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Bonitätsanleihen

Vorab: Eine solche Anleihe oder eine bonitätsabhängige Anleihe ist ein Wettschein, eben ein Kreditderivat auf die Bonität eines Unternehmens (Referenzschuldner) mit mittleren und langen Laufzeiten, welche Zinsen über dem Marktniveau bieten und schon deshalb ein hohes Risiko darstellen.

Ob eine solche  Anleihe von Erfolg gekrönt ist, hängt im Wesentlichen vom Nichteintritt diverser, in den Anleihebedingungen festgelegter Kreditereignisse ab, welche umfangreich und recht komplex bzw. für einen im Finanzgeschäft nicht ausgebildeten Anleger schwer zu verifizieren und zu verstehen sind. Ein altbekanntes Problem bei den strukturierten Finanzprodukten, welche von den Aufsichtsämtern leider toleriert wird.

Man nennt sie auch auf neudeutsch „Credit linked Notes“ (CLN) und erinnern irgendwie an die berüchtigten  Credit Default Swap (CDS; dt. auch „Kreditausfall – Swap“> lt. Wikipedia), u.a. einer der Gründe/ Brandbeschleuniger der Finanzkrise vor 8 Jahren, auch ein Kreditderivat, womit Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnern wie auch immer abgesichert werden. Eine Bonitätsanleihe kann somit mit einem CDS verglichen werden und stellt die Gegenposition zu hinausgelegten Krediten dar, d.h. die emittierende Bank sichert letztlich ihr Kreditengagement damit ab und verteilt ihr Kreditrisiko – mal wieder – auf die unbedarften Anleger. Dabei stellt sich sofort die Frage, warum sie ein solches Absicherungsinstrument, entweder für sich selbst oder für andere Finanzinstitute kreiert? Die Antwort kann nur lauten, weil die finanzierende Bank ein erhöhtes Kreditrisiko sieht oder sie mit ihrem Kreditengagement über ihre Möglichkeiten hinausgeschossen ist, d.h. ein viel zu hohes Kreditrisiko – wie auch  immer – bei diesem Unternehmen eingegangen ist.

Der Anleger muss sich somit bewusst sein, dass er mit der Zeichnung eines solchen Wettscheins mehrere unkalkulierbare Risiken eingeht.

Risiko Nr. 1 ist die Bonität der emittierenden Bank, da eine solche Bonitätsanleihe eine Schuldverschreibung darstellt und bei Insolvenz dieser emittierenden Bank ein Totalverlust automatisch eintritt. Mittlerweile dürfte eigentlich jeden Anleger klar geworden sein, dass die Bonität der Banken sehr angekratzt ist und äußerst schwer zu eruieren ist. Selbst deren Wirtschaftsprüfer haben damit sehr große Schwierigkeiten, zumal die Banken eine Unmenge von unterschiedlichsten und einfach nicht vorhersehbare Risiken eingehen, insbesondere nach dem sehr stark aufgeblähten Derivatemarkt weltweit.

Die Bankbilanzen gleichen kryptographischen Aufstellungen und zwar so stark, dass selbst die EZB, die zusammen mit der Politik zu dieser Kryptographie beigetragen hat, keine Bankanleihen ankauft. Oder sie hat die schlechte Bonität als exklusiver Aufseher und somit Betrachter dieser Werke aufgrund des festgestellten hohen Risikos erkannt und meidet daher dieses Risiko. Dieses überlässt sie anscheinend nur den unbedarften und unwissenden Anlegern, bzw. toleriert diesen Risikoverkauf zugunsten der Gesundung der Banken, aber auf dem Risikorücken der steuerzahlenden Anleger und Bürger.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass der Marktführer solcher Bonitätsanleihen, die LBBW (45% Marktanteil per 07/2016), eine Bad-Bank gegründet hatte, deren Bilanzsumme am Start € 95 Milliarden betrug, ihr Eigenkapital zu diesem Zeitpunkt aber nur € 22 Milliarden erreichte. Mit anderen Worten, hätte die Bankenaufsicht der Ausgliederung der mit hohen Risiken behafteten Wertpapiere und Forderungen an diese Bad-Bank nicht toleriert und hätte sie darauf bestanden, dass diese Aktiva einer Wertberichtigung unterzogen  werden muss, wäre die LBBW ohne Kapital dagestanden und hätte vermutlich Insolvenz anmelden müssen oder der Steuerzahler hätte in die tiefe Tasche greifen müssen.

Bei den anderen Banken mit Bad Bank, wie die Deutsche Bank, die Commerzbank, die HSH Nordbank und die BayernLB wäre dieses Ereignis dann ebenfalls eingetreten. Man hat zwar damit eine Verschärfung der Finanzkrise vermieden, diese Risiken aber mittel- und langfristig auf uns alle und damit unsere Zukunft verteilt.

