Fragwürdige Finanzprodukte: Ein Leserbrief aus 2007

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Leserbrief des Herausgebers an die FAZ, welchen diesen am 24.02.2007 veröffentlichte.

Fragwürdige Finanzprodukte

Zum Artikel “Zertifikate-Fonds gehen auf Kundenfang” (F.A.Z. vom 30. Januar): Wie Sie richtig darlegen, ist der Zertifikate Markt mit 140.000 Produkten mit 500 verschiedenen Basiswerten sehr unübersichtlich geworden. Fügt man dann noch hinzu, dass pro Tag 700 neue Derivate entstehen, ist dieses “Anlagegeschäft” selbst für die Finanzexperten intransparent und in seinen Risiken nicht mehr überschaubar. In all den vielen Veröffentlichungen zum Thema Derivate, Fonds und Zertifikate ist aber kaum die Frage aufgetaucht, wo diese Produkte ihren Ursprung haben. Sicherlich spielen die Banken hierbei eine maßgebliche Rolle, jedoch sind sie nur Makler, Händler und Vermittler von Geschäften. Im Wesentlichen sind sie nicht die Initiatoren solcher Geschäfte und Produkte, sondern letztlich die Auftragnehmer von Kunden, die über riesige Portfolios verfügen und denen über die Art der Liquiditätszuflüsse und den vorgegebenen Rahmenbedingungen, diese Liquiditätszuflüsse stets anlegen zu müssen, Risiken entstehen. Es handelt sich hierbei um Kurs-, Zins-, Währungs-, Bonitäts- und Preisrisiken (zum Beispiel Ölpreis), welche diese Großkunden abgesichert haben wollen.

Aufgrund hoher finanzmathematischer Kapazitäten verfügen diese über Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Simulationen, wovon viele Anleger nur träumen können. Hat nun eine solche Wahrscheinlichkeitsrechnung ein gewisses Risiko xy Prozent ergeben, wird die Bank beauftragt, ein entsprechendes Finanzprodukt zu produzieren, womit dieses Risiko dann abgedeckt werden kann, verbunden mit dem Vertriebsauftrag, dieses erkannte Risiko den Anlegern als Chance, Beimischung (Frage: Fügen Sie einem Glas mit klarem Wasser schmutziges Wasser als Beimischung bei?) oder Gewinnmaximierung zu verkaufen. Somit verdient die Bank doppelt. Zum einen an der Erstellung des Finanzproduktes und zum anderen am Vertrieb desselben und das ohne Risiko, welches wie so oft beim Anleger verbleibt. Insofern geht der Anleger bei solchen Anlageprodukten ein hohes Risiko ein, da die Wettpartner sehr ungleich sind und letztlich der normale Anleger dabei immer der Dumme sein wird, ähnlich wie bei einer Spielbank.

Die Aufmachung dieser Produkte wird immer komplizierter, teilweise muss man engbedruckte 20 bis 40 DIN-A4-Seiten mehrmals durchlesen, um den Sinn und das Risiko dieser “Finanzprodukte” erkennen zu können. Ich habe schon Verkaufsprospekte lesen müssen, die einen Umfang von 158 Seiten hatten und in denen die Risiken dermaßen kompliziert versteckt waren, dass ein Normalbürger die darin steckenden Risiken einfach nicht erfassen kann. Zusammengefasst bedeutet das, dass man heute ein ausgebildeter Kaufmann und Wertpapierspezialist sein muss, um die Risiken der heute auf breiter Basis angebotenen Finanzprodukte analysieren zu können. Dies kann der Normalbürger nicht leisten! Der größte Teil der angebotenen Finanzprodukte sind Schrott, werden aber von seriösen Instituten als seriöse langfristige Anlage verkauft. Damit werden im schlimmsten Fall für die Altersvorsorge zurückgelegte Mittel an obskure Finanzprodukte verschleudert. Obwohl in den umfangreichen Verkaufsprospekten mehr oder minder, meistens aber sehr versteckt, der Hinweis, dass man mit diesem Finanzprodukt einen Totalschaden erleiden kann, aufgeführt ist, wird erfahrungsgemäß dieser Hinweis nicht wahrgenommen. Mein Vorschlag wäre daher (wie bei den Zigaretten), folgenden fett gedruckten und nicht übersehbaren Hinweis am Anfang des Verkaufsprospektes anzubringen: Dieses Finanzprodukt gefährdet Ihre Vermögenssubstanz.

Anmerkung des Herausgebers: Hat sich an dieser Situation in 2007 bis heute etwas geändert?

19. Juni 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

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