Die vor wenigen Tagen verkündete neue Commerzbank-Strategie kann man nur als „olle Kamellen“ bezeichnen. In diversen, aber wichtigen Punkten, wie z.B. wie der Personalabbau und in welchen Bereichen sie zu erfolgen hat, steht anscheinend noch nicht ganz fest. Die Grundzüge dieses Umbruchs kennzeichnet vor allem der radikale Personalabbau von 9.600 Mitarbeitern, womit jeder fünfte Arbeitsplatz zur Disposition steht und letztlich eine ideenlose und schon einmal gescheiterte Maßnahme ist.
Wer wurde nun aber für die Erstellung dieser Strategie beauftragt? Natürlich wieder ein angelsächsisch geprägtes Unternehmen namens McKinsey, welches Ende des alten, Anfang dieses Jahrtausends zusammen mit der ebenfalls angelsächsischen Boston Consulting Group die Misere der Dresdner Bank und verschiedener anderer Banken beratend begleitet hatte.
Man muss sich immer wieder fragen, ob ein hoch bezahlter Vorstand einer solch großen Bank, welcher sein Geschäft und somit die Schwachstellen seines Geschäftsmodells eigentlich kennen müsste, nicht die geeigneteren Berater für einen solchen Strategiewechsel wären. McKinsey & Co öffnen letztlich nur Ihre alten Schubladen mit alten erfolglosen Rezepten. Letztlich zeigt das wiederum, dass diese Vorstandsherren von ihrem eigenen Geschäft so gut wie keine Ahnung haben und man sich lieber auf diese gut dotierten Gutachten zurückzieht, um selbst nicht angreifbar zu werden. Da aber drei Mitglieder des achtköpfigen Vorstands von Kinsey kommen und ein vierter von der insolvent gegangenen Anderson Consult, kann einem diese Politik nicht verwundern, diese Herren kennen einfach nicht das Bankgeschäft. Hat man denn immer noch nicht die Lehren aus den negativen Beratungsergebnissen aus der Vergangenheit gezogen?
Wichtigster Punkt dieser 08/15 Strategie ist die Zusammenfassung der bisher drei großen Stützen Privatkunden, Mittelstandsbank und Investmentbank in zwei Stützen. Die Mittelstandsbank soll mit der Investmentbank zum Bereich „Firmenkunden“ verschmolzen werden, die „kleineren“ Unternehmen mit einer Bilanzsumme von bis zu € 15 Mio. sollen künftig aus der Mittelstandsbank herausgelöst und der Privatkundensparte zum Bereich „Privat- und Unternehmerkunden“ zusammengefasst werden.
Hatten wir eine solche Umgruppierung von Bankkunden nicht schon einmal? Ich denke hierbei nur an die Bank 24 zu Zeiten des vorgesehenen Zusammenschlusses zwischen Deutsche Bank und Dresdner Bank vor etwa 15 Jahren, welche zu erheblichen Irritationen in der Bankkundschaft geführt hatten und deshalb wieder abgeblasen wurde. Genau dieselbe Umstrukturierung fand dann danach bei der Dresdner Bank statt, welche auch völlig daneben ging und zur Abwanderung von Kunden zu den lokalen Kreditinstituten (Sparkassen/Volksbanken) führte. Endresultat der Dresdner Bank sicherlich bekannt!!!!
Unternehmen mit einer Bilanzsumme von € 15 Mio. sind meistens schon recht große und anspruchsvolle Kunden mit über hundert, bei Dienstleistungsunternehmen sogar mit mehreren hundert Mitarbeitern, welche Dienstleistungen in allen Sparten des Bankgeschäftes benötigen, die eine Privatkundensparte einfach nicht abbilden und abdecken kann.
Dort sitzen fachspezifisch in PkW-, Wertpapier- und Baufinanzierung ausgebildete junge Mitarbeiter, die meistens nicht einmal in der Lage sind, die Wertigkeit einer Bilanz nebst GuV analysieren zu können. Die wichtige Bilanz- und Kreditexpertise im Firmenkundengeschäft ist hier nicht vorhanden, ebenso Kenntnisse im Auslandsgeschäft und im Zahlungsverkehr der Firmenkunden.
