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Patriarch Classic Dividende 4 Plus

Es ist schon erstaunlich, mit welchen Werbefiguren sich die Fondsbranche bedient, um ihre intransparenten Finanzprodukte an den Mann zu bringen. Früher war es u.a. der Fußballer Günter Netzer mit dem dbi-Fonds, später dann der Fußballer und Fußballtrainer Felix Magath, welcher für hoch komplexe Derivate warb und sogar der Nationaltorhüter Manuel Neuer gibt sich als Werbefrontmann für die Allianz her. Und jetzt Herr Robert Geiss für den Patriarch Classic Dividende 4 Plus Fonds, welcher von Hauck & Aufhäuser, Luxemburg aufgelegt worden ist. Übrigens, Luxemburg ist bekannt dafür, dass die Überprüfung der Fonds nicht so genau genommen wird.

Somit kann man diesen Werbefiguren unterstellen, dass sie zwar in ihrem Medium über eine bewundernswerte Expertise für Ihr jeweiliges Publikum verfügen, in Sachen Finanzexpertise dürfte diese aber recht unterentwickelt sein, zumal es sich hier um sehr komplexe Produkte handelt, die selbst die Vertriebseinheiten der Finanzindustrie selbst kaum mehr verstehen.

Schauen wir uns daher den Patriarch Classic Dividende 4 Plus (PCD4P) einmal näher an.

Momentan verfügt dieser Fonds über ein Volumen von € 13 Mio., per 30.6.2014 – da war er ein halbes Jahr alt – belief sich das Fondsvolumen auf € 8,876 Mio., also eine nicht gerade berauschende Größe.

Die Fondsstrategie wird wie folgt beschrieben (Auszüge):

