Hoffnung auf mehr Sicherheit: Ein Leserbrief aus 2008

image_pdfimage_print

Leserbrief des Herausgebers an die Mitttelbadische Presse, welchen diese am 13.10.2008 veröffentlichte.

Hoffnung durch mehr Sicherheit

Zur Bankenkrise: Das Bankgeschäft hat sich dramatisch verändert. Früher wurden mit dem Geld der Einleger die Kredite refinanziert, heute werden diese nach Vergabe in den meisten Fällen verkauft – der Fachausdruck ist „Verbriefung“ -, damit sie die Bilanz der Bank nicht mehr belasten und sie  deshalb in die Lage versetzt wird noch mehr Kredite zu vergeben.

Was geschieht nun mit diesen verbrieften Krediten?

Sie werden gebündelt zu einem Kreditportfolio und an sogenannte „institutionelle Anleger“ weiterverkauft. Diese „institutionellen Anleger“ sind nichts anderes als Versicherungen, Pensionskassen und Investmentfonds, aber auch Banken. Diese kreieren damit ein weiteres Wertpapier und verkaufen es an die Privatanleger weiter, entweder in Form eines Investmentanteils oder sind Teil des Vermögens der Versicherung, aus denen u. a. die Überschüsse für die Lebensversicherungen stammen oder die Pensionskassen als Anlage für die Beiträge für spätere Rentenzahlungen dienen.

Letztlich befindet sich dann dieses von den Banken abgegebene Kreditrisiko direkt oder indirekt in den Depots der Privatanleger, welche leider meistens nichts davon wissen. Bisher klang diese neue Geschäftsart der Banken ganz plausibel und schien auch irgendwie Sinn zu machen, Sie hat aber einen ganz entscheidenden Fehler und das ist das Unterschätzen von Bonitätsentwicklungen der jeweiligen Kreditnehmer. In meiner 30-jährigen Erfahrung im Kreditgeschäft habe ich noch kein Unternehmen erlebt, welches über eine gleich bleibende oder positiv steigende Bonität verfügt hat. Diese verändert sich permanent noch oben und nach unten, womit die Werthaltigkeit solcher Kreditportfolios einfach nicht stabil bleiben kann und somit ständigen Schwankungen unterliegt. Das wäre so, als würde man gärende und hochexplosive chemische Substanzen zusammenbringen wollen, irgendwann knallt es dann.

Mit dem Verbriefungsautomatismus hat man die Büchse der Pandora geöffnet und nun weiß keiner mehr so richtig, wie diese wieder geschlossen werden soll.

Ich befürchte, dass aufgrund der weltweiten immensen Volumina solcher strukturierten und undurchsichtigen Finanzprodukte die zur Verfügung gestellten Mittel des amerikanischen Staats nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden. Seit Jahren hat man im großen Stil weltweit diese strukturierten „Heißluft-Finanzprodukte“ unter die Anleger gebracht und selbst die sicher geglaubten Geldmarktfonds mit Kreditrisiken überfrachtet.

Meines Erachtens kann die Krise nur dann beendet werden, wenn man sich bewusst wird, was Geldanlage bedeutet. Sie ist die Reserve für schlechtere Zeiten, für Engpässe im Leben und Reservepolster im Alter und daher kein Risikokapital. Sicherheit und nochmals Sicherheit sollte für diese Reserve die Richtschnur sein, und nicht Rendite und steuerliche Vorteile, womit schlechte Anlageprodukte stets garniert werden. Jeder Anleger sollte sich daher genau ansehen, welchem Kreditnehmer er sein Geld gibt und von strukturierten Finanzprodukten grundsätzlich die Finger weglassen.

Wenn sich diese Renaissance der Sicherheit wieder durchsetzt, besteht auf Dauer Hoffnung, dass das Finanzsystem langsam wieder gesundet und organisch wachsen kann. Mit dem jetzigen System wird dies auf keinen Fall geschehen.

Anmerkung des Herausgebers: Hat sich an dieser Situation in 2008 bis heute etwas geändert?

22. Juni 2015

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

Teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert