Die hohe Verschuldung der Staaten ist für Politiker eine große Last und in einem Umfeld von niedrigen Wachstums- und Inflationsraten schwer zu steuern. In diesem Umfeld helfen niedrige Zinsen, wenn zugleich über regulatorische Maßnahmen der Bedarf der Finanzinstitute an Staatsanleihen hoch gehalten wird. Es gibt nur vier Wege, um die Verschuldung zu reduzieren: eine restriktivere Finanzpolitik, höheres Wachstum, steigende Inflationsraten oder – als letztes Hilfsmittel – der Staatsbankrott. Am Ende der ausufernden globalen Verschuldungskrise wird es für Risikoanlagen gefährlich, dann nämlich, wenn die wichtigsten Wirtschaftsräume in eine Rezession gleiten und Zinsen und Inflation immer noch niedrig sind.
Über die Unabhängigkeit der Zentralbanken von der Politik kann man mit Sicherheit vortrefflich streiten. Tatsache ist jedoch, dass sie im Moment die finanzielle Repression unterstützen. Sie ermöglichen es den Staaten, auch mit hoher Staatsverschuldung leichter zu leben, da sie versuchen, in nächster Zukunft die Zinsen unter dem nominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zu halten. Hinzu kommt, dass Anleihen mit hohen Zinsen durch solche mit niedrigen Zinsen ersetzt werden, was zu einer Reduzierung des Schuldendiensts führt, manchmal auch bei steigenden Schulden. Damit wird zwar von Regierungsseite eine Stabilisierung des Verhältnisses von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt erreicht. Ist die monetäre Geldpolitik jedoch dauerhaft, verschleiert sie den faktischen Staatsbankrott des betreffenden Staates und führt – da die Geldmenge im Vergleich zur vorhandenen Gütermenge aufgeblasen wird – zu einer Inflationsspirale. So weit ist es allerdings im Moment noch nicht.
Dieser Teufelskreis aus mangelndem Wachstum und Überschuldung wird langfristig dazu führen, dass der Konsum einbricht. Nehmen wir noch die in den meisten Industrieländern ungünstige demografische Entwicklung hinzu, so ergeben sich dauerhaft mäßige Aussichten für die Unternehmen. Das wird sich früher oder später auch in den Gewinnen der Unternehmen niederschlagen. Der Versuch der Europäischen Zentralbank (EZB), durch die Abwertung der Währung den Unternehmen der Eurozone mehr Wachstumsmöglichkeiten zu bescheren, ist in der Vergangenheit langfristig immer auf ein Nullsummenspiel hinausgelaufen. Denn Wachstum in der globalisierten Welt wird vom Wachstum der Weltwirtschaft bestimmt. Kurzfristig hilft diese Abwertung in erster Linie Deutschland. Was die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung der Eurozone verstärken wird. Damit wird sich auch der politische Druck auf Deutschland erhöhen, die Rechnung zu bezahlen.
Die von den Zentralbanken befeuerten Währungsbewegungen schaden im Moment vor allem den Entwicklungsländern. Diese haben in der Vergangenheit hohe Schulden vor allem in US-Dollar aufgenommen und können durch die rasche Aufwertung des letzten halben Jahres destabilisiert werden. Nach Angaben der Bank für Zahlungsausgleich haben Unternehmen aus den Schwellenländern Verbindlichkeiten von über 2 Billionen US-Dollar in ihren Bilanzen stehen. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen der Schwellenländer in der Vergangenheit von den hohen Rohstoffpreisen profitiert haben und jetzt doppelt unter der Entwicklung leiden.
Gemäß FactSet Research Systems haben die 500 im S&P 500 notierten Gesellschaften Kassenbestände von 1,4 Billionen US-Dollar. 2014 haben diese Gesellschaften 903 Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre ausgeschüttet – 350 Milliarden an Dividenden und 553 Milliarden für Aktienrückkäufe. Für 2015 erwartet S&P, dass eine Summe von über 1 Billion US-Dollar an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Vor allem durch diese Rückkaufaktivitäten wird der amerikanische Aktienmarkt inzwischen mehr durch Financial Engineering als durch Profitabilität in die Höhe getrieben. Allerdings dürfte 2016 für ähnliche Aktivitäten wesentlich weniger Liquidität zur Verfügung stehen. Ein typisches Beispiel hierfür ist General Electric. Im letzten Monat gab die Gesellschaft bekannt, dass sie bis 2018 90 Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre ausschütten wird. Um dieses Geld auszuschütten, wird General Electric Unternehmensteile verkaufen und im Ausland liegende, noch nicht versteuerte Liquidität zurückführen. Diese Rückführung wird die Gesellschaft ca. 4 Milliarden US-Dollar Steuern kosten. Da weder Sie als Privatperson noch eine Gesellschaft gerne Steuern zahlt, scheint zumindest General Electric keine nachhaltige Verwendungsmöglichkeit für diese Gelder im Konzern zu sehen. Sonst würde die Gesellschaft keine derart hohen Ausschüttungen an die Anteilseigner und den Staat vornehmen.
Es hat sich nichts geändert: Der Aufschwung an den Börsen bleibt vor allem von der Geldpolitik getrieben. EZB-Präsident Mario Draghi kündigte im Sommer 2012 an, dass er alles zum Erhalt des Euros tun wolle. Damals lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX bei 9, heute bei 15. Die Gewinne und Umsätze sind allerdings bei Weitem nicht um diese Faktoren gestiegen. Um diese Kurse zu rechtfertigen, brauchen wir eine dynamische Wirtschafts- und Gewinnentwicklung. Da diese aufgrund der oben beschriebenen Fakten nicht zu erwarten ist, bleiben wir weiter vorsichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Otmar Beck
Alltrust AG, Schweiz
Wertentwicklung 2015:
Drei Säulen Portfolio: 6,58%, Benchmark: 9,36%
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Otmar Beck