  • Das Anlageziel des Teilfonds (der Patriarch Fonds – Gruppe von Hauck Aufhäuser) besteht in der Erwirtschaftung einer langfristigen überdurchschnittlichen Rendite. Anmerkung: Diesen Satz findet man nahezu bei jedem Fonds.
  • Bevorzugt werden insbesondere Aktien mit einer hohen Dividende.
  • Der Teilfonds investiert dem Grundsatz folgend, weltweit einschließlich in Schwellenländer (Anmerkung: = hohes Risiko), in Aktien (Anmerkung: jetzt mit hohem Risiko), Renten, Genussscheine (Anmerkung: = hohes Risiko),
  • sowie Zertifikate, welche Aktien, Zinsen und Devisen als unterliegenden Basiswert beinhalten (Anmerkung: der Zertifikatemarkt ist zwischenzeitlich einer der unübersichtlichsten und gewährt dem Fonds enorme Zusatzgeschäfte außerhalb des Gesichtsfeldes des Anlegers; außerdem werden damit große Wertpapierdepots großer Anleger abgesichert = Absicherungsderivat > siehe Ausführungen hierzu unter strukturierte Finanzprodukte > Z > Zertifikate),
  • sowie andere erlaubte Basiswerte (die die Wertentwicklung eines Basiswertes (welche?) 1:1 wiedergeben…) nachbilden. Anmerkung: das kann alles bedeuten = eine offene Tür für alle Formen von strukturierten, damit hoch intransparenten und risikoreichen Finanzprodukten.
  • Mindestens 51% des Netto-Teilfondsvermögens werden in Aktien investiert. Rest? Anmerkung: gerade jetzt bei den Allzeit-Höchstständen bei Aktien ein hohes Risiko.
  • Bis zu 10% des Fondsvermögens können in andere Investmentfonds investiert werden. Anmerkung: somit ist dieser Fonds teilweise auch ein Dachfonds = bis zu 10% des Fondsvermögens stellen dann eine Verwaltung in der Verwaltung dar, welche ebenfalls mit weiteren Provisionen dieses anderen Fondsmanagements belastet sind. Das sollen aber nur Fonds sein, deren Verwaltungsvergütungen nicht höher sind als 3% (?). Zu vermuten bleibt, dass es sich hier um Fonds der Hauck Aufhäuser-Gruppe handelt, womit dieser Gruppe noch mehr Erträge zugeschaufelt werden können. Außerdem gibt es noch andere, dem Anleger kaum bekannte Provisionen, wie z. B. Halteprämien und andere Incentives, welche dem Fonds und damit dem Anleger über die Kursgestaltung belastet werden und sehr attraktiv gestaltet werden können.
  • Der PCD4P-Fonds kann bis 59% in flüssigen Mitteln oder in ähnliche Vermögenswerte (Anmerkung: welche? Geldmarktfonds?> siehe Ausführungen  hierzu unter strukturierte Finanzprodukte) halten.
  • Der PCD4P-Fonds wird keine Derivate zur Erreichung seines Anlagezieles einsetzen. Anmerkung: Was sind dann Zertifikate? Außerdem wird im Verkaufsprospekt einige Absätze darunter unter „Leverage“ der Hinweis abgedruckt, dass je nach Handhabe des Fondsmanagers die durch den Einsatz von Derivaten und anderen Finanzprodukten mit derivativen Komponenten hervorgerufene Hebelwirkung (Leverage) bis zu 50% betragen kann.
  • Die Leverage Berechnung erfolgt auf Basis der Summe der Nennwerte wie in den Boxen 24 und 25 der ESMA-Richtlinie 10-788 dargelegt. Anmerkung: Diese Richtlinie ist in Englisch verfasst und über 40 Seiten lang. Sie ist nur verständlich u.a. mit mathematischen Wissenshintergrund. Letztlich sowohl für die von Herrn Geiss angesprochene Klientel als auch für ihn selbst sicherlich unverständlich.
  • Als Risiken werden genannt: das Marktrisiko, Risiken der zinstragenden Produkte, das Adressenausfall- und Kontrahentenrisiko ( Anmerkung: eben bei Derivaten!!, wobei hier die Investition in Non-Investmentgrade-Anleihen erfolgen kann = hohes Risiko; für viele dürfte diese Bezeichnung ebenfalls unverständlich sein), das Verwahrrisiko, das Konzentrationsrisiko, das Performance-Risiko, das Abwicklungsrisiko, Risiken aus dem Einsatz von Derivaten (hier haben wir sie wieder, die angeblich nicht eingesetzt werden), Risiken im Zusammenhang mit Schuldverschreibungen auf nicht im Fondsvermögen enthaltenen Vermögensgegenständen, Besondere Risiken bei der Anlage in Zertifikaten, Risiken im Zusammenhang mit (weiteren) Zielfonds =Investmentfonds, Risiken im Zusammenhang mit Währungen und Risiken im Zusammenhang mit der Anlage in Schwellenländern.

Der PCD4P-Fonds richtet sich lt. Verkaufsprospekt an potentielle Anleger, die sich all dieser Risiken bewusst sind. Der Anleger in diesen Fonds sollte Erfahrung im Umgang mit Aktien (welche?) oder aktienähnlichen Produkten (= Aktienfonds aller Kategorien, Zertifikate aller Kategorien, Indexfonds aller Kategorien, Optionen usw.) aufweisen. Der Anleger muss in der Lage sein, zeitweilig erhebliche Verluste bis hin zum Totalverlust hinzunehmen, so dass sich der Teilfonds eher als langfristige Anlage eignet, ich möchte noch hinzufügen, als langfristige hohe Einnahmequelle für den Fonds.

Jetzt frage ich den geneigten Leser, ob die Klientel, welche Herr Geiss über die Bildzeitung angesprochen hat, sich dieses Risiko bewußt sein können, d.h. ob diese überhaupt in der Lage sind, alle diese hohen Risiken richtig einordnen zu können?  Wenn man diese Frage verneint, ist das keine Schande, da nur die Allerwenigsten in der Lage sind, diese komplexen Ausbeutungsanlagen in ihrem Risiko zu erkennen, da die meisten auch die hierfür nötige Berufsausbildung nicht besitzen.

