Aktienrente – eine Hochrisiko-Fatamorgana

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Der Glaube an eine immer bestehende und steigende Rendite bei einer Aktienanlage hat zwischenzeitlich auch die Politik erfasst, insbesondere den Finanzminister Lindner und seinem Ampelkollegen Heil (Arbeitsminister). Beide erhoffen sich mittel- bis langfristig eine Dämpfung  des Anstiegs des Rentenbeitragssatzes, ebenso  bei den Leistungen des Bundes  an die Rentenversicherung, welche jährlich eine Höhe von jährlich € 100 Milliarden (lt. Handelsblatt) einnehmen.

Frage ist nur, ob diese Hoffnung in Erfüllung geht, da sie doch auf äußerst tönernden Füssen steht.

Das Konzept sieht wie folgt aus:

  • Der Bund nimmt im ersten Schritt € 12 Milliarden, später sollen es bis zu € 200 Milliarden werden, über den Kapitalmarkt auf und muss dafür einen Zins bezahlen, welcher derzeit im Durchschnitt bei 1,3% p.a. liegt, aber mit steigender Tendenz.
  • Diese € 12 Milliarden, auch Generationenkapital genannt, werden dann in globale Aktien angelegt und man geht davon aus, dass die Renditen bei den Aktien grundsätzlich höher sind als der Zins, den der Bund für die Refinanzierung bezahlen muss.
  • Was aber, wenn die Wirtschaft stagniert, Dividenden ausbleiben, Kursverluste eingefahren werden und auf der Refinanzierungsseite die Zinsen steigen aus Gründen wie auch immer?

Zusammengefasst heißt das, der Aufwand der Refinanzierung ist fix, die Erträge daraus nicht bzw können im worst case sogar auf Null bis ins Minus laufen, welches dann der Steuerzahler ausgleichen muss.

Aus unterschiedlichen Publikationen geht hervor,  dass die durchschnittliche Rendite bei globalen Aktien in den letzten 20 Jahren bei 8% p.a. und in den letzten 30 Jahren bei 8,8 % p.a. lagen.

Andere historische Daten zeigen dagegen, dass die Gewinne von börsennotierten Unternehmen langfristig  bei rd. 5% p.a., die Dividendenrenditen  bei rd. 3% p.a. lagen.

Diese unterschiedlichen Renditeangaben lassen nur den Schluss zu, dass bei den durchschnittlichen Renditen von 8% p.a. und 8,8% p.a. alle Aktiengesellschaften mit guter und schlechter Bonität enthalten sind, evtl. auch von solchen Unternehmen, welche aus Gründen wie auch immer nach Erhebung dieser Renditegröße das  Zeitliche segnen mussten, bzw. diese Statistik die damit verbundenen Substanzverluste durch Insolvenzen, Übernahmen etc.  nicht berücksichtigt.

Insofern kann nur die durchschnittliche Dividendenrendite der börsennotierten Unternehmen und damit der seriösere Teil  der Aktiengesellschaften die eigentliche Messlatte für die Aktienrendite  sein.

Somit ergäbe sich mit Blick auf die derzeitigen Refinanzierungskosten des Bundes von 1,3% p.a. nur eine positive Differenz von 1,7% p.a., optimitischerweise von 2% p.a. bis 2,5% p.a., wobei die Kosten der Verwaltung (u.a.Vermögensverwalter) von um die 1% p.a. plus minus x , im besten Fall von unter 1% p.a. noch nicht berücksichtigt worden sind, ebenso die ganz sicher auftretenden Kursverluste.

Vorausgesetzt, diese positive Differenz von optimistischen 2,5% p.a.  bliebe bestehen, so ergäbe das bei einem „Generationenkapital“ (besser wäre Generationenverbindlichkeit) von € 12 Milliarden einen positiven Zinsunterschied  von € 300 Millionen, bei einem Generationenkapital von € 100 Milliarden einen positiven Zinsunterschied von € 2,5 Milliarden, bei im Handelsblatt  erwähnten notwendigen aber unwahrscheinlichen € 340 Milliarden einen positiven Zinsunterschied von € 8,5 Milliarden.

Diese positiven Zinsunterschiede stehen aber in keinem Verhältnis zu den derzeitigen jährlich € 100 Milliarden an Zuschüssen, beinhalten aber ein gewaltiges Risiko für die Substanz des Generationenkapitals. Und hierbei ist die Rückzahlung der Verbindlichkeiten für die Refinanzierung noch nicht berücksichtigt.

