In 2003 verfasste ich folgende Analyse unter dem Titel
“Kartell der Schönfärber oder die McKinsey / Boston Consult Connection”
welche die damalige Situation der Geschäfts-/Grossbanken schilderte.
Festgehalten werden kann, dass sich an dieser Situation wenig geändert hat und die Gross- / und Geschäftsbanken immer noch mit den alten Problemen kämpfen, verschärft durch das online-Banking und die katastrophale Geldpolitik der EZB.
Die Banken in Deutschland, insbesondere die Geschäfts-/Großbanken mit einer über hundert Jahre alten Tradition und Geschichte, befinden sich derzeit in einer ihrer schwersten, ja sogar existenzgefährdendsten Situation. Innerhalb weniger Monate müssen Milliarden-Euro-Verluste hingenommen werden, Stellenabbau im großen Stil und damit Unterstützung des negativen wirtschaftlichen Trends ist das weitere Ergebnis. Obwohl sich die Wirtschaft noch nicht in einer Rezession befindet, die Banken in der Vergangenheit aber schwerste Rezessionen ohne größere Blessuren überstanden/überlebt haben, fragt man sich, warum gerade die Banken nur in Deutschland mit solch katastrophalen und existenzgefährdenden Ertragseinbrüchen zu kämpfen haben.
Die Gründe hierfür liegen schon einige Jahre zurück und haben ihren Ursprung etwa Mitte der 90er-Jahre im Zuge der shareholder-value-Hysterie, massiv angeheizt aus dem angelsächsischen, insbesondere dem US-amerikanischen Raum, dem Sitz vieler bekannter Investmentbanken und vor allem von Unternehmensberatungsgesellschaften, an vorderster Front McKinsey und Boston-Consult.
Diese über sehr eloquente und rhetorisch begabte Berater verfügende Gesellschaften schafften es in Co-Produktion mit den sie beratenden Investmentbanken wundersamer weise, nahezu sämtliche Vorstände der deutschen Banken von einer Neugestaltung der deutschen Bankenlandschaft zu überzeugen, eben um den „shareholder-value“ zu erhöhen. Strategie war nunmehr das Zauberwort, an welchem kräftig gearbeitet und gebastelt wurde und welches „Analysten“, insbesondere Moody’s und Standard Poor für eine positive Berichterstattung einforderten.
Der Analysten-Wahnsinn begann.
Heraus kam aber überall dasselbe Produkt, nämlich ein Kosteneinsparungsprodukt (was denn sonst!), genannt auch Zentralisierung und Personalabbau, hauptsächlich im Kreditsektor. Verkauft wurde es als „Bündelung der Kräfte“ / „Verkürzung der Entscheidungswege“ und führte dazu, dass lokale Expertisen abwanderten und man ältere und erfahrene Banker – inzwischen zu teuer geworden – im Zuge der damit einhergehenden Filetierung der Bereiche und Schaffung neuer Stabsstellen in die Wüste des für die Bank zu teuren Vorruhestands schickte und sie durch deutlich jüngere, angeblich „dynamischere“, aber dafür in allen Belangen unerfahrenere Kollegen, ausstaffiert mit Einser-Abitur, Top-Studien-Abschlüssen und Eloquenz ersetzte. Dieser Jugendwahn gipfelte letztlich darin, dass es zum guten Ton eines Bankhauses gehörte, junge Banker weit unter vierzig, ausgesucht und durchgecheckt von McKinsey/Boston-Consult, mit wenig Kunden- und Markterfahrung in den Vorstand zu berufen, dienten sie, ausgestattet mit einem Schnellkursus im Kreditgeschäft, jedoch nur den Vorstandsvorsitzenden als wohlgesinntes Stimmvieh.
In dieser Zeit fanden eine Menge Unternehmensberater dieser Gesellschaften, letztlich die Karrierebereiter dieser „New Generation“, einen neuen wohl dotierten Job bei diesen Banken, hatten sie doch diese neue Philosophie umzusetzen, was sie dann auch in jugendlicher und weltmeisterlich dilettantischer Art vollzogen.
Nur noch Banker weit unter vierzig, eloquent und dynamisch oder Quereinsteiger aus dem Dunstkreis dieser amerikanischen Unternehmensberatergesellschaften waren gefragt, hatten die besten Karrierechancen und wurden nunmehr in die wichtigsten Entscheidungsgremien der Banken berufen. Diese verfuhren dann ähnlich wie ihre Karrierebereiter und besetzten die weiteren Führungspositionen ebenfalls mit diesem jungen Muster. Am Ende hatte man das Gefühl, dass die Banken nur noch Mitarbeiter um die dreißig, höchstens Anfang vierzig beschäftigten. Selbst die bei NTV zu Wort kommenden Analysten der diversen Banken erweckten den Eindruck von Studienabgängern.