Auch frage ich mich, ob Herr Geiss jemals das Verkaufsprospekt studiert hat?  Ohne die Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die bei diesem Mischmaschfonds auch eine wichtige Rolle spielen, zu bemühen, kann man davon ausgehen, dass er das nicht getan hat.

Zur Kostenseite bleibt noch zu erwähnen, dass im Verkaufsprospekt  von einer Verkaufsprovision von bis zu 5% die Rede ist, auf den Seiten von onvista und finanzen.net aber nur 2% genannt werden, nebst einer Verwaltungsgebühr von jährlich 1% nebst einer Performance Fee (Ertragsbeteiligung von 10% über der die Hurdle Rate von 5% überschreitende Wertentwicklung des Fonds), die im Übrigen so gestaltet ist, dass sie sogar bei negativer Performance anfallen kann.

Die Vermögensaufstellung per 30.6.2014 weist im Großen und Ganzen eigentlich ganz ordentliche Papiere aus, aber auch einige mit großen Fragezeichen. Auch findet man eine Reihe von Mode-Währungen, die in der Vergangenheit schon abgestürzt sind. Wohl gemerkt, das war die Aufstellung vor etwa 8 Monaten, in welchen sich eine Menge verändert haben kann.

Betrachtet man die Performance ggü. dem MSCI World Index, so muss man feststellen, dass die Performance des PCD4P-Fonds doch deutlich darunter liegt. Auch wäre es unklug, jetzt in diesen Fonds einzusteigen, da dieser Fonds größtenteils auf Aktien basiert, die jetzt Allzeit-Höchststände zu verzeichnen haben und somit bei einem Absturz tief ins Minus fallen können und das auf Jahre hinaus.

Fazit: Der PCD4P-Fonds ist für das normale Publikum, welches über Herrn Geis anscheinend angesprochen werden soll, zu komplex, zu risikoreich und zu intransparent. Warum macht dann die Fondsbranche einen solchen Unsinn? Will sie mit Hilfe dieses prominenten Trash-TV-Stars, wie ihn das Handelsblatt genannt hat, die Fans von Herrn Geiss über den Tisch ziehen?

Damit reich zu werden ist der Speck, mit dem man Mäuse fängt. Herrn Geiss für solche komplexen Finanzprodukte  als Werbefigur einzusetzen ist genauso widersinnig wie den TÜV für ebensolche Finanzprodukte. Umgekehrt nimmt man auch die Wertpapieranalysten auch nicht für die Beurteilung eines KfZ´s.

15. März 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

 

 

 




Kredit bestimmt unser ganzes Leben

Kredit kommt vom lateinischen Wort „credere“ = auf Deutsch „Vertrauen“, womit angedeutet wird, dass ein Kredit auf Vertrauen aufgebaut ist. Vertrauen darauf, dass der Kreditnehmer sein ihm geliehenes Geld mit Zinsen wieder zurückbezahlt und Vertrauen darauf, dass der Kreditgeber sich an seine Bedingungen hält, den Kredit für die vereinbarte Laufzeit und den vereinbarten Bedingungen auch aufrechtzuerhalten.

In ganz jungen Jahren ist das Vertrauen der Kinder zu ihren Eltern am stärksten vorhanden und prägt je nachdem das künftige Leben dieses neuen Erdenbürgers. Welches Kind hat nicht ein unbedingtes und sehr starkes Vertrauen zu seiner Mutter und seinem Vater und gibt letztlich sein Leben voll in deren Hände.

