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Fintech

Unter diesem neuen Stichwort bezeichnet man junge und kreative Finanztechnologie-Firmen, welche mit ihren Ideen in den lukrativen Geldmarkt mit ihren neuen Produkten drängen. Dabei werden unterschiedliche Bereiche der Finanzmärkte berührt, von der Kreditvergabe über neuartige Plattformen, der Zahlungsverkehr über smartphones, crowd – Finanzierungsplattformen für Risikokapital oder technische Analysehilfen für den Anlagemarkt.

Die Presse spricht mittlerweile von einer Revolution und von einem tiefgreifenden  Umbruch für die Geldbranche, welche diese Entwicklung vor allem in Deutschland verschlafen haben soll.

In den USA soll es bereits rd.  8.000 Fintechs geben, angeheizt von den Erfolgen von face-book, google & Co. In Deutschland sollen nur  knapp 300 Fintechs an den Markt gegangen sein. Allerdings kann man trotz der schon relativ hohen Anzahl dieser Branchenteilnehmer außer der massenhaften Produktion von smartphone-Apps für alle möglichen (Informations)Bedürfnisse dieser Welt offiziell noch keine größeren Umbrüche erkennen.

Irgendwie erinnert einen das an das Mitte der  90er-Jahre aufgeflammte dotcom-Zeitalter, welches dann Anfang dieses Jahrhunderts jäh in einem Crash endete.  Das muss jetzt für die Fintechs nicht ebenso zutreffen, für den Anleger heißt das aber, große Vorsicht walten zu lassen.

Die jungen Wilden, wie sie auch genannt werden, bringen sicherlich frischen und notwendigen Wind in den von etablierten Spielern beherrschten Finanzmarkt. Leider hat diese Wildheit erfahrungsgemäß gezeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht immer zusammen passen und viele dieser wilden Fintechs die Bühne wieder verlassen müssen, man spricht in den nächsten 10 bis 15 Jahren von etwa 90% Ausschuß.

Betrachtet man die ausgeheckten Produkte dieser Fintechs, so wird man ein gewisses Unbehagen nicht ganz abstreifen können. Analysiert man beispielsweise die diversen Kreditplattformen, bei denen man von privat zu privat Kredite gewähren oder bekommen kann, stellt sich die Frage, ob die Kreditgeber (Anleger) überhaupt in der Lage sind, die Bonität des Kreditnehmers beurteilen  und mit den notwendigen Regularien umgehen zu können . Da scheinen sich enorme Geldverbrennungsmaschinen immer mehr zu etablieren. Betrugsfälle können dabei keineswegs ausgeschlossen werden.

Oder schauen wir uns das Crowd-Financing an, in welcher sich die Kleinanleger an irgendwelchen Firmen oder Ideen beteiligen können. Ich frage mich nur, wie diese Kleinfirmen mit keiner entsprechenden Finanzlogistik, die beispielsweise  ein Kapital von € 100.000 über jeweilige Anteile von  € 100,-, also über  rd. 1.000 Anleger einsammeln, diese 1.000 Anleger über die Geschäftslage zeitnah informieren wollen und können. Man muss eher befürchten, dass diese Informationskosten zu einem erheblichen Teil das eingesammelte Kapital von  € 100.000 aufbrauchen und somit der Erfolg dieses jungen Unternehmens gefährdet ist. Nicht vergessen werden dürfen hierbei die Gebühren der vermittelnden Plattformen (Makler), welche nicht unerheblich sind und daran sehr gut verdienen.

Man kann daher jeden möglichen Crowd-Finanzierer nur empfehlen,  nur solches Geld zu investieren, welches man nicht benötigt. Die Wahrscheinlichkeit, diesen Einsatz zu verlieren ist nahezu bei 100%.

Ein ganz besonderes Grummeln beschleichen  mich die modernen Analysesysteme der Fintechs. Siehe auch hierzu den Beitrag „Robo-Adviser, ein virtueller Ausbeuter der Anleger“ vom 19. April 2015 auf diesem Blog. Hier zählen Geschwindigkeit, ausgeklügelte Algorithmen  und Rechnerkapazität der EDV-Systeme über den Erfolg einer  Anlage, oder anders ausgedrückt, wer über das schnellere front-running-System verfügt und damit praktisch wie ein Insider andere Markteilnehmer benachteiligt, kann den Ertrag für sich verbuchen. Die Masse der Anleger nimmt hier nur die Rolle der Ausnehmenden ein, welche auf solche modernen Analysesysteme vertrauen.