Um dieses Risiko in etwa erfassen zu können, wird ein Blick auf die derzeitige Verfassung der Börsen weltweit notwendig, welche momentan alles andere als stabil eingeschätzt werden kann. Ganz abgesehen von den vielen äußeren weltpolitischen  negativen Umständen, geben Kursentwicklungen und vor allem der Mainstream unter den Vorständen von Aktiengesellschaften und deren Aktionäre = innere Umstände Anlass zu großer Sorge in Bezug auf die Seriosität der Aktienwerte und deren Renditen und zwar aus folgenden Gründen:

  • Die Aktienkurse bewegen sich auf historischen Höchstständen, welche beim jetzigen Kauf von Aktien die Dividendenrenditen bezogen auf das eingesetzte Kapital zusammenschmelzen lassen würden und somit auch den oben erwähnten positiven Zinsunterschied von 2,5% p.a.
  • Warum die Aktienkurse derzeit trotz der widrigen weltwirtschaftlichen Umstände diese Höchststände erreicht haben, darüber rätseln viele Finanzexperten und schieben dies auf unterschiedliche Gründe, welches teilweise in Kaffeesatzleserei ausartet.
  • Fest steht aber, dass hier die großen Vermögensverwalter (die 10 größten verwalten rd. US$ 41 Billionen) und deren Indexfonds (legen über diese Form hauptsächlich an) einen erheblichen Anteil an den zum Teil astronomischen Kurssteigerungen und damit imaginären/unrealistischen  Börsenwerten (u.a. Apple in der Spitze US$ 2,7 Billionen stehen in keinem Verhältnis zur Substanz) haben. Man muss daher diesen Akteuren großes Interesse am weiteren Zuwachs und Bestand der hohen Börsenkurse unterstellen, welche aber nicht die eigentlich Substanz widerspiegeln.
  • Vorstände neigen dazu, den Börsenkurs ihres Unternehmens aus Gründen wie auch immer nach oben zu puschen. Entweder durch den Rückkauf eigener Aktien, womit das Eigenkapital reduziert, die Verschuldung aber je nach dem erhöht wird, oder durch unangemessene Dividendenausschüttungen in Größenordnungen, welche den jeweiligen Jahresgewinn deutlich übersteigen.
  • Ein beliebtes Spiel der Vorstände ist zudem das Wachstumsspiel, d.h. Wachstum durch Übernahmen aller Art zu Preisen, die den eigentlichen Wert der übernommenen Unternehmen weit übersteigen mit der Folge, dass Wertberichtigungen nicht ausbleiben. Schaut man sich z.B. die Bilanzen der DAX-Unternehmen an, fällt auf, dass ein erheblicher Teil kaum abgeschriebene und alte good wills sowie immaterielle Aktiva aktiviert haben, welche sogar das Eigenkapital übersteigen oder Größen zwischen 50% bis 100% des Eigenkapitals einnehmen.
  • Treiber dieses Spiels sind vor allem die Investmentbanken mit Ihren M&O – Abteilungen und die Private Equity Branche, welche die eigentlichen Gewinner dieses Monopoly Spiels sind und extrem hohe Gebühren vereinnahmen können. Es bleibt zu vermuten, dass diese Branche letztlich der Lobbyist dieser Aktienrente ist.
  • Dieses Spiel wird global gespielt und hat die Bilanzen weltweit mit heißer Luft  auch in Bezug auf die Ertragslage aufgebläht.

Fazit:

Die Aktienrente ist eine Hochrisiko – Fatamorgana in Bezug auf Entlastung des Staates bei den Rentenzuschüssen und auch für die künftigen Rentenbezieher, die man solch ungewissen Zocker-Auswirkungen nicht aussetzen sollte. Es bleibt eher zu befürchten, dass der Steuerzahler wiederum die bei Aktienanlagen ganz sicher auftretenden Verluste wieder ausgleichen muss.

Man unterwirft sich damit den Akteuren des Kapitalmarktes, welche diesen schon einige Male haben fast kollabieren lassen.

Selbst die Versicherungswirtschaft sieht die Aktienrente äußerst skeptisch, zumal sie in Bezug auf Kapital gedeckte Rente (Lebensvesicherung) die größte Expertise hat. Selbst vielen Versicherungsnehmern dürfte dies bewusst geworden sein bei Auszahlung der Lebensversicherung, welche in der Höhe meistens deutlich unter den kalkulierten Werten bei Abschluss lagen.

