Sparer schuld an Negativzinsen?

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In einem erst kürzlich veröffentlichten Gastkommentar des Handelsblattes  von Herrn Lorenzo Bini Smaghi, einem ehemaligen Mitglied des Direktoriums der EZB, mit der Überschrift  “Sündenbock der EZB”, verteidigte Herr Smaghi mit schon sehr “grenzwertigen” Thesen die Nullzinspolitik der EZB.

Saldiert betrachtet waren dies folgende Thesen:

Die Sparer, insbesondere die deutschen, sind größtenteils  Schuld an der   Nullzinspolitik der EZB mit der Begründung, dass die Ersparnisse deutlich höher seien, als die Investitionsausgaben und damit die Preise fielen. Hier scheint Herr Smaghi Ursache und Wirkung zu verwechseln. Durch die Nullzinspolitik der EZB entstand eine Geldschwemme ohnegleichen, die letztlich keiner in diesem Ausmaß  benötigt – außer den Problemstaaten –  und nur den Sparern ist es letztlich zu verdanken, dass durch diese  „nichtkonventionellen“ Maßnahmen der EZB  – wie Herr Smaghi das nennt –  die Superinflation nicht eingetreten ist. Da sich diese bisher nicht bemerkbar gemacht hat, wird die Nullzinspolitik noch verteidigt und sogar noch in Aussicht gestellt, die Negativzinsen noch weiter zu erhöhen. Das ist paradox.

Herr Smaghi bemängelt zu Recht die Tatenlosigkeit der europäischen Politik in Sachen Strukturreformen, welche die E$ZB zu einer solchen Politik nötigen würde. Ist das aber nicht auch ein Ergebnis der Nullzinspolitik der EZB, welche es den Staaten sehr leicht macht, Schulden aufzunehmen und zwar mehr als es die Bonität der Länder und die Norm  verträgt, zumal das den jeweiligen Politikern nicht weh tut und man damit eine Garantie erhält, wieder gewählt zu werden? Heizen die Zentralbanken – und damit im besonderen Maße die EZB –  mit ihrer jeweiligen  Nullzinspolitik  nicht die Verschuldung weltweit an? Die Verschuldung der Staaten ist seit der Finanzkrise enorm angestiegen – vor allem in seinem Heimatland Italien –  und in diesem Umfeld rät Herr Smaghi zu noch mehr Schulden? War denn die hohe Verschuldung nicht der Grund für die Finanzkrise in 2008? Hier sollen Schulden mit Schulden bekämpft werden. Vergleichbar ist das mit einem Ertrinkenden, dem man noch mehr Wasser in den Pool schüttet, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren. Das ist ebenfalls paradox!

Herr Smaghi fordert von den Banken eine größere Kreditbereitschaft statt die überflüssige Liquidität bei der EZB zu bunkern. Banken sind aber auf der anderen Seite durch die Bankenaufsicht der EZB zu Recht angehalten, ein ordentliches Kreditgeschäft zu betreiben. Gerade vor wenigen Tagen hat die oberste Bankenaufseherin in Europa die vielen faulen Kredite der Banken, insbesondere in seinem Heimatland Italien (!) beklagt, welches nicht gerade von einer fehlenden Kreditbereitschaft der Banken zeugt. Andererseits halten sich die Banken in der Tat derzeit zunehmend aus den Baufinanzierungsgeschäft zurück, da die Immobilienpreise dank der Nullzinspolitik der EZB regelrecht explodiert sind, sich entsprechende Blasen gebildet haben und die Banken nun  befürchten, wiederum in das offene Messer einer Immobilienblase zu laufen. Und im Übrigen zeichnen sich auf breiter Front Zinserhöhungen im Kreditgeschäft ab, um die von den Banken zu zahlenden Negativzinsen dadurch kompensieren zu können. Das ist auch ein Zechen einer paradoxen Geldpolitik der EZB!

Der Sparer soll sein Geld in risikoreichere Vermögensanlagen wie Aktien investieren. Das ist gelinde gesagt die Aufforderung zur Vermögenskastration.  Nachdem nun Herr Draghi jetzt auch noch akzeptable Unternehmensanleihen  aufkauft, fegt er damit den Anlagemarkt mit den zuletzt noch verbleibenden direkten Anlagen leer. Bankanleihen will er jedoch nicht in sein Depot nehmen, vermutlich sind ihm diese aufgrund seines exklusiven Einblicks in deren kryptografischen Bilanzen zu unsicher, diese kann dann der dumme Anleger kaufen. Die Nullzinspolitik treibt doch schon jetzt die Anleger in obskure Investments, insbesondere in die intransparenten strukturierten Finanzprodukte, alle mit einer Option auf den Totalverlust. Und dann noch in Aktien bei diesen derzeit hohen Indexständen, als wäre der Aktienmarkt durch die Politik der EZB nicht schon aufgeblasen genug. Und ein solcher Vorschlag kommt von einem Ex-Zentralbanker?

Die Agenda von Herrn Smaghi ist gekennzeichnet von einer Karriere in der Banca d`Italia, der Zentralbank von Italien. Danach wechselte er zum Europäischem Währungsinstitut in Frankfurt als Leiter der Abteilung “Politik”. 1998 wurde er kurzfristig stellvertretender Generaldirektor für Forschung der EZB, um als Generaldirektor für Internationale Beziehungen am italienischen Wirtschafts- und Finanzministerium bis 2005 aufzusteigen. In 2005 wurde er Mitglied des Direktoriums der EZB, musste diesen Platz im Oktober 2011 nach der Ernennung von Herrn Draghi zum Präsidenten der EZB räumen, da nach der informellen Regel der EZB zwei Italiener in diesem hohem Gremium nicht vorgesehen waren, jedoch jeweils ein Vertreter der vier größten Wirtschaftsnationen (Nationalitäten-Mischmasch). Herr Smaghi gab dann bekannt, in die Wissenschaft zu wechseln und nennt sich seitdem “Wirtschaftswissenschaftler”.

Aus diesem Lebenslauf kann man wieder feststellen, dass die EZB durchsetzt war und ist von in der Politik groß gewordenen Pseudo-Wissenschaftlern ohne direkten Bezug zum realen Bankgeschäft. Dies hat sich bis heute nicht verändert, wie in meinem Beitrag vom 8.11.2015 mit der Überschrift “Fachexpertise Zentralbankrat” nachgelesen werden kann.

Dies erklärt auch die chaotische Geldpolitik der EZB, welche einem Versuchslabor gleicht als einem Währungshüter.

Ehrlich gesagt, einen solchen Quatsch wie in diesem Gastkommentar von Herrn Smaghi im Handelsblatt, habe ich schon lange nicht mehr gelesen.

25. März 2016

Elmar Emde

Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”

Siehe auch http://www.emde-fiveko.de

 

 

 

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