Mit der Vereinbarung eines Taschengeldes kommt der junge Mensch erstmals mit dem Kreditgeschäft auf pekuniärer Basis in Berührung. Die Eltern geben dem Kind eine Summe eines be­stimmten Betrages im Vertrauen darauf, dass es damit sorgsam umgeht oder im Vertrauen darauf, dass es den sorgsamen Umgang mit Geld erlernt. Das Kind vertraut darauf, in einer bestimmten Zeitspanne einen gewissen Geldbetrag von den Eltern zur Ver­fügung gestellt zu bekommen und richtet damit den Katalog seiner Wünsche entsprechend ein.

Läuft dagegen dieses Vertragsverhältnis aus dem Ruder insofern, dass die Eltern ihre Zusagen nicht einhalten oder es von permanenten Erhöhungen des Taschengeldbetrages je nach Wunschkatalog des Kindes gekennzeichnet ist, kommt es zu unlieb­samen Entwicklungen, entweder durch diebstahls­be­ding­te Be­reicherungen des Kindes oder durch ein ausuferndes Ausgabenver­halten, welches in beiden Fällen der Entwicklung des Kindes keinesfalls förderlich ist (ich erkenne hier Ähnlichkeiten mit dem Ursprung der Euroschuldenkrise).

Je nach Erziehung oder Charakter des Kindes bleibt dann auch schon mal am Monatsende von diesem Taschengeld etwas übrig, so dass das Kind beginnt – auch evtl. gefördert von Oma, Opa Tante usw. –, diesen Überschuss auf einem Sparkonto zu anzulegen. Das ist die erste Stufe eines Bankgeschäftes, bzw. unbewussten Kredit­geschäftes, da hier das sparende Kind einer Bank Geld anvertraut, d. h. einen Kredit gewährt, ohne dass sich dieser Sparer Gedanken darüber macht, ob diese Bank würdig ist, einen Kredit zu bekommen. Diesem Umstand wurde bis zur Finanzkrise 2008 keinerlei Beachtung geschenkt, da alle Banken – auch aufgrund der Sicherungssysteme – sakrosankt in hohem Maße als kreditwürdig galten. Seit 2008 und 2009 hat sich diese Einstellung dann total verändert, die Banken werden jetzt eher mit zum Teil sehr fragwürdiger Bonität gesehen.

Mit Eintritt in das Berufsleben erfährt der junge Mensch vielerlei Arten eines Kreditgeschäftes. Sein Arbeitgeber zahlt ihm ein Gehalt im Vertrauen darauf, dass der junge Mensch seine Arbeit oder seine Ausbildung bestmöglich im Rahmen seiner Fähigkeiten ableistet. Der junge Mensch wiederum versucht diesen Erwartungen ent­sprechend gerecht zu werden und vertraut darauf, dass sein Arbeit­geber ihm den vereinbarten Lohn in bestimmten Zeitabständen bezahlt.

Da in unserer modernen Gesellschaft Löhne nicht mehr in bar aus­bezahlt werden, bedarf es zwecks Überweisung dieses Gehaltes der Einrichtung eines Giro- /­ Gehaltskontos bei einer Bank, Sparkasse oder Volksbank, zumal heutzutage alle Rechnungen im Wege des unbaren Zahlungsverkehrs, d. h. über Girokonten /­ Überweisungen und Lastschriften abgewickelt werden.

Ein Girokonto ohne Überziehungsmöglichkeit zwecks Abdeckung von Überschneidungen ist in der heutigen Zeit kaum mehr denkbar, insbesondere wenn man ein festes Arbeitsverhältnis nachweisen kann. Solche Überziehungsmöglichkeiten werden einem eher nach­geworfen im Zeichen von „easy credit“, bezweckt man damit aber nur, eine gewisse Verschuldung der Menschen damit herbeizurufen zwecks Schaffung einer permanenten Einnahmequelle für die Bank.