Im Zahlungsverkehr träumt man schon davon, Gelder von smartphone zu smartphone ohne Bank übertragen zu können. Damit würde eine Geldmengenaufblähung entstehen, die jeder steuernden Zentralbank das Grausen bringen würde. Irgendwie ähnelt das den so genannten OTC (over the counter) – Geschäften, den Derivatengeschäften  ohne Einschaltung einer Börse,  welche zu einem extrem aufgeblähte Derivatemarkt geführten und womit ein ungeheuer großes und sehr beunruhigenden Derivatevolumen entstand, welches  zwischenzeitlich das zehnfache Volumen des Welt-BiB von über 600 Billionen US$ eingenommen hat. Jetzt versucht man mühsam über Meldesysteme der Banken, deren Kosten natürlich die Kunden wieder zu tragen haben, diesen Wildwuchs einzudämmen.

Bei aller Sympathie für das Neue, muss man auch hier die Kirche im Dorf lassen und auf der Hut bleiben. Es ist nicht alles Gold was glänzt und es bleibt zu befürchten, dass mit den Produkten der Fintechs die Masse der Anleger nur ausgebeutet werden sollen zwecks Erhöhung der Ertragslage der Finanzindustrie.

Beunruhigend hierbei ist die immer größere Vernetzung alles mit allem und dadurch die größere Durschaubarkeit aller und von allem.

31. Juli 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de




Betrug jetzt börsenreif?

Die Finanzindustrie hat sich mit dem Erscheinen des Investmentbankings, welches durch die enorme Entwicklung auf dem EDV-Sektor sehr stark befeuert und begünstigt wurde, in Regionen begeben, die man schon als kriminell bezeichnen kann. Mittlerweile mussten viele Groß- und Investmentbanken deswegen horrende Strafzahlungen leisten, welche einen Gesamtbetrag im hohen zweistelligen Milliardenbereich einnehmen. Weitere hohe Zahlungen aufgrund der laufenden Ermittlungsverfahren stehen noch aus. Leidtragende dieser Entwicklung sind rd. 90 % der jeweiligen Bankbelegschaft, welche seriöses und der Realwirtschaft nützliches Banking betreiben.

Eine beunruhigende Entwicklung nimmt hierbei die nicht mehr zu bremsende Computerisierung der Börsen und damit auch deren Anfälligkeit gegenüber Hackern und den Hochfrequenzhändlern ein. In meinem Beitrag „Hochfrequenzhandel + Dark Pools = Kundenmolkerei“ vom 25.1.2015 wurde kritisch die Funktionsweise des Hochfrequenzhandels  analysiert, insbesondere das damit möglich front-running beschrieben, welches letztlich zu einer grundsätzlichen Benachteiligung der Käufer und Verkäufer von Wertpapieren führt. Unverständlicherweise betrachtet dies die SEC als liquiditätsfördernde Maßnahme. Ich betrachte dieses technische front-running als illegal und kriminell und ist dem Tatbestand des Insider-Wissens gleichzustellen.

Erst kürzlich fand sogar ein US-Hochfrequenzhändler, die Firma Virtu Financial, den Weg zur Börse. Mittlerweile liegt der Börsenkurs aufgrund einer hohen Nachfrage derzeit 20% über dem Ausgabepreis. Selbst Kritiker des Hochfrequenzhandels wie die große Fondsgesellschaft T.Rowe Price soll sich nach Medienberichten einen Stück dieses IPO-Kuchens gesichert haben. Bei Virtu Financial soll es sich angeblich um einen guten Spezies seiner Art handeln bzw. um einen Makler, welcher zahllose Wertpapiere kauft und verkauft, um von den Spannen zwischen Angebots- und Nachfragekursen zu profitieren. Ähnliches funktioniert aber auch beim front-running.

Interessant wäre jedoch die Frage, wie man bei den zahllosen Deals, welche ein Hochfrequenzhändler in der Sekunde abwickeln kann, Presseberichte sprechen von bis zu 4.000 + x in der Sekunde, den guten und den illegalen Hochfrequenzhandel herausfiltern kann? Meines Erachtens ist das ein unmögliches Unterfangen!

So bleibt letztlich der Verdacht, dass auch hier Geschäfte betrieben werden, welche in das Zerrbild eines Bösewichts passen, zumal Virtu Financial seit ihrem Bestehen nur an einem Tag einen Verlust eingefahren haben soll (lt. FAZ v. 25.4.2015), ein typisches Merkmal für ein front-running.

Auch Investmentbanken standen in ihrer Anfangszeit vor etwa 25 Jahren für ein seriöses Geschäftsgebaren und gingen an die Börsen. Die Erkenntnisse der Aufsichtsbehörden seit der Lehmann-Pleite geben aber ein anderes und zum Teil kriminelles Bild wieder, welches durch die hohen und akzeptierten Strafzahlungen unterstrichen wird. Fragt sich nur, wann auch Rauschgift- und Verbrechersyndikate aufgrund ihrer hohen Ertragskraft als börsenreif eingestuft werden.

Hohe Ertragskraft oder anders ausgedrückt hohe Profite lassen die Ethik ins Nirwana verschwinden und begünstigen kriminelle Handlungen. Veränderungsbedarf ist angesagt.

1. Mai 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de