonnaie näher ist als das Wohlbefinden des von ihnen vertretenen Unternehmens, womit an diese Vorstände ein großes Fragezeichen angeheftet werden muss.

Führt man sich diese Zahlen der Rückkaufprogramme allein in den USA vor Augen, welche bezogen auf die gesamte Welt aufgrund des US-Nachahmungseffektes noch höher ausfallen, entsprechen solche Rückkaufprogramme eigentlich ausgefeilten und sukzessiv wirkenden  Selbstmordprogrammen.

Man kann letztlich nur den Kopf schütteln und sich fragen, warum die jeweiligen Unternehmensleitungen damit ihre eigene Zukunft gefährden. Beraten werden diesbezüglich diese „Unternehmensleitungen“ im Wesentlichen von der Investmentbankzunft, welcher aufgrund der dadurch notwendigen Finanzierung des Aktienrückaufs  u.a. über die Emissionen von Anleihen fette Prämien winken.

Es bleibt daher zu hoffen, dass wir nie eine Rezession großen Ausmaßes bekommen, in der die Zentralbanken zudem noch über genügend Pulver verfügen (leider schon größtenteils verschossen) und dann für den Bestand der jeweiligen Unternehmen noch ausreichend Eigenkfdapital zur Verfügung steht, um solche Durststrecken überwinden zu können.

Wenn das aber so weitergeht, bleibt die Befürchtung, dass diese Unternehmen ihr gesamtes Eigenkapital zur Stützung des Börsenkurses und Erhalt der Vorstandsboni mit dem Aufbau hoher Schulden  entnehmen und damit zum Futter der Investmentbanken werden, welche diese Unternehmen in ihren M&A Abteilungen gegen hohe Prämien regelrecht verfüttern dürfen. Leidtragende sind dann die Aktionäre und vor allem die Mitarbeiter dieser Unternehmen.

Ohlsbach, den 18. Juli 2021

 

Elmar Emde

 

Autor des Buches „Die strukturierte Ausbeutung“

 




Aktienrückkaufprogramm

Insbesondere der deutsche Bankenprimus spielte in Sachen Aktienrückkaufprogramm eine maßgebliche Rolle. Mit der Ausgabe der Kennzahl 25 % Eigen­kapitalrendite wurde das Rennen eröffnet und jeder starrte nur auf diese Ertragskennziffer, als gäbe es nur diese. Dies führte dazu, dass die Banken sogar ihr eigenes Kapital durch Aktien­rückkauf­programme zurückkauften, um sie denen als Salär zu geben, welche die hohen Erträge „erwirtschafteten“, wie sich dann später und jetzt in vielen Fällen herausstellte, ergaunerten. Hierzu muss man wissen, dass die zurückgekauften eigenen Aktien auf der Aktivseite = Vermögensseite einer Bilanz verbucht werden, analytisch aber vom Kapital abgesetzt werden müssen, da das eigene Kapital auf der Vermögens- /­Aktivseite der Bilanz, welche durch das Kapital ja finanziert wird, kein Kapital mehr sein kann. Wenn Kapital sich selbst finanziert, beträgt es null, d. h., eigene Anteile auf der Aktiv­seite sind gleichzusetzen mit noch nicht einbezahltem Kapital und müssen daher von der vollen nominellen Summe des Eigenkapitals abgezogen werden. Diese Tatsache ist jedem Buchhalter geläufig, den vom Investmentbanking getriebenen Großbankvorständen schien aber dieser Buchungsvorgang unbekannt zu sein.

Mit diesen Rückkaufprogrammen reduzierte sich somit das Eigen­kapital entsprechend, ins Verhältnis gesetzt zum erwirtschafteten Gewinn stieg somit diese Eigenkapitalrendite und alles jubelte über diese hohe Ertragskraft dieser und jener Bank. Dies war schon sehr verwunderlich, legte man doch den Kreditkunden dieser Banken nicht nur zu dieser Zeit sehr nahe, das Eigenkapital doch zu stärken, um bei schlechten Entwicklungen einen Puffer gegen sich dann abzeichnende Verluste zu haben.