Das Pech dieser neuen Philosophie bestand aber nun darin, dass zwar die Bruttoerträge in gewohnter Weise zwar stiegen, die Nettoerträge aber weit hinter den Erwartungen blieben, sogar ins Negative abrutschten. Die Strategen hatten nicht bedacht, dass Zentralisierung sowie die Neugestaltung von zusätzlichen Fachbereichen zu übergroßen Wasserköpfen und hohen Reibungsverlusten führten, grundsätzlich übermäßig mehr Bürokratie bedeuten und damit deutlich höhere Kosten verursachten. Des Weiteren verursachte der Personalabbau in Kredit-Back-Office zusammen mit den nunmehr blauäugigen jungen Kundenbetreuern zu ansteigenden Wertberichtigungen im Kreditgeschäft.
Glücklicherweise überdeckte die durch die theoretisch hoch gebildeten, aber praktisch total unerfahrenen Analysten und Investmentbanker angeheizte positive Stimmung auf den Neuen Markt diese Fehlleistungen, beschleunigte allerdings den Abbau der traditionellen Bankgeschäfte, im Wesentlichen das Kreditgeschäft (wegen der Wertberichtigungen). Dieses Traditionsgeschäft lag den auf schnelles Geschäft geeichten (Investment-)Bankern aufgrund der Kompliziertheit dieser Materie sowieso nicht. Zudem hatten doch „kluge“ und im Wesentlichen jugendliche McKinsey/Boston-Consult Berater herausgefunden, dass das Kreditgeschäft alleine betrachtet unrentabel wäre und man deshalb doch das Provisionsgeschäft, sprich das viel profitablere Wertpapiergeschäft den Vorzug geben sollte.
Kreditgeschäft war somit total out und war nur noch mit hohen Kreditmargen genehmigungsfähig. Die New Generation hatte jedoch noch nicht erfahren und erlebt, dass hohe Kreditmargen hohes Kreditrisiko bedeuten, ebenso im Übrigen auch hohe Renditen im Wertpapiergeschäft durch zu großer Beimischung von risikoreichen Aktien, die hochgejubelte Wunderwaffe des Anlagespektrums. Mit dieser jugendlichen Blauäugigkeit wurde aber eine Basis geschaffen, welche zu der heutigen katastrophalen Situation u. a. führte.
Als Äquivalent für das rückläufige Kreditgeschäft wurde dann massiv in den personellen Ausbau des Investmentbankings investiert, galt es doch nunmehr als die neue Königsdisziplin des Bankgeschäfts.
Der neue Karriereweg lautete: Man muss Investmentbanker sein, kein Deutsch können und vor allem das Glück der späten Geburt haben, d. h. unter vierzig oder gerade mal vierzig sein.
Investmentbanker tauchten somit in den Entscheidungsgremien auf und gaben, bzw. geben immer noch den Ton an.
Diese goldene Zukunft währte allerdings nur eine kurze Zeit und fand ihren jähen Absturz im Frühjahr 2000. Hektische Fusionsgespräche zuerst mit der einen und dann mit der anderen Bank war die Folge und wurden verkauft als „Schaffung von Schwergewichten mit akzeptablem Marktanteil“ und „genügender Rendite“. Nachdem diese Gespräche scheiterten suchte man sein Heil in einem weiteren und verstärkten Ausbau des Investmentbankings, kaufte zu völlig überteuerten Preisen „Investmentboutiquen“, insbesondere aus Amerika hinzu, obwohl sich auf diesem Markt das Investmentbanking bereits in einem Absturz befand.
Traditionell profitable Bereiche wurden daraufhin mit dem Investmentbanking verschmolzen, diesem dann auch noch untergliedert zwecks Überdeckung des äußerst defizitären Investmentbankings. Graben-kämpfe zwischen den Investmentbankern und den Corporate-Bankern (Firmenkundenbetreuern) waren die Folge und lähmen derzeit die Banken zum großen Schaden der Kunden und der Volkswirtschaft.
Das Privatkundengeschäft erlebte in dieser Zeit ebenfalls ein Bad der Gefühle. Einmal war es der Verlustbringer, wurde aufgeteilt und mit neuem Namen versehen zwecks evtl. Verkaufs, das andere Mal war es dann wieder der Dividendenzahler und das ertragsreichste Segment. Zu guter Letzt „erhöhte“ (?) man die Vertriebskraft (?) durch Schließung von ohnehin in der Fläche mager vertretenen Filialen (?).
Die Auswirkungen dieser dilettantischen Fehlleistungen und Kostenproduktionen sind ganz klar an der Börsenentwicklung abzulesen. Seit März 2000 brach die Börsenblase zusammen, sei Anfang 2000 wurde den jugendlichen Bankern klar, dass operativ die von den Angelsachsen vorgegebenen Renditen von 15% im Kreditgeschäft nach Steuern keinesfalls zu erreichen waren. Der Verkauf von eigenen Wertpapierbeständen zwecks Beschönigung der Ertragslage / Aufdeckung der stillen Reserven wurde sukzessiv schon in 1999 gestartet und damit der negative Börsentrend permanent bis heute aufrechterhalten, vielleicht sogar damit ausgelöst.