Letztlich bedeutet das den kostenintensiven Aufbau von parallelen Fachabteilungen inkl. Marktfolge, welche aber im Bereich „Firmenkunden“ schon längst vorhanden sind, dort aber nicht genutzt werden können und wenn ja, kann man sich ausrechnen, welcher Bereich dann eine bevorzugte Behandlung erfährt und deshalb zu unnützen Spannungen führen wird.
Der größte Stolperstein dieser „Strategie“ aber ist die Neuordnung der Betreuung der Firmen- / Unternehmerkunden. Viele sehr gute Beziehungen der Betreuer zu den Unternehmerkunden werden einfach gekappt und schlecht ausgebildeten Privatkundenbetreuern übertragen, worauf sich dann die lokale Konkurrenz schon freut und aus diesem Bereich weiteres Geschäft an sich ziehen wird. Ganz zu schweigen von den fehlerhaften Dienstleistungen, da die entsprechenden Fachabteilungen erst kostenintensiv aufgebaut werden müssen und bis zur Vollinstallierungen zu äußerst zeitaufwändigen und ärgerlichen Reklamationen führen werden mit der Folge von Kundenabwanderungen.
Und was den neuen Bereich Firmenkunden, d.h. Zusammenfassung der bisher sehr erfolgreich am Markt agierenden Mittelstandsbank mit der Investmentbank betrifft, so wird hier der gleiche katastrophale Prozess wie bei der damaligen Dresdner Bank seine Spuren hinterlassen. Auch hier wird es Betreuerwechsel geben (zur Freude der Konkurrenz), welche dann zusammen mit den Investmentbankern, auch Bonibanker genannt, zentralisiert in den Metropolen Deutschlands, fern ab von Ihren Kunden sitzen werden und zur Freude der Kostenrechnung der Bank lange Anfahrtswege und Zeiten für die Besuche ihrer Kunden aufwenden müssen. Zudem wird es auch hier nicht ausbleiben, dass man diesen Kunden dann nur noch fragliche Investmentbankprodukte aufschwatzen wird, um damit die gestiegenen Kosten dieser old fashioned Strategie bezahlen zu können. Darüber hinaus hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Investmentbanker aufgrund ihrer “ertragsstärkeren” Margen in diesen Bereichen wiederum die Oberhand gewinnen werden zum Schaden der bisher erfolgreichen Mittelstandsbetreuer, deren Kunden dann mehr als vergrault werden.
Das Investmentbanking soll im Zuge dieses Umbaus zwar verkleinert werden, dies dürfte aber im Wesentlichen nur den Handel betreffen, welcher durch Maschinen im Hochfrequenzbereich besser abgewickelt werden kann, zumal hier das technische front-running – früher wurde es als illegal bezeichnet – nunmehr aufgrund entsprechender Lobbyarbeit als liquiditätsfördernd eingestuft und somit legal ist, zum Schaden der Anleger. Ganz sicher ausgebaut wird der Bereich der Strukturierung von Finanzprodukten, da es auf der Anlegerseite so gut wie keine direkten Anlagemöglichkeiten mehr gibt und daher alle Banken auf die Strukturierungexpertise – besserer Ausdruck ist Risikovertünchungsexpertise – für Finanzprodukte der Investmentbanker zurück greifen müssen.
Bei genauer Betrachtung dieses Modells triftet die Commerzbank damit weiter in Richtung einer Investmentbank ab und entspricht damit letztlich auch den permanenten Empfehlungen des Bankenaufsehers Dombret (ebenfalls wie Draghi Investmentbanker) sich vom Zinsgeschäft unabhängig zu machen. Banken werden aber immer noch als Kreditinstitute eingestuft mit dem Kredit- / Zinsgeschäft als Kernbasis. Die Absicht von Herrn Dombret ist demnach den Kredit durch intransparente Investmentbankingprodukte ersetzen zu wollen.