Eine solche Überziehungsmöglichkeit ist die erste Erfahrung eines jungen Menschen mit dem Kreditgeschäft einer Bank. Einen solchen Kredit vergibt die Bank im Vertrauen darauf, dass der Kreditnehmer entweder regelmäßig ein Gehalt bekommt und er damit sorgsam umgeht. Als Nachweis dient der Bank entweder der Anstellungs­vertrag oder ein aktueller Gehaltsauszug. Der Kreditnehmer richtet aufgrund der Kreditzusage sein Dispositionsverhalten im Vertrauen darauf ein, dass dieses Limit nicht plötzlich gestrichen wird oder sich die Bedingungen (Zinsen /­ Sicherheiten usw.) plötzlich verändern.

Bei sich entwickelnder Berufskarriere wachsen dann ständig naturgemäß die Wünsche. Zunächst ein neues Auto, eine neue Wohnungseinrichtung und später ein neues Haus. Meistens können diese Wünsche durch das Einkommen und die Vermögenslage nicht sofort bedient werden, so dass Kreditaufnahmen meistens gegen entsprechende Sicherheiten unerlässlich sind, zumal die Einnahme­seite des Arbeitnehmers durch immer höhere Steuerzahlungen reduziert wird. Insofern kann man hier schon eine erste Symbiose zwischen Banken und Staat erkennen.

Wäre die Steuerbelastung und Abgabenhöhe für die Be­völkerung nicht so hoch, würde der Kreditbedarf der gesamten Gesellschaft nicht solche ungeheure Größenordnungen einnehmen und es entstünden nicht solche eklatanten Abhängigkeiten von letztlich einer inzwischen oligopolen Wirtschaftsgruppe, nämlich den Banken. Auch sollten sich die Politiker, insbesondere die Sozialpolitiker, welche immer nur höhere Ausgaben und damit die jetzige Verschuldungsproblematik mit zu verantworten haben, einmal selbstkritisch fragen, ob diese hohen Steuerbelastungen nicht einer der Gründe für die sich ab­zeichnende Altersarmut sind. Wer von den Normalverdienern kann es sich heute noch leisten, von dem versteuerten Geld, oder dem Rest, was einem der Staat noch übrig lässt, Reserven für das Alter aufzubauen.

Sicherlich werden gerade jetzt diese Politiker einwerfen, dass der Staat vielerlei Möglichkeiten geschaffen hat, privat für das Alter vorzusorgen. Rechnet man diese Programme mit einem einfachen Excel-Programm und bei Beherrschung der Zinsformel (Kapital dividiert durch hundert mal Tage= Zinszahl, diese multipliziert mit der Zins­höhe und dieses Ergebnis dividiert durch 360) entsprechend durch (machen leider viel zu wenige), wird man bald feststellen, dass damit die Pfründe der Banken und Versicherungen präserviert wurden und man letztlich damit nur dem Verwaltungsapparat dieser Anbieter ein langfristiges und permanentes Einkommen sichert, bzw. besser fahren würde, wenn man einfache Spar­programme monatlich bedient. Nur diese werden nicht staatlich gefördert, da diese Programme nicht mit hohen Verwaltungskosten dieser Institute belastet werden können. Hier zeichnet sich ganz klar eine tiefe Verwurzelung zwischen Staat, Banken und Versicherungen ab, da alle drei sich brauchen. Der Staat die Banken und Versicherungen zwecks Kauf der Staatsanleihen und die Banken und Versicherungen den Staat, um gerettet zu werden und dies alles auf dem Rücken der Bürger.