Man sollte daher  lieber die Finger davon lassen und andere Wege gehen, welche die Struktur des Umlageverfahrens  deutlich verbessern.

Vorschlag:

Fakt ist, dass die Einnahmen auf Basis der jetzigen Struktur des Umlageverfahrens die Höhe der Renten auf Dauer aufgrund der bekannten Umstände nicht halten kann. Diese Struktur bedarf daher einer dringend notwendigen Reform ohne die bisherigen Einzahler nicht noch weiter zu belasten und zwar wie folgt:

Beamte und Richter:

Lt. Statista 2023 werden in der BRD (Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherung) rd. 1,75 Millionen Beamte und Richter beschäftigt, welche keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, das übernimmt der Staat bzw. der Steuerzahler. Früher hatten die Beamten kein üppiges Gehalt, welches letztlich über das Versprechen für eine überdurchschnittliche Rente kompensiert wurde. Mittlerweile haben sich die (auch steuerfreien) Gehälter neben den vielen Begünstigungen dem Niveau der Wirtschaft angeglichen, so dass genügend Freiraum für eine Beteiligung der Beamten an der Rentenversicherung an sich das Gebot der Stunde wäre.

Es ist nicht einzusehen, warum der Steuerzahler die Renten der Beamten immer noch alimentiert, zumal die Last dieser Rentenbezüge den Staat immer mehr überfordern wird.

Gewerbetreibende:

Von deren gibt es in Deutschland lt. Statista 3,4 Millionen  „Rechtliche Einheiten“, davon ca. 2 Millionen Einzelunternehmer (u.a. Handwerker etc), für die keine Pflicht zur Einzahlung in die Rentenkasse besteht.

Selbständige in freien Berufen:

Lt. Statista zum 1.Januar 2022  gab es rd. 1,47 Millionen Selbständige in den freien Berufen, für die ebenfalls keine Plicht zur Einzahlung in die Rentenkasse besteht.

Viele oder die meisten der Gewerbetreibenden und Selbständigen in den freien Berufen zahlen nicht freiwillig ein, da sie im Spannungsfeld zwischen Auftragslage, Umsatz, Ertrag und letztlich ausreichender Liquidität zur Bedienung der Bankkredite und Rechnungen stehen.

Verschärft wird die meistens nicht üppige Liquiditätslage durch das hohe Steuerniveau,  insbesondere durch vergangenheitsbezogene Steuervorauszahlungen, welches vielen Kleinunternehmen regelrecht die Luft zum Atmen nimmt und somit vorgesehene Zahlungen an die Rentenkasse nach hinten verschiebt mit evtl. fatalen Auswirkungen bei Eintritt in das Rentenalter, für die dann der Staat mit Sozialrenten etc evtl. einspringen muss.

Bei einem zu versteuernden Einkommen von nur € 61.972 greift bereits der Spitzensteuersatz von 42% (zzgl. Sozialversicherungen, Kirchensteueretc.) und liegt im weltweiten Vergleich auf Platz 6 von 179 Ländern. USA hat einen Spitzensteuersatz von derzeit 27,1% und landet damit auf Platz 57.

Um Gewerbetreibende und Selbständige in freien Beufen vermehrt zu Zahlungen in die Rentenkasse veranlassen zu können, wäre eine dringende Senkung der Steuerlast notwendig, letztlich ein allzu frommer Wunsch, oft wiederholt von allen Schichten der Gesellschaft, die allerdings auf taube Ohren des Staates bzw. der Politiker stoßen.

Überrenten:

Vorstände großer Unternehmen verabreichen sich in der Regel hohe Rentenbezüge, für welche die Unternehmen hohe Pensionsrückstellungen bilden müssen, die letztlich den Gewinn des Unternehmens schmälern, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens  und damit das Steueraufkommen. Somit bezahlt in gewissen Umfang der Steuerzahler die Überrenten, welche schnell Größen von € 120.000 pro Monat einnehmen können.

Das betrifft auch die Renten hoher Beamter, bei denen € 20.000 pro Monat keine Seltenheit sind.

Insofern sollte eine Deckelung dieser Überrenten vorgenommen werden. Letztlich haben die Bezieher der Überrenten in der Vergangenheit schon über hohe Einkünfte verfügt und waren somit in der Lage, privat vorzusorgen.

Das Umlageverfahren richtig justiert ist immer noch die beste und stabilste Art der Rentenfinanzierung, die Aktienrente widerspricht allen bisherigen kaufmännischen Erfahrungen und sollte daher unterbleiben.