Weiteres Merkmal eines starken Investmentbanking-Einflusses ist nun auch noch der Verkauf des Familiensilbers, d.h. des Gebäudes der Commerzbank-Zentrale, das höchsten Hochhauses in Deutschland, an ein südkoreanisches Unternehmen. So fing es übrigens auch bei der Dresdner Bank an.
Sollte dann noch der Vorstand der Commerzbank beschließen, hauptsächlich Mitarbeiter aus dem Back-Office freizusetzen, ein sehr beliebtes Thema bei den ahnungslosen angelsächsisch geprägten Lap-Top-Unternehmensberatern, müsste der Aufsichtsrat der Commerzbank dem Vorstand und diesen Jüngern den Laufpass geben.
Gerade jetzt, nachdem die Bankenaufsicht mit ihrer unbotmäßigen Regulierungswut die Banken bis aufs Blut piesackt, ist ein gut funktionierendes Back- Office für die Kundenbetreuer äußerst wichtig, zumal es ihm sehr zeitaufwändige Arbeit abnimmt, die er für die Betreuung seiner anspruchsvollen Firmenkunden verwenden kann. Ansonsten wäre ein solcher Betreuer mit einem aus kurzfristigen Kostengründen zurückgefahrenen Back-Office dazu verdammt, solche sehr zeitaufwändige Back-Office-Arbeiten selbst vorzunehmen. Bei der Dresdner Bank musste ich diese Situation leider erleben.
Jetzt kommt sicherlich der McKinsey-Einwand, dass solche Arbeiten zentral und dadurch effizienter vorgenommen werden könnten. Wer solche zentralen und unpersönlichen Abwicklungsabteilungen schon einmal kennengelernt hat, kann dazu nur den Kopf schütteln, zumal es bis zu deren Installierung lange dauert und sich darin meistens nicht die besten Back-Office-Mitarbeiter befinden, welche zudem evtl. jeden Morgen und Abend stundenlange mühsame und daher nicht sehr motivierende Anreisezeiten in Kauf nehmen müssen, um zu ihren neuen Arbeitsplätzen in Großraumbüros zu gelangen, deren Mieten außerdem noch viel höher sind, als in der Fläche. Die bestehenden Möglichkeiten einer medialen Vernetzung scheint der Commerzbank auch noch nicht geläufig zu sein.
Dem „Privat-und Unternehmerkunden“-Bereich will zudem Herr Zielke mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen und dem Bereich „Firmenkunden“ dafür abziehen.
Pikant hierbei ist, dass er seinem bisher verantworteten Bereich der Privatkundensparte damit die Basis verbessern will (Bereichsdünkel??), um es der bisher erfolgreichen Mittelstandsbank bzw. jetzt den Firmenkunden weg zu nehmen. Pikant des Weiteren ist dadurch die Neubewertung der immateriellen Vermögensgegenstände durch den Zusammenschluss der Mittelstandsbank mit der Investmentbank, welche nach Pressenotizen zu einer Wertberichtigung von € 700 Millionen führen wird. Tolle Strategie!
Das i-Tüpfelchen dieser Strategie ist dann noch das Abkupfern eines Modetrends, das Auswerfen eines fin-tech-Rettungsankers, nämlich der Aufbau eines Digitalcamps, genauso wie die Deutsche Bank mit ihrer Digitalfabrik.
Start-ups, Digitalisierung, Jugendwahn, als hätten wir das in der Vergangenheit nicht alles auch schon einmal erleben „dürfen“. Wie sieht es aber mit der demographischen Entwicklung aus, hat man diese ganz vergessen? Glaubt die Commerzbank wie auch alle anderen Banken im Ernst daran, dass die rasant zunehmende Anzahl von Rentnern ihre Bankgeschäfte wirklich nur über Apps & Co abwickeln wird, sich nur online beraten lässt usw. usw.
Sicherlich ist die Aktualisierung der IT auch bei der Commerzbank sehr vordringlich zu behandeln, welches man allein an den Depotauszügen wahrnehmen kann. Auch wird keine Bank an der Digitalisierung herumkommen, leider. Der Bankkunde muss sich aber bewusst sein, dass durch diese Digitaliserung ein neuer Geschäftsbereich innerhalb aller Banken entsteht und forciert wird, nämlich der des Produktverkaufs, erkennbar und möglich über die Kontobewegungen, womit der Bankkunde gläsern und künftig von den Bankern noch mehr genervt wird. Die Banken werden somit zu Finanzkolonialwarenhändllern mutieren.