In all diesen Fällen spielt die Bank eine wichtige Rolle, sie versorgt den Kreditnehmer mit entsprechenden Kreditmitteln und kennt auf der anderen Seite seine Einkommensverhältnisse und errechnet auf dieser Basis seine Kreditwürdigkeit. Letztlich ein sauberes und nach­vollziehbares Geschäftsgebaren, auch wenn sich manchmal einige Kreditnehmer konditionsmäßig nicht entsprechend optimal bedient fühlen oder nicht den Kredit in der gewünschten Höhe bekommen. Das ist aber üblich in diesem Geschäft, da eine Bank natürlich ver­sucht, für sich die kaufmännisch optimale Ertragsmarge zu er­reichen. Außerdem entsteht dadurch ein gewisses Regulativ, keine allzu große Verschuldung entstehen zu lassen, welche für beide Seiten, Bank und Kreditnehmer, auf Dauer ungesund ist. Im Laufe der Zeit, insbesondere nach dem Wiedererwachen des Investmentbankings, wurde dieses Regulativ durch Investmentbankprodukte, genannt auch Kredit-Verbriefungen oder Derivate, sukzessiv immer mehr ausgehebelt. Durch die Möglich­keit, Kredite zu verbriefen, d. h. diese Kreditforderung in CDS- oder ABS-Wertpapiere umzuwandeln und damit verkaufen zu können zwecks Entlastung der Bankbilanz, vaporisierte sich dieses Regulativ in Sachen Verschuldung sehr weitgehend mit den bekannten sehr negativen Folgen aus der Dotcom- und der Finanzkrise.

Irgendwann, wenn das Haus abbezahlt und die Ausbildung der Kinder abgeschlossen ist, dreht sich dieses Kreditgeschäft in eine andere Richtung, d. h. der ehemalige Kreditkunde wird nun ein heiß begehrter Anlagekunde und er schlüpft damit unbewusst in die Funktion eines Kreditgebers. Somit vergibt dieser Anlagekunde Kredite an seine Bank, welche diese Gelder an diejenigen weiter­gibt, die Geld benötigen, also Privatleute und sonstige Rechts­personen, die sich nicht eines Bankkredites zur Finanzierung ihrer Geschäfte bedienen wollen. Das sind im Wesentlichen Staaten mit Staatsanleihen, Unternehmen mit Unternehmensanleihen, auch Aktien, da sich das Unternehmen dadurch die Kreditaufnahme durch Ausgabe von Aktien oder durch Kapitalerhöhungen erspart, und auch Spar- und Festgelder, welche er seiner Bank anvertraut. Seine Bank ist dann nur noch der Zwischenwirt für seine Anlage suchenden Gelder, indem diese ihm Wertpapiere aller Art verkauft oder seine Gelder annimmt, um sie als Kredite weiterzureichen. Die Bank haftet somit für seine Guthaben, welches bei den Investmentbankprodukten nicht der Fall ist, da verdient sie nur daran und das sehr kräftig. Das Risiko muss der Anleger selbst eruieren. Kann er das?

Jedes Kreditinstitut hat zur Abwicklung ihrer Kreditgeschäfte eine ausgeklügelte und professionelle (sollte sie zumindest haben) Logistik zwecks Erkennung und dann auch Reduzierung des Kredit­risikos mit der alleinigen Aufgabe, die Kreditwürdigkeit des Kredit­nehmers zu prüfen. Früher nannte man diese Einheit einer Bank „Kreditabteilung“ oder in vornehmeren Banken „Kreditsekretariat“. Heute wird dieser Bereich nach Installierung von Basel II als „Marktfolge“ bezeichnet, welches nunmehr das entscheidende Gremium in Sachen Kreditentscheidung geworden ist. Die Kunden­betreuer, die man nur mit geringen Kompetenzen ausgestattet hat, sind somit flügellahme Ansprechpartner der Kreditkunden auf der Firmen- und Privatkundenseite. Diese werden hierbei in den Bereich „Markt“ eingruppiert. Mit diesen Bezeichnungen sollte eine Affinität zum Markt hergestellt werden, jedoch folgen beide Gruppierungen nicht dem Markt, sondern müssen sich der jeweiligen Geschäfts­politik, getragen von den Risikoaversionen des jeweiligen Bank­hauses, anpassen.