Selbst heute noch werden Aktienrückkaufprogramme als sinnvoll dargestellt und zwar mit Blick auf das derzeitige Niedrigzinsumfeld.. Man legt einfach eine Anleihe zu 0,x %, bzw. man nimmt Kredit bei einer Vielzahl von Kreditnehmern auf und kauft damit eigene Aktien zurück, die eine Dividende von 4-5 % normalerweise erbringen und erspart sich somit die Differenz zwischen Kreditzins und Dividendenzins. Zu diesem Vorgang, wie bei Siemens und Intel geschehen, werden dann in Presseberichten („Aktienrückkäufe auf Pump rechnen sich“??) Banker zitiert, welche anscheinend nur auf der Anlageseite ihre Karriere gemacht haben, somit über keine Kreditexpertise verfügen und damit auch nicht den Sinn eines Eigenkapitals verstehen, sondern nur die derzeitige, ich wiederhole derzeitige Ertrags- und Kostenoptimierung im Blickfeld haben. Ent­sprechendes gilt natürlich für die Akteure bei Siemens und Intel & Co. Man kann nur hoffen, dass am Fälligkeitstag dieser Anleihe der Kredit oder die Anleihe aus dem erwirtschafteten Gewinn zurück bezahlt werden kann und zu diesem Zeitpunkt sich das Unter­nehmen in keiner wirtschaftlich schwierigen Lage befindet, in der Kapital dann dringend gebraucht wird. Sollte dies alles zutreffen, wäre ein solches Unternehmen ein gefundenes Fressen für meine „geliebten“ Investmentbanker, der Tod auf Raten wäre dann vor­programmiert.

Damit diese, durch Aktienrückkaufprogramme hervorgerufene Kapitalreduzierung nicht auffiel, haben die Banken – mit Hilfe der willfährigen Politik – die Definition des Eigenkapitals für Banken neu formuliert und das so genannte „harte Kernkapital“ erfunden. Kurzerhand wurden diverse Aktivposten in der Bilanz, u. a. Staats­anleihen oder strukturierte Finanzprodukte aufgrund von Derivateabsicherungen oder unterlegten Risikobewertungs­mo­del­len mit dem Nimbus „risikolos“ bedacht und so betrachtet, als gäbe es diese nicht in der Bilanz. Mit diesem Trick wurde u. a. die Bankbilanzsumme um diese „risikolosen“ Aktivposten reduziert und diese reduzierte Bilanzsumme ins Verhältnis zum dann noch bestehenden Eigenkapital gesetzt. So kam es u. a., dass z. B. die Deutsche Bank mit einer publizierten „harten Kernkapitalquote“ um die 11,4 % per 31.12.2012 aufwarten konnte, obwohl das eigent­liche Eigenkapital nur 2,7 % = € 54,4 Milliarden der Bilanzsumme von € 2,012 Billionen ausmachte. Somit fielen rd. € 1,535 Billionen unter dem Tisch.

Hinweis: das Kreditgeschäft nimmt nur einen An­teil von ca.19,7 % ein (?), der Rest besteht größtenteils aus einer Finanzaktiva.

Zwischenzeitlich steht der hier verwendete Begriff „risikolos“ nach Basel III in der Kritik und es zeichnet sich eine neue diesbezügliche Sichtweise ab. Demnach ist die Deutsche Bank, welche zwischen­zeitlich auch als systemgefährdend, bzw. systemrelevant eingestuft wurde, unterkapitalisiert, d. h., es fehlt nunmehr entsprechendes Kapital, was die Investmentbanker mit ihren hohen Boni in der Vergangenheit abgeschöpft haben.

Eigenkapital ist grundsätzlich ein sehr wichtiger Puffer, welchen die damals gottgleichen und mit einem Hofstaat versehenen Bank­vorstände einfach vom Tisch gewischt hatten, nur um schnell eine fragwürdige und „signifikante“ (damals ein gern gebrauchtes Wort dieser Branche) Ertragskennziffer der Presse vermelden zu können.

Diese Aktion erinnert mich sehr stark an Formel 1 Rennfahrer, die zwecks besserem Start zu wenig Benzin getankt hatten, somit leichter und schneller vom Start wegkamen, dafür aber mehrmals auftanken mussten oder auf der Rennstrecke liegen blieben.

Kurzum, mit diesen fraglichen Rückkaufprogrammen begannen die Banken ihren eigenen Ast anzusägen und hatten auch damit unter vielen anderen fragwürdigen Entscheidungen die Saat für die heutige Finanzkrise gelegt.

 

Juli 2013

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de