Besser wäre es, wenn diese vielen Aktienrente-Milliarden für die Investitionen in die hiesige Infrastruktur und Bildung – der eigentliche Rohstoff Deutschlands –  verwendet würden. Die Rendite daraus dürfte sicherlich viel höher werden, als die ungewisse Rendite, die man sich aus der Anlage in Aktien erhofft. Nutznießer dieser Aktienrente  sind hier im Wesentlichen  die Akteure der Finanzwirtschaft / Investmentbanker, welche vermutlich dann auch noch im Ausland leben und dort Steuern bezahlen.

Ohlsbach, den 8. August 2023

Elmar Emde

Ergänzung:

Den Vorschlag von Herrn Linnemann/ CDU, arbeitswilligen Rentnern  die Einkommenssteuer zu erlassen und evtl. die Sozialbeiträge nur reduziert weiter in Abzug zu bringen bei gleichzeitiger Zahlung ihrer erworbenen Rentenansprüche und dem Alter angepasster Ausgestaltung der Arbeitszeit, empfinde ich als einen sehr guten (zusätzlichen) Vorschlag.

Nicht alle Rentner wollen nicht mehr arbeiten. Nach meiner Kenntnis besteht eine sehr große Bereitschaft unter allen Rentnern, weiterhin – in welcher Form auch immer – zu arbeiten und damit dem Lebensabend noch weiteren Sinn zu geben. Damit würde das Umlagesystem,   und – das vergessen viele – die Gesundheit der Rentner weiter gestärkt , Krankenkassen damit entlastet werden. Außerdem reduziert sich damit  das Facharbeiterproblem, da diese Rentner über eine sehr große Erfahrung verfügen, welches viele Vorstände mit Ihrem Fokus auf die Kosten leider immer wieder vergessen.

Ohlsbach, den 9.11.2023

Elmar Emde

 

 

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2 Gedanken zu “Aktienrente – eine Hochrisiko-Fatamorgana”

    1. Hallo Jürgen,
      der schwedische Pensionsfonds besteht seit 2000. Der schwedische Arbeitnehmer zahlt seitdem 16% des Bruttogehaltes in die umlagenfinanzierte Rente und verpflichtend und automatisch 2,5% in kapitalmarktbasierte Produkte ein. Es wurde damit ein sich immer größerer Kapitalstock gebildet, d.h. mit Mitteln des Eigenkapitals wurden die Wertpapiere gekauft. So auch beim norwegischen Staats-/Rentenfonds, welcher aus den hohen Eröleinnahmen gespeist wurde, wie bei vielen anderen Staatsfonds.

      Das deutsche Modell sieht eine Verschuldung des Staates vor, aus deren Mitteln dann die Wertpapiere gekauft werden sollen. Das ist ein riesiger Unterschied und unseriös.
      Diese Teil-Rente hängt somit vom Geschick der Fondsmanager ab, die zum einen einer hohen Fluktuation unterliegen und zum anderen keiner kennt.

      Staatsfonds unterliegen auch den Gesetzen des Marktes. So musste z.B. der norwegische Staatsfond auch einen riesigen Verlust von 1,6 Billionen norwegische Kronen aufgrund des Russlandkrieges hinnehmen, konnte diesen aber in diesem Jahr aufgrund der guten Börsensituation, insbesondere durch die Wertsteigerungen der Technologiewerte diesen wieder ausgleichen.
      Allein daran siehst Du schon, dass auch die Staatsfonds der hohen Volatilität der Börsen unterliegen.

      Für mich stellt sich aber eine ganz andere Frage und zwar nach der Werthaltigkeit dieser Aktien, wenn immer mehr Staatsfonds entstehen und Aktien in ihren Bestand nehmen. Damit wird der Wert der Aktien durch die stetige Nachfrage aufgeblasen bzw. die Börsenwerte entsprechen nicht mehr der Substanz der jeweiligen Unternehmen. Beispiel Apple, welches einmal einen Börsenwert von US$ 2,7 Billionen hatte, aber nur eine Bilanzsumme von rd US$ 500 Milliarden und Eigenkapital um die US$ 80 Milliarden.

      Irgendwann krachen diese Börsenwerte zusammen und der Rentner steht dann mit leeren Händen wieder da und der Staat bzw. wir Steuerzahler müssen dann die Defizite wieder ausgleichen.

      Viel Grüße
      Elmar

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