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Wissenschaft und strukturierte Finanzprodukte

Seit Anfang dieses Jahrtausends treten hiesige (Finanz-) Universitäten  als Vertreter der neuen Welt der strukturierten Finanzprodukte auf.  Wirtschafts- oder Bankenprofessoren hatte man für Workshops, Seminare und Kundeninformationsveranstaltungen verpflichtet, um diese Ideologie weiter­ zu ­ver­breiten. Auch jetzt findet man solche bei Kundenveranstaltungen von Vermögensverwaltern und Verkäufern von Investmentfonds.

Einen davon, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanz­dienst­leistungen, Herr Professor Burghof, einmal wird er als Bankenprofessor oder Wirt­schaftsprofessor betitelt, durfte ich auf einem Convent der baden-württembergischen Landesregierung in Stuttgart Mitte 2008 erleben. In einem integrierten Workshop der Deutsche Bank vertrat er doch tatsächlich die These, man solle doch nur die strukturierten Finanzprodukte kaufen, dann würde der Markt wieder belebt und liquide werden und die Finanzkrise würde abebben(??). Danach, in der Schlange vor dem Buffet, hatte ich die Gelegenheit, ihn auf diese gewagte These kurz anzusprechen, merkte aber auch, dass er sich damit sichtlich unwohl fühlte.

Ob das jetzt ehrliche Überzeugung aufgrund der damals von der Finanzindustrie angelsächsischen Charakters vorherrschenden Finanzideologie oder Honorarvorgabe der Deutsche Bank war, bleibt offen. Hätten die Teilnehmer dieses Workshops aber diesen Rat beherzigt, wären hohe Vermögensverluste einige Monate danach die Folge gewesen.

In den Folgejahren der Finanzkrise konnte man diesen Professor in Rundfunk und Fernsehen auf Talkshows vernehmen, wie er die Bankenwelt – und jetzt allerdings zu Recht – analysierte und kritisierte. Jeder macht eben seine praktischen Erfahrungen, auch jeder akademisch Vorgebildete und Vertreter dieser theoretischen Zunft.

Allerdings konnte man nach der Präsentation des katastrophalen Ergebnisses der Deutsche Bank zum IV. Quartal 2012 und damit des Gesamtjahres 2012 wieder kluge Ratschläge von diesem Banken­professor aus der Presse entnehmen. „Jain und Fitschen müssen aus dem Prestige Deutschlands in der Welt Kapital schlagen. Es geht darum, ein Gütesiegel „Made in Germany“ im Banking zu etablieren – eben etwas teurer, dafür aber auch besser“.

Kein Wort davon, wie schädlich das Investment-Banking für die Weltwirtschaft ist, kein Wort davon, wie die Finanzindustrie über ihre Wahrscheinlichkeitsrechnungen die Kunden benachteiligt. Ob diese von der Deutsche Bank unverändert betriebene Geschäftspolitik zudem das Siegel „Made in Germany„ erhalten soll, bleibt fraglich.

Dieser „Bankenprofessor“ schlägt eine Marketingstrategie vor, wie man diese risikoreichen Finanzprodukte besser verkaufen kann, nichts weiter. Vielleicht hofft er auf ein weiteres Beratungsmandat.

Selbst Prof. Raffelhüschen, ein anerkannter Verfechter der privaten Altersvorsorge, hatte sich im Juli 2008 vor den Karren der Union Invest, einen der größten Produzenten und Vertreiber von Investmentfonds und strukturierten Finanzprodukten, spannen lassen. Meine diesbezüglichen Hinweise auf die Risiken dieser strukturierten Finanzprodukte, die sich insbesondere in den Vorsorgeprodukten wiederfinden, bezeichnete Herr Prof. Raffelhüschen als eine apokalyptische Prophezeiung. Leider gaben mir die Ereignisse einige Monate später mit der Pleite von Lehman Brothers Recht.

In einem Interview des Fernsehsenders Phoenix hatte Herr Prof. Dr. Carl Christian von Weizsäcker, ein hoch dekorierter Finanzwissenschaftler und Mitglied vieler wissenschaftlicher Institutionen, die Deutsche Bank, meines Erachtens ein Paradebeispiel für das Investmentbanking mit angeschlossenem Commercial Banking, als ordentliche Bank bezeichnet. Ob man eine solche Bank mit über 6.000 Rechtsstreitigkeiten  mit ihren Kunden und vielen Verstrickungen in unredliche Manipulationen als ordentliche Bank bezeichnen kann, überlasse ich dem geneigten Leser.

Daraus kann man nur folgern, dass selbst anerkannte und hoch­intelligente Personen sich dieser Gefahren und Konsequenzen, die in diesen intelligent zusammenkonstruierten Finanzprodukten stecken, keinesfalls bewusst sind oder sie sind schon zu sehr mit dem Marketing der Banken verfallen. Letztlich eine Steilvorlage für den Verkauf dieser sehr fraglichen Produkte.

13. Januar 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de