Herr Zielke war von 1990 bis 2000 bei der Dresdner Bank in Frankfurt und danach in der oben erwähnten Deutsche Bank 24. Er müsste die damalige und jetzt wieder aufgewärmte erfolglose Strategie der Dresdner Bank gekannt haben. Umso unverständlicher ist mir daher diese „olle-Kamellen-Strategie“. Oder befand er sich damals in einem Elfenbeinturm der Dresdner Bank und der Bank 24 oder fehlt ihm die Firmenkundenexpertise?
Meines Erachtens wäre es sinnvoller gewesen, die unsinnigen Willkommensgelder im Privatkundengeschäft für neue Konten zu streichen, die nur teure Kontoleichen produzieren. Besser wäre es diese durch entsprechend gute Dienstleistungen zu ersetzen sowie den bisher erfolgreichen Weg der Mittelstandsbank fortzuführen. Gerade in diesem Bereich konnte sich die Commerzbank in den letzten Jahren einen guten Ruf im Mittelstand erarbeiten, der jetzt aufs Spiel gesetzt wird. Diesen Erfolg gleich beim ersten Ertragseinbruch wieder zur Disposition zu stellen, spricht nicht für eine verlässliche Geschäfts- und Kundenpolitik bzw entspricht eher eine Reinrauspolitik.
Bankgeschäft ist Dienstleistungsgeschäft, welches den neuen Gegebenheiten angepasst werden, aber nah am Kunden bleiben muss und nicht weit entfernt. Hier könnte sich die Commerzbank ein Beispiel am Volksbankensektor nehmen, welcher in 2015 deutlich besser verdient hat, als die Geschäftsbanken und immer noch sehr nah an den Kunden ist. Dazu gehören auch die Verkleinerung – nicht Schließung – der Standorte und damit Reduzierung des Privatkunden-Schalterpersonals, begleitet mit dem Ausbau einer kundenfreundlicheren und aussagekräftigeren IT. Schließung von Filialen bedeutet eine Reduzierung der Vertriebsmöglichkeiten, auch neudeutsch sales-force genannt. Warum eröffnen Edeka & Co ständig neue Filialen, obwohl auch hier die online-Möglichkeiten bestehen?
Außerdem muss allen Bankmitarbeitern klar gemacht werden, dass die Höhe ihrer bisherigen Gehälter nicht mehr der aktuellen wirtschaftlichen Lage entspricht und daher einer Änderung bedarf, um nicht der Gefahr des Arbeitsplatzverlustes zu unterliegen. Dem müsste sich der Vorstand allerdings anschließen und nicht für die Schrumpfung der Bank und damit Wegnahme von künftigen Geschäftsmöglichkeiten durch hohe Boni belohnt zu werden.
Die hierfür kalkulierten Restrukturierungskosten würden genug finanziellen Spielraum für diese Maßnahmen bieten und würden der Bank die Chancen für die Zukunft belassen. Mit dieser Strategie werden sie aber abgebaut.
Abschließend möchte ich aber noch festhalten, dass diese Maßnahmen letztlich auf die Geldpolitik der EZB zurückzuführen sind. Diese wird nicht nur bei der Commerzbank zu einem massiven Personalabbau führen, sondern auch bei vielen anderen Banken und damit den Staaten zunehmend auf die Füße fallen. Weitere große Fußbeschwerden werden folgen.
Es wird daher höchste Zeit, dass diese EZB, welche sich wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt, aber aufpasst, dass der Inhaber des Ladens kein Porzellan zerschlägt, ein Ende findet.
Im Übrigen siehe auch den Beitrag in diesem Blog vom 10.2.2015 unter dem Titel: “Dresdner Bank: ein erlebter Niedergang”
1.September 2016
Elmar Emde
Autor des Buches “Die strukturierte Ausbeutung”
Siehe auch www.emde-fiveko.de