Diese Risikoaversionen werden aber immer mehr von unterschied­lichsten Ratingsystemen gesteuert, die auf immer mehr ver­feinerten Wahrscheinlichkeitsrechnungen beruhen und die statistischen Erkenntnisse der Vergangenheit in die Zukunft extra­polieren zwecks Vorhersage eines wahrscheinlichen Kreditausfalls.

Diese Kreditratings erstellen größtenteils die angelsächsischen Investmentbanken für die Geschäftsbanken oder eigene Ratingtools werden von diesen eingekauft. Letztlich ist es eine Blackbox, die keiner der sie bedienenden Banker kennt und keinerlei Kontrollen unterliegt. Wem diese gehört und wer sie pflegt, vor allem sie richtig pflegt, bleibt ein Staatsgeheimnis.

Trotz aller meiner hier vorgetragenen Kritik gegenüber den Banken möchte ich aber hier ganz klar festhalten, dass der Kreditbereich der Banken unverändert der seriöse ist, allerdings nur bis zu dem Punkt, wenn vergebene Kredite verbrieft werden und damit die Nachvollziehbarkeit der Bonitäten aufgrund der hohen Anzahl der Kreditnehmer für einen Anleger, der eine solche Verbriefung kaufen will, nahezu unmöglich wird.

Der Kreditbereich setzt sich mehr oder weniger aus hoch professionellen Fachleuten zusammen und hat stets das Rückgrat der Banken dargestellt. Hätten die Bank­vorstände auf diese Fachleute gehört und nicht auf die angelsächsischen Unternehmensberater, die Vorhut des Investmentbankings und Totengräber der deutschen und europäischen Banken, sähe die Bankenlandschaft viel besser und diversifizierter aus als jetzt und hätte nicht diese ungeheuren und ungelösten Probleme (in ihren „Kellern“ liegen). Insofern ist es weiterhin unverständlich, warum diesen wohl bekannten „Beratern“ immer noch so viel Gewicht eingeräumt und warum für deren „Marktanalysen“ insbesondere im Finanzbereich immer noch so viel Geld bezahlt werden, ganz zu schweigen vom hohen Grad der Aufmerksamkeit, welches die Presse deren Aussagen widmet.

Dieser kurze Ausflug in die innere Welt einer Bank zeigt, dass das eigentliche Kreditgeschäft einer Bank ein hoch komplexes ist und vieler unterschiedlicher Experten bedarf. Diese sind zum Beispiel juristisch versierte Fachleute in den Abteilungen, welche die Sicherheiten (Grundschulden /­ Verpfändungen/­Abtretungen unter­schiedlichster Art usw.) für die Kredite verwalten, Bilanzen ana­lysieren und deren Entwicklung interpretieren können, die steuer­liche Komplexität von Projektfinanzierungen und Geschäftsent­wicklungen überblicken und deuten können, volks- und betriebs­wirtschaftliche Kenntnisse vorweisen, komplizierteste Buch­haltungsvorgänge beherrschen und zudem diesen gesamten Komplex verstehen müssen.

Früher wurden diese Kreditfachleute in den Banken jahrelang und sehr speziell ausgebildet. Egal ob man ein Studium der Betriebswirt­schaft, der Volkswirtschaft oder eine Banklehre vorweisen konnte, man musste (zumindest in der Dresdner Bank) erst noch eine zwei­jährige Kreditausbildung absolvieren, in welcher man mit der hoch­komplexen Materie des Kreditgeschäftes in allen Facetten vertraut gemacht wurde, um dann in weiteren zwei bis drei Jahren diese erworbenen Kenntnisse durch praktische Mitarbeit als Kreditsach­bearbeiter vertiefen zu können. Verlief diese Vertiefungsphase positiv, bekam man die Gelegenheit, sich entweder als Firmen­kunden- oder als Privatkundenbetreuer in Sachen Kredit im direkten Kontakt mit dem Bankkunden zu beweisen. Nach weiteren drei bis fünf erfolgreichen und i.W. wertberichtigungsfreien Jahren folgten weitere Qualifizierungsschritte in den Zentralen der Banken, im Durchschnitt für eine Dauer von zwei Jahren, in welchem man mit dem Großkreditgeschäft vertraut gemacht wurde. Verliefen auch diese erfolgreich, bekam man in Sachen Kredit höhere Weihen in Form eines interessanten Filialleiterpostens oder als Abteilungs­leiter in den maßgeblichen Kreditabteilungen oder in diesbezüg­lichen Stabsstellen.