Bestes Beispiel hierfür zeigte vor wenigen Monaten die Deutsche Bank, welche bei sehr niedrigen Kursen von Daimler Benz einige Prozent Anteile an der Börse sukzessive platzieren konnte. Wie groß muss in diesem Bankhaus, welches unverändert auf das Investmentbanking global setzt, der Druck sein? Es liegt die Vermutung nahe, dass aufgrund der sehr negativen Erfahrungen vieler Depotkunden zusammen mit den Großpleiten in den USA die Börse auf Jahre hinaus von einer Vertrauenskrise und somit Lethargie überschattet sein wird. Ärgerlich für viele Depotkunden ist nur, dass am Schalter wider besseren Wissens permanent von Einstiegskursen gesprochen wurde und diese damit zur Schönfärbung der Bankbilanzen beigetragen haben.
Das i-Pünktchen dieser Geschichte ist die vorgesehene Einführung der Grundsätze nach Basel II, denen bereits die MAK’s (Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft), beraten und beschlossen mit Unterstützung der „angelsächsisch angehauchten New Generation à la Boston-Consult/McKinsey“, voraus eilten. Absicht dieser Mindestanforderungen ist die künftige Vermeidung von Kreditrisiken und dient letztlich nur den zwischenzeitlich in allen Gremien der Banken vertretenen Investmentbankern als Alibi, das nicht geliebte Kreditgeschäft auf nur äußerster Sparflamme zu fahren. Das Prekäre an diesen MAK’s ist jedoch die Trennung von Kreditvertrieb und Kreditentscheidung, bedeutet unterm Strich Kreditentscheidung durch introvertierte und unternehmerisch nicht qualifizierte Bankmitarbeiter, die diese Zuschiebung der Verantwortung nicht zu ihrem Berufsziel auserkoren hatten. Worst Case ist daher vorsichtshalber die Richtschnur dieser jungen, jetzt auch Analysten genannten Banker, welche diesbezüglich unterstützt werden durch pseudowissenschaftliche und auf Ablehnung geeichte, aus den USA eingekauften Ratingsysteme. Die stark negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft werden nicht ausbleiben, bzw. zeigen bereits sehr negative Wirkungen.
Was ist zu tun? Die Filetierung des Bankgeschäfts nach amerikanischem Muster hat zu großen Wasserköpfen, zu Entscheidungsnotstand und hohen Kosten geführt. Druck in allen Bereichen und übermäßiges, nicht zielführendes Kostendenken ist an der Tagesordnung und führt zu weiteren Fehlentwicklungen. Ein sukzessiver Rückbau ist angesagt durch Implementierung der verloren gegangen Selbstverantwortung in den Filialen als Einheit und einer schon lange eingeforderten verlässlichen und leistungsbezogenen Vergütung der Mitarbeiter.
Das Investmentbanking kann nicht das beherrschende Modul des Bankgeschäftes sein, es ist und bleibt ein Spezialgebiet mit hoher spezieller Expertise, zumal der Kapitalmarkt anscheinend auf Jahre hinaus nicht mehr die Bedeutung haben wird, welche für das Investmentbanking benötigt wird. Darüber hinaus denken Investmentbanker nur transaktionsbezogen und nicht ausgerichtet auf die Schaffung einer langjährigen positiven Kundenbeziehung.
Hinsichtlich des Kreditgeschäftes, der Türöffner für viele Provisionsgeschäfte, muss es wieder möglich sein, die unternehmerische Kompetenz der Kreditnehmer höher zu bewerten als bisher. Schlechte Bilanzen werden durch gutes Management wieder besser, gute Bilanzen werden durch schlechtes Management wieder schlechter. Im Kreditbereich aus Kostengesichtspunkten noch weiter abzubauen ist der falsche Weg. Aufbau diesbezüglicher Kapazitäten zwecks professionellem Handling des immer bestehenden Kreditrisikos ist der richtige Weg.
Ob diese Maßnahmen/die Sanierung mit den derzeit bekannten und für diese Entwicklung verantwortlichen Vorständen, intern schon mit den Spitznamen „executive-boys“ tituliert, von Erfolg gekrönt sein wird, muss sehr stark bezweifelt werden. Vor allem sollten sich die Banken von diesem Jugendwahn verabschieden, Jung und Alt wieder mischen und sich dann auf ihren eigenen unternehmerischen Sachverstand zurückbesinnen und nicht wie dummer Lämmer jeder modischen McKinsey/Boston-Consult Empfehlung hinterherzurennen, zumal diese Empfehlungen jeder Bank angeboten werden. Die Empfehlungen der amerikanischen Berater insbesondere von McKinsey, welche – O-Ton-FAZ –„ zu den wichtigsten Beratern der in Schwierigkeiten steckenden deutschen Banken gehören“ (!!!!!!!) und somit die Auslöser dieser Bankenmisere sind, sollten schleunigst in den Papierkorb wandern.
10. September 2018
Elmar Emde
Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”