Risiko Nr.2 ist  die Bonität des Referenzschuldners, also das Unternehmen, von deren künftiger Bonität der Bestand und die Werthaltigkeit der Bonitätsanleihe abhängt. Erst kürzlich hat die LBBW eine Bonitätsanleihe mit VW als Referenzschuldner aufgelegt. Aufgrund des Dieselskandals kann keiner sagen, wie sich künftig die Bonität von VW gestalten wird und wie viele zweistellige hohe Milliarden – Euro – Beträge dieser Konzern noch als Strafe bezahlen muss? Das könnte nun zu hohen Verlusten, damit Rückgang des Eigenkapitals  usw. usw führen.

Da diese Bonitätsanleihe erst kürzlich auf den Markt kam, ist das ein Paradebeispiel, wie die LBBW – oder federführend für andere Banken – ihr Kreditrisiko oder das der anderen Banken damit abfedert. Warum macht sie das wohl? Weiß diese Bank oder die anderen  Banken mehr als die Öffentlichkeit? Das kann man grundsätzlich unterstellen, da bei diesen großen Industrieunternehmen nahezu grundsätzlich Finanzierungskonsortien bestehen, deren Kreise exklusiv mit Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung versorgt werden, wovon der Anleger, insbesondere der Privatanleger nur träumen kann. Insiderwissen wird somit genutzt, um andere zu schaden!

Gerade die Geschäftsentwicklung solch großer Industriekonzerne und deren richtige Bonität zu beurteilen dürfte daher Privatanlegern äußerst schwer fallen, wozu eine entsprechende professionelle Logistik vonnöten ist oder der exklusive Einblick, den nur die Kredit gebenden Banken besitzen.

Oder betrachten wir das Abenteuer von Bayer, welche etwa das Zwanzigfache des EBITDA`s von Monsanto bzw. nahezu den fünffachen Umsatz für die Übernahme von Monsanto  bezahlen wollen. Ratzfatz hat daher die Dekabank (Marktanteil an Bonitätsanleihen 32%) am 27.6.2016 eine Bonitätsanleihe mit Stufenzins auf Bayer aufgelegt, um das Risiko vieler Banken-Kreditgeber damit abzufedern. Und zur sehr umstrittenen Deutsche Bank gibt es von der Dekabank natürlich auch eine.

Noch unübersichtlicher wird es, wenn die Bonitätsanleihe  als Referenzschuldner nicht nur ein Unternehmen hat, sondern mehrere, wodurch es für den Anleger dann total unübersichtlich und nicht verifizierbar wird.

Kurzum, an den Bonitätsanleihen kann man sehen, welche Bonität der jeweiligen Referenzschuldner von den Banken als gefährdet angesehen wird, woraus man folgern kann, dass man als Anleger  sich davon absolut  fern halten sollte

Risiko Nr. 3 ist die Ausgestaltung der Messung einer solchen Bonität und der fixierten Kreditereignisse, die an vielen Parametern hängt und für viele Nichtprofis ein Buch mit sieben Siegeln darstellt. Welche Kreditereignisse sind damit gemeint? Ratingverschlechterung? Wer erstellt dieses Rating (Vorsicht, Ratingagenturen lassen sich dafür bezahlen, wodurch das Ergebnis fraglich sein kann)? Hängt die Ratingverschlechterung an Ertragsparametern wie EBITDA, EBIT  etc. im Verhältnis zum Verschuldungsgrad (sehr gestaltbar) oder nur am Mindest- Jahresergebnis (auch sehr gestaltbar)? Das ist nur ein kleiner Teil von möglichen Bonitäts- Gestaltungen solcher Anleihen.

Der Anleger hat sich auf jeden Fall durch eine Unmenge von Bestimmungen durchzulesen und man kann davon ausgehen, dass 99% der Privatanleger diesen juristischen und betriebswirtschaftlichen Kauderwelsch nicht verstehen werden.

Fazit:

Die emittierenden Banken solcher mit hohen Risiken behafteten Bonitätsanleihen haben nichts dazu gelernt. Der Markt für Bonitätsanleihen ist zwischenzeitlich € 6 Milliarden schwer und wird nahezu aufgeteilt unter der LBBW (45% Marktanteil), die Dekabank (32%), die HVB (10%) und die DZ-Bank (7%), letztlich alles Banken, welche im Investmentbanking keine große Rolle spielen und sich daher anscheinend nicht des eigenen Risikos bewußt sind. Glauben diese Banken wirklich, dass die geschädigten Anleger sie nicht in Regress nehmen werden?

Es bleibt daher zu befürchten, dass auf diese Banken eine riesige Prozesslawine zukommen wird. Am besten wäre es aber, solche Risikopapiere insgesamt vom Markt zu nehmen.

31. Juli 2016

Elmar Emde

Autor des Buches „Die strukturierte Ausbeutung“

Siehe auch www.emde-fiveko.de