Trotz dieser langen und intensiven Ausbildungsjahre in diesem Kerngeschäft der Banken ließen sich Fehleinschätzungen der Kreditwürdigkeit und somit schmerzliche Kredit-Wertbe­richtigungen und auch volle – Abschreibungen nicht vermeiden.

Heutige Kreditausbildungsprogramme der (Geschäfts-) Banken bieten aus Kostengründen nur noch mehrwöchige Crashkurse an und ersetzen das Kreditgeschäft zunehmend durch vorgegebene angelsächsische Ratingprogramme und Verbriefungen, die von „Spezialisten“, auch Investmentbanker genannt, in den jeweiligen Zentralen geschrieben und vorgenommen werden. Dies wird noch – wieder aus Kostengründen – verstärkt durch den seit Jahren permanenten Abbau dieser Kreditabteilungen /­ Risikoüber­wachungs­einheiten, so dass man sich bald fragen muss, über welche Kreditexpertisen die jeweilige Bank denn in Zukunft noch verfügen werden?

Wie sieht es aber nun mit der Logistik eines Anlegers aus, welcher eine ganz andere Berufsausbildung genossen hatte, wie z. B. ein Architekt, Arzt, Handwerker, Arbeiter oder Facharbeiter, Ingenieur und auch Unternehmer mit ganz anderen Fähigkeiten und Kennt­nissen? Durch die Geldanlage schlüpft der Anleger automatisch und meistens unbewusst in die Schuhe eines Kreditgebers, ohne auch nur über einen Teil einer Kreditexpertise verfügen zu können, die hierfür notwendig ist. Der Anleger vergibt nunmehr Kredite unter­schiedlichster Kategorien, d. h., er übernimmt Kreditforderungen in Form von Anleihen, Aktien, Investmentfonds, geschlossene Fonds usw., die entweder von den Banken, der Versicherungswirtschaft, den Finanzvertrieben, den Investmentfonds aller Kategorien oder sogar auch in den schlimmsten Fällen von seinem Steuerberater zwecks Verbesserung seiner Honorareinnahmen vertrieben werden, natürlich unter dem Blickwinkel der Steuerersparnis, mit der man nahezu jedes Finanzprodukt, insbesondere in Deutschland verkaufen kann. Substanz der Anlage oder Berücksichtigung der eigenen Liquidität = Zahlungsbereitschaft werden dabei meistens in den Hintergrund verbannt, ist doch gerade die fehlende Zahlungs­bereitschaft in den überwiegenden Fällen der Grund für eine In­solvenz.

Dieses hohe Angebotsvolumen von Finanzprodukten auf dem An­lagemarkt, welches für die Fachleute schon nicht mehr überblickbar ist, müsste ein Anleger, mit welcher Berufsausbildung auch immer, durch Fachleute seines Vertrauens überprüfen lassen und dieser Fachmann sollte vom Anleger bezahlt werden, damit ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Objektivität gewahrt wird.

Was macht aber ein solcher Anleger in den meisten Fällen? Richtig, er wendet sich hauptsächlich, wie schon seit Jahrzehnten, „ver­trauensvoll“ an den Teil der Gesellschaft, den man als die Finanz­industrie bezeichnet und erlebt dabei meistens sein blaues, zeitverzögertes Wunder.

15. März 2015

Elmar Emde

PS: Beitrag ist ein Auszug aus meinem Buch “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de